Antworten auf Friedrich Kiesler

Kunst & Baukultur

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Die Friedrich-Kiesler-Ausstellung im Kunsthaus Zug geht in die zweite Phase. 16 Kunstschaffende treten mit dem österreichischen Universalgenie in den Dialog und transportieren seine zuweilen genialen Ansätze ins Heute.

  • Heimo Zobernigs Bronzemensch als Gegenstück von Friedrich Kieslers zersprengtem David. Bild: Matthias Jurt (Zug, 6. 6. 2024)
    Heimo Zobernigs Bronzemensch als Gegenstück von Friedrich Kieslers zersprengtem David. Bild: Matthias Jurt (Zug, 6. 6. 2024)

Zug – Mit seinem interdisziplinären Wirken nahm der österreichisch-amerikanische Künstler Friedrich Kiesler (1890–1965) bereits zu Lebzeiten Einfluss auf das internationale Kunstgeschehen – in Europa wie auch in den USA. Vor allem seine neuartigen konzeptuellen Ansätze wurden von seinen Zeitgenossen aufgegriffen und spielten mitunter in deren Stilfindung eine Rolle. Und doch: Als bildender Künstler ist Kiesler der Nachwelt weit weniger in Erinnerung geblieben. Vielmehr hielt er sich als Architekt, Bühnenbildner und Ausstellungsmacher im kollektiven Gedächtnis. Im Februar eröffnete das Kunsthaus Zug die erste grosse, von langer Hand geplante Kiesler-Ausstellung «Us, You, Me» – nie zuvor hatte sein bildnerisches Kunstschaffen in vergleichbarer Ganzheit gesehen werden können.

Diese erstmalige Neubetrachtung des Universalgenies Kiesler geht jetzt in eine neue Phase über: Im zweiten Ausstellungsteil «Kiesler heute» treten Zeitgenossen aus dem In- und Ausland in den Dialog mit Friedrich Kieslers Kunst – vor Ort in Zug. 16 Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Generationen liefern Antworten auf Kiesler – entweder mit bestehenden Werken oder eigens hierfür geschaffenen. Die Einzelausstellung wird zur Gruppenausstellung.

Laufende Wiedergeburt

Kunsthausdirektor Matthias Haldemann fasst die Grundidee zusammen: «In den zeitgenössischen Positionen sollen sich unterschiedliche Facetten aus Kieslers Schaffen wiederfinden. Durch diesen kollektiven Prozess wächst die nun dialogische Ausstellung, sie entwickelt sich zur Transformation des ersten Teils.» Dies ermögliche neue Erkenntnisse über die Aktualität von Kiesler, dem Netzwerker, dem Multidisziplinären, dem Vermittler. Er hat in der Kunst den Begriffen «Community» (Gemeinschaft) und «Environment» (Umgebung) eine erweiterte Bedeutung gegeben. Oder «Rebirth», womit er auf die persönliche Weiterentwicklung anspielt, ein Hinauswachsen über sich selbst, sich neu erfinden, laufend wiedergeboren werden.

Auf all diese Aspekte und mehr antworten jetzt die 16 Künstlerinnen und Künstler, teils mit spektakulären Würfen. Beispielsweise Olafur Eliasson mit seiner riesigen Holzbühne im Hof, in deren Mitte im Verborgenen ein mit einem Stroboskop ausgeleuchteter Brunnen sprudelt. Und hinter dem Fenster gegenüber zeichnet sich etwas Schwarzes, Ungetümhaftes ab: Die raumfüllende Skulptur «Inside Out» der Zuger Künstlerin Sara Masüger zitiert formelle und inhaltliche Aspekte von Kieslers Schaffen.

Spurensuche quer durch die Ausstellung

Eigens für die Zuger Ausstellung hat der Wiener Künstler Peter Sandbichler sein «Horse» angefertigt, ein überdimensionierter Rossschädel aus ultrahochfestem Betonguss. Es ist seine Antwort auf Kieslers monumentalen Bukephalos, das monströse tote Streitross Alexanders des Grossen im oberen grossen Saal. Sandbichler sieht seinen Schädel als eine Art «Endless House», mit dem Kiesler einen sich in einem kontinuierlichen Fluss befindenden Raum definierte – ein mehrfach auftretendes Kunstkonzept innerhalb Kieslers Oeuvre.

Die Berlinerin Kerstin Stoll hingegen reagiert gleich mit einem ganzen Kunstkabinett auf ein Kiesler-Magazin, während sich bei Eric Hattan entsprechende Parallelen in einer Komposition aus ausgedienten Materialien finden. Und Adrian Schiess macht seine Anleihe einzig in der Positionierung einer gelb gefärbten Platte.

Heimo Zobernig indes stellt Kieslers «David» einen bronzenen Doppelmenschen gegenüber, während eine Kiesler-Skulptur inmitten von Peter Koglers Raumgestaltung der Cafeteria platziert wird und so ganz neue Bezüge schafft. Solche zu finden, fordert zu­weilen das kreative Denken, wie etwa bei Roman Signers (siehe auch Seite 28) «Blauem Planeten», einem Gummiball auf Quadrokopter vor einem Abzug der ältesten Weltraumfotografie.

Einige von den angeführten Künstlerinnen und Künstlern sind mit Kieslers Werk tief vertraut, andere haben sich erstmals mit seinem bildnerischen Schaffen auseinandergesetzt. Ganz unterschiedlich responsiv fallen die Dialogwerke aus und animieren Besucherinnen und Besucher auf individuelle Weise zur Spurensuche bei Kiesler.

Die neu gestaltete Website des Kunsthauses Zug (www.kunsthauszug.ch) gibt begleitende Einblicke in die aktuelle Ausstellung und informiert laufend über deren Entwicklung. Wiederum ist ein breites Rahmenprogramm entstanden, welches «Kiesler heute» bis und mit 6. Oktober begleitet. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis

«Kiesler heute» im Kunsthaus Zug, Ausstellungseröffnung: Samstag, 9. Juni, 17.15 Uhr.