Plötzlich ein neues Leben – und viel Zeit für Selbstreflexion

Film & Multimedia

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Der Fliz Filmklub Zug zeigt mit «Wir waren Kumpel» eine berührende Doku über ein aussterbendes Berufsbild und das Leben danach.

  • umpels und zugleich enge Freunde: Langer und Locke. Bild: zvg/Filmstill
    umpels und zugleich enge Freunde: Langer und Locke. Bild: zvg/Filmstill

Zug – Steinkohleabbau ist in westlichen Breitengraden schon lange zum Auslaufmodell geworden. Erschöpfte Minen und noch viel mehr der Umdenkprozess bei Energie- und Klimafragen haben letztlich dazu geführt, dass auch das letzte deutsche Steinkohlebergwerk im Münsterland eingestellt wird – und alle Kumpel ihre Arbeit verlieren und zur Frühpension oder Neuorientierung gezwungen sind.

Hier in Westfalen ist die Filmdoku «Wir waren Kumpel» des schweizerisch-deutschen Filmemacherduos Christian Johannes Koch und Jonas Matauschek entstanden. Im Fokus stehen fünf Bergbauleute: die zwei Kumpel und Freunde Wolfgang «Locke» und Marco «Langer», Garderobenhilfe Thomas, Zugführer Kiri aus Sri Lanka und Transfrau Martina, seit ihrer Geschlechtsangleichung die einzige Bergfrau Deutschlands. Sie alle haben ihre ganz individuelle Vor­geschichte – und schliesslich schicksalhaft in diesem Grossbetrieb unter und über der Erde zusammengefunden.

Grosse Bandbreite an Gesellschaftsthemen

Über vier Jahre hinweg ist der Film entstanden. Er setzt sich aus zwei Teilen zusammen, an deren Schnittpunkt unvermittelt der Titel «Wir waren Kumpel» eingeblendet wird – zuerst der Alltag im Bergwerk, dann die Zeit unmittelbar nach dessen Einstellung. Selbstfindung und Reflexion ziehen sich vom Anfang bis zum Schluss als roter Faden durch den Film. Die Porträtierten wissen denn auch um die Schädlichkeit von Kohle für die Umwelt. Aber es ist ihre Lebensgrundlage. Erst ein Weltzerstörer, dann ein Weltretter, wird einer von ihnen sinngemäss feststellen, als er darüber sinniert, ein nachhaltiges Umweltprojekt zu starten.

Wege der Protagonisten gehen stark auseinander

Der knapp 100-minütige Film schneidet eine ganze Bandbreite an gesellschaft­lichen Themen an: Klima und Umwelt, Migration und Inte­gration, Geschlechteridentität, männliche Rollenbilder, Freundschaft und Zusammenhalt, Arbeitslosigkeit, die Suche nach Identität und dem Platz in der Gesellschaft. Aufschlussreich sind die Wege und Entscheidungen der fünf Porträtierten im Nachgang zur Bergwerksschliessung. So viel sie zuvor geeint hat, so unterschiedlich ist die Zukunft jedes Einzelnen – und da und dort die Erkenntnis, dass es Beschäftigungen gibt, die Umwelt und Menschheit mehr dienen als die Gewinnung eines Materials, das den Klimawandel so stark begünstigt.

Die Dokumentation ist ein höchst authentisches, glaubwürdiges und intimes Filmwerk ganz nah am Menschen – mit viel erfrischender Herzlichkeit, Humor und Ehrlichkeit. Der Fliz Filmklub Zug zeigt «Wir waren Kumpel» am Montag, 10. Juni, um 20 Uhr im Kino Gotthard Zug. Regisseur Christian Johannes Koch ist Saalgast. (Text von Andreas Faessler)