An diesem Häuschen kam niemand unbemerkt vorbei
Brauchtum & Geschichte
Als eines der historischen Relikte der einstigen Papieri in Cham ist das Portierhaus ein Zeuge des damaligen Fabrikalltages. Umsichtig restauriert und aufgehübscht, dient es heute modernen Nutzungen.
Cham – Auf dem Areal der Papieri in Cham wachsen moderne Wohntürme in die Höhe und zeugen von den Zeichen der Zeit. Respektvoll lassen sie jedoch die alten Zeugen des einstigen Fabrikkomplexes, die heute neuen und modernen Nutzungen zugeführt werden, unbehelligt.
Mittendrin – als würde es stoisch seinen angestammten Platz verteidigen – liegt ein kleines schmuckes Häuschen mit ästhetischen Proportionen. Es erfüllte einst eine der wichtigsten Funktionen innerhalb des Industriekomplexes: Es diente hauptsächlich dem Portier, welcher mit wachsamem Auge die Ein- und Austritte kontrollierte. In seiner architektonischen Gestaltung hat das alte Portierhaus durchaus repräsentativen Charakter.
In seiner Form entstanden ist es 1919 nach Plänen des Chamer Baumeisters Wilhelm Hauser durch Aus- und Umbau eines bestehenden Gebäudes mit nicht überlieferter Funktion. Das Gebäude mit ausladendem, geknicktem Mansardwalmdach ist äusserst wohlproportioniert. Es verfügt auf drei Seiten über grosse Gauben mit je zwei quadratischen Fenstern, zwei Schornsteine an den Dachfirstenden untermalen die Symmetrie.
Auffallendstes und für seine einstige Funktion zentrales Element ist die dreibogige, von vier toskanischen Säulen gestützte Arkade an der Nordseite. Hier mussten die Fahrzeuge und Personen vorbei, wenn sie das Fabrikgelände befahren respektive betreten oder verlassen wollten. Hinter der Arkade lag die Portierloge, der offene Säulengang bot dem Kontrolleur Schutz vor der Witterung, wenn er die Bewegungen und die Arbeitszeiten der Belegschaft erfasste.
Wiederholt baulich verändert
Die Umgebungsgestaltung von einst war freilich weit weniger urban. Eine historische Aufnahme von 1920 zeigt das Portierhaus in einem «Setting», das eher an ein kleines, gemütliches Garten-Lusthaus erinnert – mit viel Grünbestand rundherum und Blumenzier. Der Kontrolleur der Papieri schien hier ganz angenehm zu leben.
In den 1960er-Jahren wurde das Portierhaus baulich umgestaltet und den veränderten Arbeitsbedingungen angepasst. Ein grosses Mauerstück in der linken Hälfe der Arkade wurde herausgetrennt und eine neue, verglaste Portierloge geschaffen. Im Untergeschoss gab es fabrikeigene sanitäre Anlagen mit Duschen und Badewannen. Im Laufe der Zeit verlor der Portierposten an Bedeutung aufgrund geänderter Arbeitsbedingungen und -zeiten. Das Gebäude diente allmählich mehr der Brandüberwachung als der Zutrittskontrolle.
Das einstige Portierhaus wurde im Zuge der jüngsten Bauentwicklungen auf dem Papieriareal in den neu konzipierten Gesamtkomplex integriert. Es gilt als schützenswerter Zeuge einer Zeit wirt-schaftlichen Aufschwungs im Chamer Gewerbe. Dabei wurde es modernen Nutzungszwecken angepasst, ohne die historische Bausubstanz zu beeinträchtigen.
Ein Grossteil der Räumlichkeiten des nach wie vor frei stehenden Gebäudes am neu gestalteten Platz kann heute für Veranstaltungen unterschiedlicher Art angemietet werden. Südseitig prägt nun ein umgrünter Sitzplatz das Erscheinungsbild. (Text von Andreas Faessler)