«Das ist uns gelungen»

Dies & Das

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Vier turbulente Jahre als Stadtpräsident hat er hinter sich – und damit auch als  Vorsteher der Stadtzuger Kulturpolitik. Karl Kobelt blickt zurück auf viel Veränderung.

  • Stadtpräsident Karl Kobelt mit Brigit Eriksson-Hotz, Präsidentin der Landis & Gyr Stiftung, bei der Übergabe der neuen Werkateliers. (Bild: Zvg)
    Stadtpräsident Karl Kobelt mit Brigit Eriksson-Hotz, Präsidentin der Landis & Gyr Stiftung, bei der Übergabe der neuen Werkateliers. (Bild: Zvg)
Zug – Dieser Text ist in der Januar / Februar-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Er hat sich wohl die turbulentesten vier Jahre ausgesucht, die man sich als Zuger Stadtpräsident aussuchen kann. Zumindest, wenn wir uns das Kulturleben und die Kulturpolitik der Stadt anschauen. Karl Kobelt wurde nach sechs Jahren als Finanzchef 2018 zum Stadtpräsidenten, und damit auch zum Vorsteher der Zuger Kulturpolitik. Nun verbringt er gerade die letzten Tage als Stadtpräsident, bevor er sein Amt niederlegt. Pläne für die Zukunft hat er schon einige. Einen Blick auf die Vergangenheit auch. Wir treffen uns im Café Intermezzo an einem geschäftigen Samstag, die Menschen sind mit Päckchen beladen, stöbern durch Buchläden, stolpern über den Markt, steigen ein ins Wochenende.

Und Karl Kobelt steigt aus. «Heute Abend bin ich noch an der Landammannfeier, und es gibt auch noch einige andere Termine in der nächsten Woche», sagt er, «und dann ist es dann vorbei. ‹Servir et disparaître› war immer mein Leitspruch, und so werde ich es auch tun: Es gibt andere, die nun übernehmen können und das genauso gut machen werden wie ich.»

Die Jahre im Stadtrat und dann als Stadtpräsident seien die Krönung seiner beruflichen Laufbahn gewesen, sagt er und freut sich darüber. Nun will er noch mal etwas ganz anderes tun. Seinen Rücktritt hatte er früh kommuniziert, bereits 2021. «Ich habe damals ein paar Tage am Brienzersee verbracht und über meine Zukunft nachgedacht. Und mir ist klar geworden, dass ich gehen möchte, solange ich meine Arbeit als Stadtpräsident noch gut mache und die Leute mit mir zufrieden sind.»
Und solange die Energie noch da ist, ein ganz neues Projekt anzugehen. Aber dazu später mehr. Zuerst soll es um die Kultur gehen. Kobelt packt mehrere Seiten voller notierter Gedanken über die letzten Jahre aus.

Zug Kultur: Dein Start als Stadtpräsident war nicht einfach: Damals wurde nach einer Vergabe der Kulturkommission eines Atelierstipendiums an ein Mitglied viel Kritik laut. Es gab Misstrauen, der Gemeinderat forderte Transparenz. Wie hast du diese Zeit damals erlebt?

Karl Kobelt: Wenn ich auf die Arbeit schaue, die in der Kulturpolitik in den letzten Jahren geleistet wurde, dann bin ich wirklich sehr zufrieden. Wir haben es geschafft, das Vertrauen der Politik und der Bevölkerung in die Arbeit der Zuger Kulturabteilung zu gewinnen. Damals bei dieser Vergabe des Ateliers an ein Kommissionsmitglied – das übrigens im Ausstand war, es ist also alles grundsätzlich korrekt verlaufen – war das Vertrauen geschwächt. Ich habe Verständnis für das Missbehagen, das damals in der Politik entstanden ist. Die Politik hat reagiert und hingeschaut. Sie hat zum Beispiel vom Stadtrat ein Reglement über die Vergabe von Fördergeldern gefordert.

Die Stadt musste Rechenschaft ablegen und Transparenz herstellen.

Kobelt: Das haben wir erarbeitet: Mit dem Reglement, das nun bald in den GGR kommt, haben  wir heute eine objektive und nachvollziehbare Grundlage für die Vergabe von Fördergeldern. Das hat mehr Transparenz geschaffen. Gleichzeitig haben wir auch das Vergabewesen digitalisiert, so dass heute alle Gesuchsteller und Gesuchstellerinnen dieselben Fragen beantworten, wenn sie ein Gesuch stellen wollen. So hat niemand einen Vorteil, der beispielsweise besser schreiben kann als andere. Gleichzeitig konnten wir die neue Kulturstrategie erarbeiten, die den Fokus darauf setzt, welche Formen von Kultur die Stadt fördern möchte. Denn grundsätzlich sind sich alle einig: Die Stadt muss Kultur fördern. Nur: Wie, mit wie viel Geld und für wen sie das tut – und wen sie dabei warum fördert, darüber muss man immer wieder sprechen. Mit diesen beiden Grundlagen, also dem Förderreglement und der Kulturstrategie, ist das nun transparent und fassbar geworden.

Die Stadt hat damals auch mit dem Umbau der damaligen Fachstelle Kultur reagiert. Sie wurde in die heutige Abteilung für Kultur umgewandelt und unter die Leitung von Iris Weder gestellt. Statt die Fachstelle aufgrund der Kritik und des politischen Drucks abzuwerten, hat die Stadt sie aufgewertet und neue Wege gesucht. Wie ist das gelungen?

Kobelt: Das hat einerseits mit den Menschen zu tun, die hier arbeiten, und andererseits mit den Schritten hin zu mehr Transparenz. Iris Weder, die die Leitung der Kulturabteilung übernommen hat, bringt eine grosse Kompetenz mit und hat es geschafft, auf alle Anspruchsgruppen zuzugehen und sie offen und transparent abzuholen. Auch die vorherige Leiterin der Fachstelle Kultur Jacqueline Falk war in ihrer Arbeit sehr kompetent, allerdings war damals die Fachstelle Kultur viel stärker von anderen Bereichen abgetrennt: Schon der Name Fachstelle implizierte eine Distanz, etwas, was für sich alleine agiert. Wir haben es mit der Umwandlung der Fach­stelle in eine Kulturabteilung geschafft, deren Arbeit viel stärker mit anderen städtischen Aufgabenbereichen zu verknüpfen und sie anzubinden und transparent zu machen. Heute gibt es viel mehr Zusammenarbeit, man versteht auch eher, was die Stadt in Sachen Kultur unternimmt und weshalb sie das tut. Und das ist wichtig, dass wir das immer wieder gut erklären. Wir müssen immer wieder in den Dialog treten, mit der Bevölkerung, den Kulturschaffenden, der Politik und der Wirtschaft. Und das ist uns immer wieder gelungen, finde ich.

Wenn solche Bewegungen in Richtung Transparenz stattfinden, besteht ja immer auch die Gefahr, dass man in Zukunft wieder in intransparentere Verhältnisse zurückrutscht. Wie kann es die Stadt schaffen, diesen offenen Dialog weiterzuführen?

Kobelt: Ich denke, es ist wichtig, dass alle etwas dazu beitragen. Der GGR hat gerade einigen Kulturhäusern höhere Beiträge gesprochen. Diese können sich dafür erkenntlich zeigen, indem sie einerseits weiterhin ein tolles Kulturprogramm anbieten. Und andererseits aber auch sich in Eigenverantwortung darum bemühen, finanzielle Mittel von anderen Partnern zu erhalten. Die Stadt kann wiederum dafür sorgen, dass sie weiterhin versucht, so transparent wie möglich ihre Kulturpolitik zu erklären. Der GGR kann dazu beitragen, indem er das Reglement über die Förderung annimmt. Und das Publikum kann dazu beitragen, indem es dieses reichhaltige Kulturangebot, das wir hier vor unserer Haustüre haben, auch nutzt. Da sehe ich noch viel Potenzial, gerade jetzt nach der Pandemie. Man kann sich bequem unterhalten, vor dem Fernseher oder auf dem Sofa. Nichts gegen das Sofa, aber es passiert einfach etwas anderes, eine andere Auseinandersetzung mit Themen, wenn wir kulturelle Veranstaltungen besuchen.

Darüber klagen Zuger Kulturschaffende und Institutionen – so ganz zurück ist das Publikum nach der Pandemie noch nicht. Was würde helfen, um das Publikum wieder für kulturelle Erfahrungen zu gewinnen? Ist es schlicht zu lange her?

Kobelt: Die immerzu fehlende Zeit ist sicher ein Thema. Dennoch möchte ich dazu aufrufen: Geht und nutzt dieses Angebot, geben wir uns einen Schubs! Dafür habe ich Herzblut: Wir als Gesellschaft brauchen diese Auseinandersetzung mit Kultur und der Kunst, diese Erfahrung bereichert uns. Wir brauchen das Kulturschaffen als Spiegel der Gesellschaft, als Möglichkeitsraum für Ideen und Freiräume und Be­gegnungen. Und auch schlicht als gute Unterhaltung. So ein Besuch wird uns mehrfach zurückgezahlt.

Die Pandemie hat ja auch im Zuger Kulturleben keinen Stein auf dem anderen belassen. Wie hast du die Sorgen und Nöte der Kulturschaffenden in dieser Zeit erlebt?

Kobelt: Ich denke, dass es Kulturschaffende gibt, die in dieser Zeit zwischen den Maschen hindurchgefallen sind. Viele Kulturschaffende arbeiten noch in einem anderen Bereich und entschliessen sich auch aus finanzieller Notwendigkeit, nur in einem Teilzeitpensum Zeit für ihr Kulturschaffen zur Verfügung zu stellen. Für einige von ihnen wird wohl die Entscheidung notwendig geworden sein, sich vom Kulturschaffen zu verabschieden und sich anderer Arbeit zuzuwenden. Das ist ein Verlust. Gleichzeitig habe ich auch immer sehr viel Engagement gespürt, etwa bei Leuten in Vereinen wie dem Atelier63 oder der Kunstpause.

Es brauchte viel Mut und Unternehmergeist, um trotz der Krise dranzubleiben.

Kobelt: Das kann ich mir auch vorstellen. Und es sind ja gerade solche Kulturschaffende, die die Stadt Zug unterstützen muss: Nicht nur die etablierten Künstlerinnen und Künstler, sondern auch die Einsteiger, diejenigen, die noch daran sind, sich zu entwickeln und ihr Kunstschaffen weiterzubringen. Das versuchen wir auch mit den neuen Räumen für Kulturschaffende. Gerade konnten wir kommunizieren, dass die Stadt zwei neue Ateliers von der Stiftung Landis & Gyr übernehmen darf. Das ist sehr erfreulich. Auch im Technologie-Cluster der V-Zug gibt es eine Option, Raum für Kunstschaffende zu übernehmen, den uns die V-Zug günstig vermieten möchte.

Wirst du nach deinem Austritt beim Stadtrat wieder im Zuger Kulturleben aktiv werden?

Kobelt: Nein, ich habe mir einen anderen Plan gefasst. Ich möchte Psychologie studieren. Das hat mich schon immer interessiert, und jetzt fühle ich mich geistig noch fit genug dafür. Meine Zeit als Stadtrat und Stadtpräsident war spannend und erfüllend. Es war auch für mich besonders toll, dass ich nach sechs Jahren als Finanzchef, bei denen es unter anderem ums Sparen ging, die letzten vier Jahre mit neuen und wichtigen Investitionen in die Stadt mitwirken durfte – in der Kultur, der Bildung und anderen Bereichen. Teilweise war es auch sehr herausfordernd. Ich empfand als Stadtpräsident eine noch grössere Verantwortung für das Allgemeinwohl, für die Bevölkerung, für die ver­schiedensten Belange in dieser Stadt. Auch die Kulturpolitik hat sehr viel Engagement gefordert   inhaltlich und zeitlich. Ich habe mein Amt mit «feu sacré» ausgeübt und kann diese Aufgabe nun gut weitergeben.


(Text: Falco Meyer)