Das Christentum als Kulturfaktor
Kunst & Baukultur
Dom- und Diözesanmuseen zeigen anschaulich die über 2000 Jahre alte Geschichte der Kirche und ihrer Kunst. Ein Museum dieser Art im grösseren Format fehlt in der Schweiz. Würde das hierzulande auch funktionieren?
Zug – Die Kirche wartet mit über 2000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte auf. Damit werden in vielen Ländern ganze Museen gefüllt, wechselnd und thematisch bespielt, was meist auf erstaunliches Interesse stösst. Die Vatikanischen Museen als eine der Hauptattraktionen innerhalb der italienischen Hauptstadt mal aussen vor gelassen, verzeichnen kirchliche Kultureinrichtungen wie etwa die Dommuseen von Florenz, Mailand, Köln oder Wien einen reichen Besucherstrom – und zwar über sämtliche Generationen hinweg.
Ein besonderes Flaggschiff unter den Dom- und Diözesanmuseen ist im Oktober 2022 nach jahrelanger aufwendiger Umgestaltung in Freising bei München eröffnet worden. Es ist ein Vorzeigebeispiel, wie die Geschichte der Kirche und ihrer Kunst auf zeitgemässe, moderne Art anschaulich und spannend präsentiert und vermittelt werden kann. An diesem Ort in Freising hat im vergangenen Juni die Jahrestagung der 1958 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Museen und Schatzkammern im deutschsprachigen Raum stattgefunden. Die Gemeinschaft fungiert als Sprachrohr, Netzwerk und Plattform des fachlichen Austausches der kirchlichen Museen und Schatzkammern untereinander.
Gute Voraussetzungen für ein Museum in der Schweiz
Mit dabei an der Tagung in Freising war Urs-Beat Frei, Kurator des Luzerner Stiftsschatzes zu St. Leodegar. Der Spezialist für Sakralkunst ist überzeugt: Auch in der Schweiz würde ein grösseres kirchliches Museum bestehen können, denn ein solches gibt es hierzulande noch nicht, eines, das sich mit den oben aufgeführten vergleichen könne. «Wir haben in der Schweiz grossartige kirchliche Kulturgüter mit viel Geschichte», sagt Urs-Beat Frei. Seine Anregung ist nicht neu, es war vor zirka zwölf Jahren so weit, dass die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz ein solches Projekt als «wichtig und dringlich» bezeichnet hat und er später von der Schweizer Bischofskonferenz gar mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt worden ist.
«Die Idee stiess auf breiten Zuspruch, auch in nicht kirchlichen Kreisen», erinnert sich Frei. Doch den Entscheidungsträgern habe der Mut gefehlt, und der Prozess sei schliesslich zum Stillstand gekommen, bedauert er. Freis Vision wäre eine umfassende Schausammlung mit wechselnden Ausstellungen, «denn es müssen Anreize geschaffen werden, dass man das Museum immer wieder besucht.» Das grosse Potenzial eines solchen Museums liege unter anderem darin, auch kirchenferne Menschen anzusprechen. «Auf diesem Weg lassen sich christliche Inhalte auf positive und zeitgemässe Weise vermitteln. Das Christentum ist ein bestimmender Kulturfaktor gewesen und sollte als solcher wahrgenommen werden.»
Die Sammlung könnte gemäss Frei nicht zuletzt als «Auffangstation» für Kulturgüter aus aufgelösten Klöstern dienen oder auch temporär besonders interessante Exponate aus Pfarreien zeigen. «Vielerorts ist man sich gar nicht bewusst, welch grossen kulturellen Wert die sakralen Objekte in den Sakristeien haben», sagt Frei und meint, dass in der Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern ganz allgemein ein Bewusstsein für diese Thematik fehle, selbst unter den Kirchenverantwortlichen.
Sakrale Kunst spreche zeitlos an, und es entstehe immer wieder auch Gegenwartskunst im kirchlichen Kontext. Dies sei eine vielversprechende Ausgangslage für ein solches Museum in der Schweiz, betont Urs-Beat Frei und sieht nach wie vor Chancen für ein Leuchtturmprojekt für christliche Kunst in der Schweiz, wobei er Luzern für einen idealen Standort hält.
Denn dass Themen zu Kunst und Spiritualität auf breites Interesse stossen, wenn sie gut aufbereitet und präsentiert werden, hat sich für Urs-Beat Frei 2003 eindrücklich bewahrheitet, als er für das Museum Bruder Klaus in Sachseln eine Rosenkranzausstellung kuratiert hatte. Diese war ein so grosser Erfolg, dass sie auch an drei Orten in Deutschland gezeigt und ihr Inhalt gar zum Standardwerk in Buchform wurde.
Vermittlung christlicher Zeugnisse
Letztendlich geht es kirchlichen Museen und Schatzkammern nicht um das Zurschaustellen oder gar «Abfeiern» einer Tradition, sondern diese Einrichtungen nehmen eine wichtige Aufgabe wahr, wie die eingangs erwähnte Arbeitsgemeinschaft in ihrem Positionspapier ausführt: Solche Museen stehen für die Sammlung, Erhaltung, wissenschaftliche Forschung, öffentlichkeitswirksame Präsentation und Vermittlung kirchlicher Kulturgüter sowie für die bewusste Verantwortung der Kirchen zur nachhaltigen Bewahrung christlich-religiöser Zeugnisse.
Hinweis
Weiteres zu Wirken und Zielen der Arbeitsgemeinschaft unter www.kirchliche-museen.org