Gottesglaube macht grosszügig
Brauchtum & Geschichte
Die schmucke Antoniuskapelle im Walchwiler Oberdorf ist einst allein durch Spenden und Schenkungen entstanden.
Walchwil – Im Oberdorf zu Walchwil hat bereits in alter Zeit ein Bildstock gestanden. Er soll dem heiligen Anton geweiht gewesen sein, jedoch nicht demjenigen von Padua, sondern Anton dem Eremiten von Ägypten, unter dem Bauernvolk bekannt als «Süütoni», da er als Schutzherr der Schweinehirten gilt. Anton der Eremit war neben dem heiligen Wendelin Patron der «Gesellschaft der Sännen ab dem Walchwyler Berg». Diese dürften dem Bildstock entsprechend das Patrozinium vergeben haben.
Im Jahre 1684 schlug der damalige Walchwiler Pfarrer Johann Franz Suter (1630–1706) vor, an der Stelle des Bildstockes eine Kapelle zu errichten. Suter war ein baufreudiger Geistlicher, war er doch derjenige, der ab 1663 die zweite Walchwiler Pfarrkirche – Vorgängerbau des heutigen Gotteshauses – erstellen liess. Pfarrer Suter schlug vor, die neue Kapelle im Oberdorf ebenfalls Antonius zu weihen, jedoch demjenigen von Padua, dessen Verehrung mittlerweile viel populärer geworden war als diejenige des Schweine-Toni. Hauptsache, der Name stimmte, auch wenn beide Heiligen in keiner Weise miteinander in Verbindung stehen und ihre Lebensdaten rund 900 Jahre auseinander liegen. Immerhin: Auch Anton von Padua ist unter anderem für Schweinehüter und Leute am Berg «zuständig».
1684 begann der Bau des Kirchleins im Oberdorf. Das Besondere: Die Gemeinde trug dafür keinerlei Kosten. Die Kapelle entstand allein durch Geldspenden, Gaben, Schenkungen und Fronarbeit durch das gläubige Volk.
Ein «Glöglin mit sambt Schlosserey»
Auf dieselbe Weise kam auch die gesamte Innenausstattung zustande. Es ist genau dokumentiert, wer was beigesteuert hat. So hat etwa Säckelmeister Balthasar Hürlimann den Kapellenboden und die Dachziegel gespendet. Die kleinere der beiden Glocken war ein Beitrag von Kirchenvogt Jakob Hürlimann. Indes «Beat Jacob Hürlimann und seine Hausfrauw Anna Müllerin in der Kilchmatt haben bezahlt das grösser Glöglin [...] mit sambt der Schlosserey», wie in den historischen Akten zum Kapellenbau festgehalten ist. Schreinermeister Hieronymus Nesler zeichnete gemeinsam mit vier Helfern für die Zimmerarbeiten verantwortlich, und Initiant Pfarrer Suter berappte die Bildhauer- und Malerarbeiten sowie das Antependium für den Altarunterbau aus eigener Tasche. Tischmacher Caspar Weber fertigte die Türe sowie Kapellenbänke an. Messgewänder, Kerzenstöcke, Liturgiegerät, Fenster und allerlei weitere Ausstattungsgegenstände und Feinarbeiten gingen ebenso auf die Kappe diverser Spenderinnen und Spender aus dem Ort und von ausserhalb. Als Anerkennung für all die Beiträge wurde jeweils am Montag nach St. Anton, dem 13. Juni, in der Kapelle eine Messe für die Gönnerinnen und Gönner gelesen.
Die Kapelle, welche neben Anton von Padua auch den Heiligen Josef und Anna geweiht ist – sie alle finden sich im Inneren gemalt und plastisch –, wurde am 24. Oktober 1693 vom Konstanzer Bischof feierlich ihrer Bestimmung übergeben.
In den «Schatten» gestellt
Die hübsche Antoniuskapelle im Walchwiler Oberdorf steht erhöht auf einem gemauerten Podest mit zwei Treppenläufen an der Verzweigung der Oberdorf- und Geisswaldstrasse. Mit ihrem spitz zulaufenden Dachreiter und ausladenden Vorzeichen ist die Kapelle kaum zu übersehen. Doch seit der – wegen eines Rechtsstreits verzögerten – Fertigstellung der Überbauung Grossmatt 2021 direkt oberhalb der Kapelle hat diese als Wahrzeichen des Oberdorfes optisch stark an Wirkung verloren.
Doch was bleibt, ist ihre historische Bedeutung für das Dorf Walchwil und die Erinnerung an die Menschen, die vor über 330 Jahren aus ihrem tiefen Gottesglauben heraus den Bau des Barockjuwels ermöglicht haben. (Text von Andreas Faessler)
HinweisIn der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Alle bereits erschienenen Artikel gibt es hier zum Nachlesen.