Aufs Wasser wie in alter Zeit
Brauchtum & Geschichte
In den 1960er-Jahren wurde der letzte Einbaum zu Wasser gelassen. Zum Schluss von «Freilichtmuseen quer durchs Ägerital» lebte diese alte Tradition wieder auf.
Oberägeri – Verdächtig ruhig schlummert der Ägerisee am Samstag in den frühen Mittagsstunden, als plötzlich jemand aus dem Wasser steigt. Neptun nennt er sich und trägt nebst Neoprenanzug Algen, Schilfblätter und gesammelten Seeabfall. Der symbolische Taufakt des Einbaums wird so zur perfekt inszenierten Theatereinlage, an welcher sich die Besucher erfreuen. «Wir haben Herta Hess ausgewählt und in ihr eine würdige Gotte gefunden, sofern sie den Fischkopf küsst», sinniert Neptun alias Rainer Rapp. Der Hechtkopf wird geküsst, der Einbaum mit Wein begossen, und Gotte Herta Hess wird mit dem Einbaum namens «Itha» zu Wasser gelassen.
Tradition lebt wieder auf
Bis vor hundert Jahren gab es auf dem Ägerisee nichts anderes als solche Einbäume, die vor allem der Fischerei dienten - obwohl die damaligen Fischer kaum schwimmen konnten. «Ich bin schon vor 40 Jahren in so einem gerudert», erzählt Initiant Hans Zehnder. «Es ist wie Velofahren: Wenn man es einmal gelernt hat, verlernt man es nicht mehr.» Der Bau sei allerdings sehr aufwendig, deshalb musste der Einbaum ab den Sechzigerjahren moderneren Seegefährten weichen. Für die Veranstaltungsreihe «Freilichtmuseen quer durchs Ägerital» wurde nun erneut eine 123 Jahre alte Weisstanne zu einem Einbaum verarbeitet. Er hat die Anlassreihe der Bürgergemeinde Unterägeri begleitet und wird nun zum Abschluss in Oberägeri bei der Studenhütte zu Wasser gelassen.
Generationen zusammengebracht
Beat Iten-Müller, Bürgerpräsident von Unterägeri, ist begeistert über das gelungene Finale der Freilicht-Museen und zieht ein positives Fazit: «Die Anlässe waren sehr gut besucht. Es zeigt uns, dass ein Interesse besteht und wir damit alle Generationen ansprechen.» Ein Pluspunkt sieht Beat Iten-Müller auch darin, dass die Besucher aktiv bei den Anlässen, insbesondere am Einbaum, mitwirken konnten. «Nur mit Zuschauen holt man die Leute heute nicht mehr ab - sie haben es geschätzt, dass sie selbst schnitzen und werken konnten», so Beat Iten-Müller. Er versucht sich gleich selbst beim Rudern im Einbaum. Doch obschon es einfach aussieht, ist es eine Kunst, mit der sich alle Versuchenden ein wenig schwertun. Auf hoher See bleiben muss aber niemand, Kapitän Peter Henggeler sorgt dafür, dass alle Ruderer wieder unversehrt an Land kommen.
Versteigerung des Einbaums
Umrahmt wird die Feierlichkeit mit musikalischen Darbietungen des Shanty-Chors Ägeri, welcher sich passend in der Seemannskluft präsentiert, sowie der Beach-Band. Bei feinem Risotto und Grilladen wird der Einbaum versteigert. Guido Twerenbold setzt ein Anfangsgebot von 200 Franken fest. Geboten werden darf in 50-Franken-Schritten. Als er aber in die Runde schaut, meint er: «Es sind schon einige finanzkräftige Leute hier, man kann also auch in 100-Franken- oder 1000-Franken-Schritten erhöhen.» Der Einbaum wird schliesslich von Agatha Letter für 1150 Franken ersteigert. Wo der Einbaum künftig seinen Platz findet, wird sich zeigen. Initiant Hans Zehnder meint: «Es wäre natürlich schön, wenn er im See bliebe.» (Carina Iten)