Diese Halle stellt ein ganzes Dorf dar

Kunst & Baukultur

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Der Künstler Albert Merz hat die Fassade der Ägerihalle gestaltet. Sein Entwurf stiess am Anfang auf Widerstand.

  • Der Kirchturm spiegelt sich in der von Albert Merz gestalteten Fassade der Aegerihalle.Bild: Stefan Kaiser (Unterägeri, 29. 1. 2025)
    Der Kirchturm spiegelt sich in der von Albert Merz gestalteten Fassade der Aegerihalle.Bild: Stefan Kaiser (Unterägeri, 29. 1. 2025)

Unterägeri – Was für Luzern das KKL, ist für Unterägeri die Aegerihalle. Nun, in Bezug auf Grösse und Ausstrahlungskraft mag der Vergleich vermessen wirken. Gemeinsam haben die beiden Gebäude aber, dass sie wichtige Versammlungs- und Veranstaltungsorte sind. Und gemeinsam haben sie ihre extravagante Erscheinung.

Architektonisch muss sich die Aegerihalle nicht verstecken, obwohl sie mit ihrer schwarzen Glasfassade genau das zu tun scheint. Je nach Perspektive wirkt es, als würde sich der Kirchturm aus dem 2009 eröffneten Bau erheben. Oder als ob der Himmel direkt ins Gebäude übergehen würde. In das Glas eingebrannte Linien und verschiedene Gefässformen sorgen für einen Farbtupfer. Für die Gestaltung verantwortlich ist der 1942 in Unterägeri geborene Künstler Albert Merz. Er wurde vom Architekten Markus Hotz angefragt, Entwürfe für die Fassadengestaltung zu erstellen. Zufall war das keineswegs: Merz arbeitete in der Schweiz jahrelang als Zeichnungslehrer, bevor er nach Berlin auswanderte, um an der Hochschule der Künste weiter zu studieren. Hotz war einer seiner Schüler.

Farbenfrohere Alternativen konnten nicht überzeugen

Albert Merz erstellte einen Entwurf. Knallschwarz. «Dieser ist anfangs bei den Bauherren auf Widerstand gestossen», erinnert er sich. «Man meinte, die Leute hätten Angst vor dem Schwarz, weil sie es mit Trauer in Verbindung bringen würden.» Also erstellte der Künstler Alternativen, beige und bordeauxrot. «Beides vermochte nicht zu überzeugen, weil der gewünschte Spiegeleffekt fehlte.»

Und so steht sie jetzt da, die Aegerihalle, ganz in schwarz, wie sich das der Künstler vorgestellt hatte. «Wir haben aus der Bevölkerung Protest erwartet», erzählt Merz. «Doch dieser ist ausgeblieben; es gab bis heute nur einzelne kritische Stimmen.»

Wie eine Paketschnur

Ob das auch an den Zeichnungen auf den schwarzen Glasplatten liegt? Sie stellen genau das Gegenteil von Tod dar: das Leben. Die farbigen Linien ziehen sich wie eine Paketschnur um das Gebäude herum und scheinen dieses zusammenzuhalten.

«Aber nicht nur zack, zack, zack und ein Knopf dran», beschreibt Merz. Die «Paketschnur» kommt aus Gefässen, welche Menschen symbolisieren. «Jeder Mensch ist auch ein Gefäss mit einem Inhalt, den er weitergeben kann. In diesem Sinne werden die Schnüre zu Schläuchen, die etwas weiterleiten. Sie enden auf der Eingangsseite in Trichtern, welche die Inhalte – im übertragenen Sinn die Meinungen – auffangen und gebündelt weiterleiten.»

Auch gegensätzliche und überlappende Meinungen stellt Albert Merz auf der Fassade der Aegerihalle dar. Differenzen, Meinungsbildung, Eingaben: Das passe perfekt zu dem Gebäude, in dem auch politische Versammlungen stattfinden. Die Aegerihalle steht so symbolisch für die Dorfgemeinschaft, die sich darin trifft, um zu diskutieren und gemeinsame Beschlüsse zu fassen.

Diese Art von Kunst ist vergänglich

Mit 82 Jahren lebt das «urbanisierte Landei», wie er sich selber bezeichnet, noch immer in Berlin. «Aber ich bin Schweizer geblieben, Unterägeri ist meine Heimat.» Die Fassade der Aegerihalle sei «etwas vom Wichtigsten und Besten, das ich in meiner Karriere gemacht habe», sagt Albert Merz. Er sei stolz darauf, dass sie in seiner Heimatgemeinde stehe. Merz ist sich aber bewusst: Im Gegensatz zu Kunstwerken auf der Leinwand sind jene an Gebäuden vergänglich: «Man muss damit leben, dass sie irgendwann abgerissen werden.» (Text: Christian Glaus)