Gediegener Jahresauftakt mit Perlen der Wiener Klassik
Musik
In der Zuger Liebfrauenkapelle spielte das Collegium Musicum Streichquartette von Haydn, Mozart und Beethoven.
Zug – Das Neujahrskonzert der Streicher-Solisten um Albor Rosenfeld hat Tradition: Mit den wohl bekanntesten Namen der Streichquartett-Literatur – Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven – bescherte man dem wie gewohnt zahlreichen Publikum einen gediegenen Jahresauftakt. Gewisse Veränderungen änderten daran nichts: Nach wenigen Jahren in der reformierten Kirche Zug fiel die Wahl des Aufführungsorts wieder auf die Liebfrauenkapelle in der Zuger Altstadt – akustisch wohl günstiger, aber dafür praktisch bis auf den letzten Platz besetzt.
Um den Primgeiger Albor Rosenfeld sammelte sich diesmal eine für das Zuger Publikum wohl unbekannte Gruppe: Benno Hegi als zweite Violine, der Bratschist Stefan Auf der Maur sowie Tommaso Verlinghieri am Cello. Auch ohne gemeinsame Konzerterfahrung gelang in wenigen Proben der Aufbau eines präzisen und abgerundeten Zusammenspiels mit tadelloser Intonation. Die drei aufgeführten Werke lagen in ihrer Entstehungszeit sehr nahe beieinander, was auch bei einmaligem Anhören interessante Vergleiche ermöglichte.
Beethoven als ideale Krönung
Den Auftakt bildete das Mozart-Quartett KV 156 in G-Dur, geschrieben während der Italienreise des Sechzehnjährigen im Übergang von der Wunderkind-Phase zur oft zermürbenden Stellensuche des Erwachsenen. Viele stilistische Eigenheiten des Komponisten erschienen bereits voll ausgeprägt. Vor allem in den beiden ersten Sätzen dominierte die erste Violine im Sinne der Mannheimer Schule, während die drei Unterstimmen fast ausschliesslich Begleitaufgaben übernahmen. Doch auch die Hauptstimme stieg gelegentlich ins Piano ab, was in der Wiedergabe nicht immer respektiert wurde. Es war eine gute Idee, die stark unterschiedlichen beiden Versionen des Adagios als zweiten und dritten Satz nebeneinanderzustellen. Hier zeigte sich trotz unsicherer Quellenlage die Weiterentwicklung der Kompositionskunst, wie sie auch durch die Zugabe (Menuett aus KV 157) bestätigt wurde.
Das Opus 76, Nr. 4, in B-Dur von Haydn wurde dank dem aufsteigenden Violin-Thema gleich zu Beginn von der Nachwelt (nicht von ihm selbst) als «Sonnenaufgangsquartett» bezeichnet. Viele Musiksachverständige sehen in Haydns Werken Ansätze zur Programmmusik. Was würden sie wohl dazu sagen, dass das gleiche Thema einige Takte später fast spiegelbildlich im Cello als absteigende Linie erscheint? Der gegen Lebensende zu internationalem Ruhm gelangte Komponist erlaubte sich auch in den Folgesätzen Freiheiten, die in früheren Schaffensphasen undenkbar gewesen wären. Die harmonische Kühnheit des Adagios war ein Vorgriff auf spätere Kompositionen Beethovens oder sogar der Romantik, während das formal konventionelle Menuett durch eine Art Musette anstelle des Trios ergänzt wurde.
Eine ideale Krönung bildete nach der Pause das Beethoven-Quartett in c-Moll aus der frühen Streichquartett-Gruppe Opus 18. Noch kurze Zeit zuvor war Beethoven Kompositionsschüler von Joseph Haydn gewesen – bis zum 29. März 1795, als «Lehrer und Schüler» mit riesigem Publikumserfolg ein Konzert aus lauter eigenen Werken gestalteten. Innerhalb des Opus 18 kam die Nummer 4 in c-Moll bei Kritik und Publikum am schlechtesten an, weil sie viele formale Kompositionsregeln verletzte.
Anstelle des erwarteten langsamen zweiten Satzes folgte mit prägnanter Wiedergabe ein ziemlich rasches, ungeradtaktiges Fugato in Scherzo-Form. Das Finale begann als Rondo, erhielt dann aber nach dem ersten Zwischenspiel eine allmähliche Beschleunigung des Grundtempos. Schon im frühen Mannesalter arbeitete Beethoven oft über Jahre immer wieder an seinen eigenen Werken, sodass die Angabe der genauen Entstehungszeit schwierig erscheint. Die theoretisch schwer analysierbare stilistische Mischung wurde jedoch auf eine Weise nachvollzogen, die auch beim Publikum voll ankam und mit einem stehenden Schlussapplaus verdankt wurde. (Text: Jürg Röthlisberger)