Ein Chorwerk mit Seltenheitswert

Musik

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Unter der Leitung von Philipp Schmidlin gelang dem Chor Audite nova und der Zuger Sinfonietta in der Pfarrkirche Unterägeri eine stilgerechte Interpretation des Oratoriums «Die letzten Dinge» aus der Feder von Louis Spohr.

  • Sopranistin Chelsea Zurflüh bei einem ihrer Soloeinsätze. Bilder: Roger Zbinden (Unterägeri, 5. 4. 2025)
    Sopranistin Chelsea Zurflüh bei einem ihrer Soloeinsätze. Bilder: Roger Zbinden (Unterägeri, 5. 4. 2025)
  • Interpretierten unter der Leitung von Philipp Schmidlin ein grosses Spohr-Oratorium: der Chor Audite nova mit den vier Solistinnen und Solisten sowie der Zuger Sinfonietta. Bilder: Roger Zbinden (Unterägeri, 5. 4. 2025)
    Interpretierten unter der Leitung von Philipp Schmidlin ein grosses Spohr-Oratorium: der Chor Audite nova mit den vier Solistinnen und Solisten sowie der Zuger Sinfonietta. Bilder: Roger Zbinden (Unterägeri, 5. 4. 2025)

Unterägeri – Louis Spohr (1784–1859) gehörte zu den bekanntesten Komponisten seiner Epoche. Sein Oratorium «Die letzten Dinge» erklang nach der Uraufführung von 1826 immer wieder, teilweise auch in englischer Version. Obwohl musikalisch als gleichwertig angesehen, wurde es in den folgenden Jahrzehnten aber immer mehr von den bekannt gebliebenen Oratorien von Joseph Haydn und Felix Mendelssohn verdrängt.

Louis Spohr ist der bedeutendste Komponist, der grössere Teile der Offenbarung des Johannes vertont hat – verständlich, denn die Vorlage ist nur bedingt für eine Dramatisierung geeignet. Mit der getroffenen Textauswahl wirkte die erste Hälfte in sich stimmig, aber in der Struktur recht statisch. Über viele Nummern mischten sich ritornellartige Choreinsätze mit den als Rezitative zu verstehenden Passagen der Solisten. Die Leitung von Philipp Schmidlin unterstrich dies noch zusätzlich: Die Dynamik mied alle schroffen Gegensätze, und unabhängig von der Vokalbesetzung spielte stets das ganze Orchester mit.

Erst mit dem langen Bass-Rezitativ zu Beginn des zweiten Teils entstand ein scharfer Kontrast, neben der ausgezeichneten Leistung des Solisten Balduin Schneeberger unterstützt durch die Tatsache, dass der Komponist die Offenbarung verliess und längere Einschübe der alttestamentlichen Propheten Ezechiel und Jeremia verwendete. Anschliessend wirkte auch der Schluss mit der Versöhnung innerlich logisch.

Minutiöse Vorbereitung

Seit Jahrzehnten ist im Kanton Zug wohl nie ein Oratorium von Louis Spohr aufgeführt worden. Umso erfreulicher, dass das Publikum so zahlreich erschienen ist, um diese stilgerechte und musikalisch hochstehende Interpretation zu erleben. Ein weiteres Mal hatte Philipp Schmidlin im Geist seiner Vorgänger Johannes Meister und Paul Kälin den Chor über Monate minutiös auf seine Aufgabe vorbereitet. Einmal mehr überzeugten eine tadellose Intonation und eine prägnante Aussprache. Gerade bei der Struktur des Chorparts war deutlich spürbar, dass Spohr neben seinen Aktivitäten als Komponist und Violinvirtuose auch praktische Erfahrung mit Laienchören hatte. Das klangliche Gleichgewicht zum Begleitorchester gelang stets problemlos.

Wie aus der Korrespondenz bekannt ist, wünschte Spohr neben den Begleitaufgaben in seinen Oratorien auch selbstständige instrumentale Entfaltungsmöglichkeiten. So begann der Abend mit einem längeren Eingangsstück im Stil einer französischen Ouvertüre, und auch das Zwischenspiel nach dem ersten Teil griff teilweise auf barocke Stilelemente zurück. Hier gab es allerdings keine monatelange Vorbereitung: Die Profis der Zuger Sinfonietta erreichten nach ausgiebigem individuellem Üben den abgerundeten Gesamtklang in nur wenigen gemeinsamen Proben.

Homogener Sologesang

Eine glückliche Hand hatte man auch bei der Wahl der Vokalsolisten, welche als Quartett in sich homogen wirkten. Dabei nahm der Komponist allerdings auf ein natürliches Gleichgewicht weniger Rücksicht. Verschiedentlich erklangen in Rezitativen exponierte Blech­bläsersoli und einmal sogar mehrere Paukenwirbel. Ohne sichtlich zu forcieren, vermochte sich aber die Sopranistin Chelsea Zurflüh mit prägnanter Stimmgebung problemlos zu behaupten.

Obwohl Spohr die solistischen Einsätze nicht für stimmliche Brillanz geschrieben hatte, spürte man die jahrzehntelange solistische Erfahrung des Tenors Nino Aurelio Gmünder, explizit beispielsweise beim furiosen Einsatz «Die Stunde des Gerichts». Ein klingendes Versprechen für die Zukunft ist die Stimme von Salome Cavegn; schade, dass ihr edler Alt nicht mehr zum Zuge kam. (Text von Jürg Röthlisberger)