Frei wie ziehende Vögel – auf und neben der Bühne

Musik

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Die junge Zuger Musikszene rund um die Singer-Songwriterin Ay Wing initiiert dieses Jahr ein neues Open Air, genannt «Zugvögel». Im Zentrum steht die Vernetzung lokaler, nationaler und internationaler Kulturschaffender.

  • Die in der Schweiz aufgewachsene Sängerin mit Kongolesischen Wurzeln, Alina Amuri, auf der Bühne in der Galvanik. Bild: zvg
    Die in der Schweiz aufgewachsene Sängerin mit Kongolesischen Wurzeln, Alina Amuri, auf der Bühne in der Galvanik. Bild: zvg

Zug – Entspannt sitzt Ay Wing in der Garderobe der Galvanik. Die junge, aus Zug stammende, aber in Berlin lebende Sängerin ist soeben aus Hamburg zurück, wo sie am Vorabend ein Konzert bestritten hat. Eine lange Reise und ein vormittägliches Engagement liegen hinter ihr, und morgen wird sie selbst auftreten am von ihr begründeten Open Air «Zugvögel». Als Profi nimmt sie sich hingebungsvoll Zeit, über Entstehung und Motivation ihres jüngsten Projekts zu sprechen.

«Eine Weile habe ich im Seebad Seeliken jährlich ein Konzert gegeben, zwischen den schwimmenden Menschen, bei Sonnenuntergang. Das war sehr schön – eine magische Stimmung. So kam ich, zusammen mit meinem Techniker Björn Bredehöft, auf die Idee, daraus ein Festival zu machen», erzählt sie begeistert, «und jetzt probieren wir das aus.» Bei Regen ist das Galvanik der Ausweichort für das «Schwimmbad-Open-Air».

Festival muss mit kleinem Budget realisiert werden

Der zweitägige Anlass soll langfristig zu einem Highlight im Zuger Veranstaltungskalender werden. Dem Publikum wird ein breites Spektrum an musikalischen Acts, von Rock über Pop bis hin zu elektronischer Musik geboten. Einerseits soll die lokale Musikszene gestärkt werden, daher stammen viele Acts aus der Region Zug. Andrerseits soll das Festival ein Anreiz für die hiesigen Künstlerinnen und Künstler sein, internationale Kooperationen zu schaffen.

«Die Community steht klar im Zentrum», betont Ay Wing, die mit bürgerlichem Namen Alexandra Landtwing heisst, «vor allem nach Corona, nach dieser Zeit der Vereinzelung, wollen wir die Bühne teilen und Synergien kreieren, uns gegenseitig inspirieren und neue Ideen entwickeln». Daher ist der Name «Zugvögel» nicht zufällig. Die Zuger Tänzerin und Bewegungspädagogin Seraina Tall hat den Impuls dazu gegeben: «Wir Künstler sind frei wie die ziehenden Vögel, mal fliegen wir aus, mal kehren wir zurück, sind nirgends fremd». Auch sie steht in der Galvanik-Garderobe und bereitet sich auf ihren Auftritt vor.

Neben Ay Wing sitzt Leila Sekandari. Als Grafikerin ist sie zuständig für den visuellen Auftritt, für Website und Kommunikation. Die dritte im Bunde sei Joana Obieta, erzählen beide. «Wir haben im Februar angefangen, hochmotiviert, wir haben sofort alle Social-Media-Kanäle bedient, die Kulturförderer angeschrieben. Einige Sponsoring-Zusagen haben wir eben erst erhalten.» Das Festival muss mit kleinem Budget realisiert werden.

Denn wichtig ist ihnen das «Herzblut», nicht das Kommerzielle. Und noch etwas: «Wir wollen bewusst keine männerdominierte Kunst, sondern einen weiblichen und diversen Mikrokosmos schaffen und dadurch zur allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.» Das Festival verlangt keinen Eintritt, will auch auf dieser Ebene eine Barriere abbauen: Das Publikum soll selbst bestimmen, wie hoch der Kollekten-Beitrag sein soll.

Songs zwischen New Soul, R&B und Afrobeats

Es scheint, dass am Open-Air «Zugvögel» von Anfang an ein bewusster Geist die Dinge gestaltet. Am ersten Abend ist dieser Geist immer wieder auch in den Acts zu spüren. Seraina Tall und ihr Bühnenpartner, der aus Unterägeri stammende Trompeten- und Flügelhornspieler Martial In-Albon, beginnen mit dem mystischen Klang der Muschelhörner und gestalten eine strömende Klang-Tanz-Performance, die das Publikum in meditativen Bann zieht.

Die aus Kinshasa stammende, in der Schweiz aufgewachsene Alina Amuri bietet vibrierende Songs zwischen New Soul, R&B und Afrobeats dar, oszillierend zwischen «back to the roots» und internationaler Fusion. Die Songwriterin Mariama aus Sierra Leone und Köln, deren Lebensmittelpunkt aber Paris ist, fasziniert mit melancholischen und politisch kritischen Balladen einerseits und in die Glieder fahrenden Beats andererseits.

Viel später am Abend wird die einheimische Band Humanoids das volle Haus begeistern, bevor eine Jam Session beginnt. Und für den zweiten Festival-Tag ist nebst weiteren Auftritten auch eine «Newcomer Stage» für junge Talente geplant. (Text von Dorotea Bitterli)

 

Hinweis

Weitere Infos zum neuen Open Air «Zugvögel» siehe Website: www.zugvoegelopenair.ch