«Man ist hier mit viel Herzblut dabei»
Dies & Das
Seit rund einem Jahr führt Simon den Otter die Chollerhalle. Der 38-jährige Baarer spricht über seine ersten zehn Monate in dieser Position und über Mittel und Wege, wie das Kulturhaus am Zuger Stadtrand sein Potenzial noch besser ausschöpfen kann.
Zug – Ende Oktober 2023 hat Graziano Grieder das Chollerhalle-Team verlassen – nach langjähriger Tätigkeit als Geschäftsführer des Kulturhauses am Zuger Stadtrand. Mit dem Eintritt von Simon den Otter als Grieders Nachfolger ist das sechsköpfige Team seit November 2023 wieder komplett. Nun neigt sich für den 38-jährigen Baarer sein erstes volles Jahr in der neuen Position dem Ende zu.
Wie haben Sie Ihren Start als neuer Geschäftsführer der Chollerhalle erlebt, vor allem wenn Sie an die ersten Wochen zurückdenken?
Simon den Otter: Sehr intensiv – und zwar durch und durch im positiven Sinne. Ich durfte innert kurzer Zeit enorm viel lernen. Besonders spannend für mich war der Umstand, dass ich die Chollerhalle zuvor bereits gut als Besucher wie auch Veranstalter gekannt hatte. Und plötzlich lernt man dieses vertraute Haus von innen kennen, steht sozusagen auf der anderen Seite.
Sie sind also aus der Region und mit dem Zuger Kulturleben vertraut. Erzählen Sie doch vorerst mal ein wenig von sich.
Ich bin gebürtiger Baarer und im Kanton Zug aufgewachsen. Meine beruflichen Anfänge hatten wenig mit dem zu tun, was ich jetzt mache: Ich absolvierte zunächst eine Lehre als Kaminfeger, danach bestritt ich meinen Lebensunterhalt mit allerlei Gelegenheitsjobs. Schliesslich erwuchs in mir die Lust auf mehr Kreativität. Via Praktikum bei Universal Music habe ich Fuss in der Kulturbranche gefasst und konnte dort über Jahre hinweg mit nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern arbeiten. Danach gründete ich meine eigene Musikagentur hier in Zug und machte mich damit selbstständig. Dann wurde ich auf die Vakanz in der Chollerhalle aufmerksam gemacht ...
... und Ihre Bewerbung war erfolgreich. Ihr Resümee nach gut einem Jahr?
Es war herausfordernd mit vielen Highlights und vielen «ersten Malen». Es war beispielsweise eine Premiere in meiner Laufbahn, dass auch die Gastronomie zu meinem Aufgabenbereich gehört. Ein für mich ziemlich neues und extrem spannendes Gebiet, mit dem ich mich auseinandersetzen durfte. So intensiv der Anfang war, so lehrreich war somit das ganze Jahr. Wir sind ein verhältnismässig kleines Team für ein Haus dieser Grösse.
Und trotzdem scheint’s bestens zu funktionieren.
Ja, denn man merkt hier: Alle sind mit sehr viel Herzblut bei der Sache und geben alles, um dem Publikum möglichst viele tolle Erlebnisse zu bieten. Mir ist allerdings auch schnell klar geworden: Man muss Rückschläge hinnehmen können, kann sich im Gegenzug jedoch auch auf positive Überraschungen freuen.
Können Sie das erläutern?
Nun, es kann passieren, dass vermeintliche Publikumsmagneten viel schlechter laufen als gedacht. Das ist natürlich ernüchternd, aber auch erkenntnis- und hilfreich für die weiteren Programmgestaltungen. Warum gewisse Acts ausgerechnet in Zug schlechter funktionieren als andernorts, dafür gibt es wohl mehrere, nicht immer genau definierbare Gründe. Das gilt aber genauso umgekehrt, wenn Veranstaltungen besser funktionieren als ursprünglich erwartet.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Der Erfolg eines Kulturhauses wie der Chollerhalle steht und fällt mit dem Publikum. In diesem Zusammenhang ist das altbekannte «Problem» der Chollerhalle anzuführen: Mit ihrer Lage zwischen den Kulturhochburgen Luzern und Zürich hat es die Chollerhalle etwas schwerer, sich zu behaupten. Viele Zugerinnen und Zuger zieht es eher ins nahe, von hier aus sehr schnell erreichbare Zürich, wenn sie etwa Lust auf ein Konzert haben, anstatt dass sie sich erst informieren, was in Zug überhaupt läuft. Umgekehrt ist es ungleich schwieriger, Publikum aus Zürich oder Luzern nach Zug zu bewegen.
Mit dieser Schwierigkeit steht die Chollerhalle aber nicht alleine da.
Nein, natürlich nicht. Es gibt Kulturhäuser mit vergleichbaren Voraussetzungen – ich denke da an eine Mühle Hunziken oder das Z7 in Pratteln –, die es geschafft haben, sich gegenüber der nahen grossstädtischen Konkurrenz zu behaupten. Das ist kein neues Phänomen – und ganz sicher kein Chollerhalle-spezifisches, denn das kulturelle Angebot in Zug muss sich definitiv nicht verstecken. Da sich die Nachfrage aber nicht ohne weiteres steigern lässt, gilt es, weiter an unserer Wahrnehmung zu arbeiten. In unserem Fall kommt hinzu, dass in Zug viele Expats leben, die sich nur teilweise über die traditionellen Werbekanäle erreichen lassen. Diese möchten wir künftig besser abholen, denn immer mehr der internationalen Bewohnerinnen sind inzwischen sehr lokal verankert. Ich bin überzeugt: Die Chollerhalle hat noch viel Potenzial, mehr belebt und besser wahrgenommen zu werden.
Und was sind Ihrer Meinung nach die erfolgversprechendsten Mittel und Wege, dieses Potenzial auszuschöpfen?
Ein wichtiger Faktor ist sicher der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Kulturbetrieben. Das beginnt in unserer direkten Nachbarschaft: Mit dem Kulturzentrum Galvanik lassen sich Kräfte effizient bündeln, was der Positionierung beider Häuser zugutekommt. Auch eine erste Kooperationen mit dem Theater Casino fand dieses Jahr statt. Das erste gemeinsame Projekt – Ferdinand von Schirachs Theaterstück «Gott» – war für uns als Austragungsort ein grosser Erfolg. Weniger «ellböglen» und dafür mehr Miteinander ist eine der Formeln für einen lebendigen Kulturplatz Zug.
Und weiter?
Im Bereich Marketing stehen uns noch einige Verbesserungen ins Haus. Wir sind gegenwärtig dabei, ein neues Konzept auf- und auszubauen. Es geht vor allem darum, wirksame Wege zu finden, um Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung der Chollerhalle mit ihrem reichen Kulturprogramm zu verbessern. Wie häufig habe ich allein in dieser kurzen Zeit als neuer Geschäftsführer persönlich erlebt, wie Menschen, die zum ersten Mal eine Veranstaltung in der Chollerhalle besucht haben, ganz überrascht waren, dass es in Zug ein solches Angebot gibt. Das sagt mir einfach, dass hier viel ungenutztes Potenzial liegt.
Lassen Sie uns noch vorausblicken: Was hält die Chollerhalle 2025 bereit?
Die Chollerhalle feiert im November 2025 ihr 20-jähriges Bestehen. Im September startet das Jubiläumsprogramm, für das die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren laufen. Wir haben dafür unter anderem vielversprechende Kooperationen mit Zuger Kulturschaffenden einfädeln können. Ohnehin setzt das Jubiläumskonzept einen besonderen Akzent auf den Einbezug der regionalen Szene. Das ist uns als Verein und auch mir persönlich ein grosses Anliegen.
Und zu guter Letzt: Was bedeutet für Sie der Begriff «Kultur»?
Das ist eine sehr gute Frage, denn «Kultur» ist ein breiter Begriff und kann von jeder und jedem anders definiert werden. Meiner Meinung nach sollte niemand die Deutungshoheit darüber für sich beanspruchen. Für mich persönlich ist der Begriff Kultur heute sehr eng mit sämtlichen Facetten von Kreativität, dem Transportieren von Emotionen und dem Zusammenleben selbst verbunden. Daher hat sie heute für mich einen riesigen Stellenwert – im Gegensatz zu meiner Jugend, als ich den Begriff «Kultur» automatisch eher mit etwas Abgehobenem, fast schon Elitärem in Verbindung brachte. Aber schlussendlich finden wir Kultur in allen Bereichen des Daseins, und sie bereichert unsere Gesellschaft in einem unschätzbaren Masse.
Hinweis
In dieser Serie interviewen wir verschiedene Persönlichkeiten aus Zug zum Jahresende.
(Interview: Andreas Faessler)