Von der alten Kirche in die neue
Kunst & Baukultur
Der Volksaltar in der Pfarrkirche St.Jakob ist mit bemerkenswerter Malerei verblendet, die älter ist als die heutige Kirche. Ein Vergleichswerk verrät den mutmasslichen Künstler – ein Einheimischer.
Cham – In barocken Kirchen steht der sogenannte Volksaltar, an dem der Geistliche heutzutage Eucharistie feiert, stets an zentraler Position im Kirchenraum. Dieser Altar fällt allerdings meist nicht prominent ins Auge, weil er im Vergleich zur restlichen Ausstattung eher zurückhaltend gestaltet ist. Der Volksaltar in der Chamer Pfarrkirche St. Jakob hingegen ist ein wahrer Blickfang – selbst angesichts der allgemeinen Opulenz des riesigen Raumes.
Die Schaufront des Volksaltares besteht in seiner gesamten Fläche aus barocker Malerei. Es ist ein sogenanntes Antependium, respektive ein Antemensale. Das bezeichnet im Allgemeinen die künstlerisch gearbeitete Verblendung eines Altarunterbaus. Während mit dem Begriff des Antependiums meist ein bemalter oder bestickter textiler Vorhang gemeint ist, beschreibt ein Antemensale oder alternativ Frontale vorderhand eine bemalte Platte.
Von der alten Kirche in die neue
Bei der bemalten Altarvorderseite in Cham handelt es sich um genau so ein Frontale. Es ist mit 1745 datiert und somit älter als die Pfarrkirche in ihrer heutigen Form. Das Gemälde stammt wahrscheinlich aus der alten, 1784 abgerissenen Kirche und gehörte dort zum Unterbau eines dem hl. Wendelin geweihten Altars. Denn dieser vielverehrte Patron der Bauers-leute ist das Hauptmotiv der gut erhaltenen, in die neue Kirche übernommenen Altarverblendung.
Sie zeigt den Schutzheiligen in einer zentralen, mit Jakobsmuschel bekrönten Kartusche abgebildet mit Hirtenstab, kniend und zum Himmel betend. Vor ihm liegt ein offenes Buch, im Hintergrund fällt der Blick über ruhendes Vieh hinweg in eine weite Gebirgslandschaft. Die Felder seitlich der Kartusche sind reich bemalt mit Füllhorn tragenden Putten, Blumenvasen und viel floralem Rankenwerk.
Auf dem Podest unter der Kartusche ist neben der genannten Jahreszahl das Allianzwappen der Familien Grob und Suter aufgemalt plus einmal die Initiale H. I. G. und einmal die nicht mehr vollständig vorhandene Initiale A. M. Alles in allem ist das Antemensale von Cham schön erhalten und von guter Malqualität.
Der Urheber des Gemäldes ist nicht mit Sicherheit überliefert, es ist aber anzunehmen, dass es sich um ein Werk des bekannten Zuger Barockmalers Franz Thaddäus Menteler des Älteren (1712–1789) handelt.
Dieser Zuschreibung liegt ein vergleichbares Werk von 1738 in der ehemaligen Klosterkirche Rheinau zugrunde, welches gemäss dem Zürcher kantonalen Denkmalpfleger Walter Drack (1917–2000) einst im Pfarrhaus von Hausen am Albis aufgefunden worden sein soll. Es zeigt den hl. Nikolaus von Myra, ist mit einem Wappen der Zuger Bossard versehen und von Menteler signiert. Ein weiteres, stilistisch sehr ähnliches Beispiel birgt die ehemalige Klosterkirche Pfäfers. Auch dieses ist dem Zuger Maler zuzuschreiben.
Franz Thaddäus Menteler der Ältere hat auch als Hinterglasmaler in der Tradition der Anna Maria Barbara Abesch grosses Ansehen erlangt. Sein gleichnamiger Sohn (1751–1794) führte die interdisziplinäre Kunst seines Vaters auf hohem Qualitätsstandard fort und trug entsprechend zur kunsthistorischen Bedeutung der Zuger Familie Menteler bei. (Text: Andreas Faessler)