«Musik braucht in der Liturgie mehr Platz»

Musik

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Philipp Emanuel Gietl ist neuer Hauptorganist in der Zuger Pfarrei St.Michael. Er scheint hier seinen idealen Platz gefunden zu haben.

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Zug – Festliche Orgelmusik dringt aus der Kirche St. Oswald bis in die Altstadtgassen hinein. Der Kirchenraum selbst ist durchdrungen von sattem Wohlklang, die akustischen Verhältnisse in der Basilika sind ideal für das hervorragende Instrument, eine Metzler-Orgel von 1972, welches der spätbarocken Disposition der einstigen Bossart-Orgel von 1762 entspricht. Am Spieltisch sitzt Philipp Emanuel Gietl und schwärmt von den Qualitäten des Instruments.

Mit Gietl hat die Pfarrei St. Michael seit knapp einem Jahr einen neuen Organisten. Er hat die Nachfolge von Aurore Baal angetreten, nachdem diese das Amt als Organistin an der Aarauer Stadtkirche übernommen hatte. Für den gebürtigen Südtiroler kam diese freiwerdende Vakanz insofern wie gerufen, als er teilberuflich bereits seit längerem in Zug tätig ist – als Leiter der Choralschola St. Johannes sowie der Kirchenchöre St. Michael und St. Johannes.

Dafür musste er jedoch seine Stelle als Organist in Adligenswil aufgeben. «Der Abschied dort fiel mir nicht ganz leicht», räumt Gietl ein. «Doch kommt es mir organisatorisch und zeitlich sehr entgegen, dass ich beruflich nun alles ‹unter einem Dach› habe, sprich alles im selben Pastoralraum stattfindet.» So hat er denn auch seinen Wohnsitz von Luzern nach Oberwil bei Zug verlegt.

Über Musik die Menschen abholen

Der mit seinen 32 Jahren vergleichsweise junge Chorleiter und nunmehrige Hauptorganist der Pfarrei St. Michael ist überzeugt, dass die Musik ein zentraler Bestandteil des Kirchenlebens ist und über diesen Weg viele Menschen abgeholt werden können. «Während bei Gottesdiensten die liturgische Musik sicher weiterhin im Vordergrund steht, weil dies für die Kirchgängerinnen und -gänger wichtig ist, möchte ich ansonsten vieles ausprobieren und die Vielfalt der Musik einbringen», sagt Gietl.

Seit seinem Stellenantritt im Herbst 2022 hat er denn bereits einiges umgesetzt: So hat in der Kirche St. Oswald schon ein Alphorn gespielt, oder eine Popsängerin im Chor gestanden und der Feier einen modernen Rahmen verpasst. Gietl: «Ich bin überzeugt, dass es für das kirchliche Leben gewinnbringend ist, wenn wir liturgische Formen finden, bei denen Musik – auch moderne – noch viel mehr Platz erhält.»

So schwebt ihm vor, dereinst eine Konzertreihe mit geistlichem Inhalt aus der Taufe zu heben, welche einen niederschwelligen Zugang zur Materie bietet und auch Menschen anspricht, die selten eine Kirche von innen sehen oder den Begriff «Kirchenmusik» noch immer mit etwas altmodisch-Verstaubtem in Verbindung bringen.

Wie gut innovative, zeitgemässe Projekte funktionieren, hat Philipp Emanuel Gietl schon kurz nach seinem Antritt fest­gestellt: Zu Weihnachten hin hat er einen Familienchor gebildet, welcher den Familiengottesdienst an Heiligabend musikalisch gestalten sollte. «Es waren Kinder und Erwachsene im Alter von zwei bis achtzig dabei – und das mit grosser Freude. Das war einfach grossartig», schwärmt der Musiker und sieht unter anderem in Aktionen dieser Art eine Zukunft des kirchlichen Musiklebens.

Bach zum «Einstand»

Es ist Tradition, dass eine neue Organistin, respektive ein neuer Organist quasi ein Antrittskonzert gibt. «Zwar sehen heutzutage immer mehr davon ab, aber ich habe mich entschieden, an dieser Tradition festzuhalten», sagt Gietl. So wird er am Samstag, 26. August, auf der Orgel von St. Oswald ein reines Bach-Konzert spielen, das knapp 50 Minuten dauern soll.

Klingt einseitig? Nicht, wenn man es kontrastreich gestaltet. «Bach ist nun mal mein Lieblingskomponist», räumt Gietl ein, der ein grundsätzliches Faible für Barockmusik hat. Er wird aus den sogenannten Schübler-Chorälen BWV 645-650 rezitieren. Es sind dies bach’sche Choralbearbeitungen für Orgel, welche zu den bekanntesten geistlichen Werken des Komponisten gehören. Sie sind erstmals im Originaldruck bei Johann Georg Schübler erschienen, daher ihre Bezeichnung.

Zwischen den Chorälen spielt Gietl weltlichen Bach – jeweils ein Präludium mit Fuge. «Dieser Wechsel bringt Kontrast ins Programm, und es wirkt dennoch wie eine geschlossene Einheit. Das ist mir wichtig», erklärt der Kirchenmusiker dazu. Das Konzert wird von der Empore live auf eine Leinwand ins Kirchenschiff übertragen.

Man merkt dem Musiker seine Freude an der Sache förmlich an – wie er mit Begeisterung von seinen bisherigen Erfahrungen in der Pfarrei St. Michael berichtet und Ideen für die Weiterentwicklung des kirchlichen Musiklebens in Zug hat. Dann verschwindet Philip Emanuel Gietl in der Tür mit der Treppe zur Orgelempore – und der sakrale Wohlklang setzt wieder ein.

Hinweis Konzert von und mit Philipp Emanuel Gietl am Samstag, 26. August, 19.30 Uhr in der Kirche St. Oswald