Pfarrer Hotz und sein Silvans-Helgeli
Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte
Ein einst vielverehrter Katakombenheiliger ist in der Baarer Pfarrkirche mehrfach präsent – mitunter versteckt, einmal gar als Bild im Bild.
Baar – Der 13. Juli ist stets ein besonderes Datum für die Pfarrei Baar: Es ist der Namenstag des Katakombenheiligen Silvanus, von dem die Pfarrei ein bemerkenswertes Reliquiar besitzt. Es wird in einer Nische hinter dem Gemälde am rechten Seitenaltar ganz aussen aufbewahrt. Jeweils zu Silvanus’ Namenstag entfernt man das Gemälde, und das Reliquiar – eine kniende Figur in prächtigem Gewand – kommt zum Vorschein und wird für ein paar Wochen präsentiert, ehe das Altarblatt, welches übrigens ebenfalls Silvanus zeigt, wieder montiert wird.
Nachdem im späten 17. Jahrhundert die Katakomben in Rom geöffnet worden waren, glaubte man, dass es sich bei den aufgefundenen Knochen um Überreste christlicher Märtyrer handelte. Es setzte ein regelrechter Reliquienboom ein. Den anonymen Toten wurden Namen gegeben, ihre Knochen als heilsbringende Artefakte in alle Welt verkauft. Besonders nördlich der Alpen war die Nachfrage nach Reliquien sehr gross. Jede Pfarrei, die etwas auf sich hielt, schuf sich nach Möglichkeit eine Reliquie aus den Katakomben Roms an.
Mehrfache Präsenz des Heiligen
So kamen die Reliquien eines Toten, dem man den Namen Silvanus gegeben hatte, anno 1697 nach Baar, wo sie unter grossem Pomp und dem Jubel der Menschen empfangen wurden. Mit viel Aufwand liess man Kleid und Silberbeschlag der hölzernen Silvanusfigur, welche die Knochen enthält, anfertigen und präsentierte sie dem Volk zur Verehrung – in der Kirche wie auch in Form von Prozessionen.
Der heilige Silvanus ist in der Baarer Pfarrkirche St.Martin allerdings nicht nur prominent am äusseren rechten Seitenaltar und in Form eines mutmasslich mit seinem Blut getränkten Stoffstückes in einer Monstranz zugegen. Man findet ihn auch im grossen mittleren Deckengemälde des Kirchenschiffes «Triumph der Eucharistie» – und dies gleich zweimal.
Als eine der Hauptfiguren in diesem Gemälde ist Silvanus gut erkennbar in der Gestalt des knienden Mannes mit rotem Umhang in den Wolken in der rechten Bildhälfte, das Allerheiligste verehrend. Die zweite Präsenz Silvanus’ im grossen Deckengemälde ist nur mit geschärftem Blick und der nötigen Kenntnis des Bildinhaltes auszumachen. Man konzentriere sich dafür auf das untere Bilddrittel mit der Ansammlung mehrerer Figuren.
In der Mitte ist der heilige Martin von Tours im blauen Bischofsornat dargestellt. Er begleitet als Vertreter des Himmels das Baarer Volk – die Menschenmenge am linken Bildrand und im Hintergrund mittig – bei der Anbetung des Allerheiligsten. Als irdischer Vertreter ist vor dem Volk links Pfarrer Melchior Anton Hotz (1721–1785) im schwarz-weissen Priestergewand zu sehen. Hotz war nach längerem Wirken in den Pfarreien von Aadorf und Mels ab 1768 Pfarrer in seinem Heimatdorf Baar und liess die Pfarrkirche ab 1770 im barocken Stil umgestalten.
Ein Andachtsbild als Vorlage
Das für diesen Beitrag besonders interessante Detail hält Pfarrer Hotz in seiner rechten Hand – ein Blatt Papier. Es ist ein real existierendes Andachtsbild des heiligen Silvanus. 1765 angefertigt, zeigt es den knienden Katakombenheiligen in barockem Ornat, entsprechend dem Reliquiar im Seitenaltar. Pfarrer Hotz präsentiert genau dieses Andachtsbild gen Himmel, als wollte er vor Gott demonstrativ die Verehrung des Heiligen in seiner Kirche bezeugen.
Obschon es nur ein kleinformatiger Miniausschnitt innerhalb der opulenten, von Antoni Schueler geschaffenen und später von Jost Troxler abgeänderten Szenerie ist, fällt die Darstellung auf dem vom Pfarrer gehaltenen Blättchen original- und detailgetreu aus. Dass Schueler diesem Andachtsbild innerhalb des Gemäldes so viel Aufmerksamkeit zukommen liess, ist als Hinweis darauf zu verstehen, wie bedeutend die Silvanus-Verehrung in Baar einst war. (Text von Andreas Faessler)