Und wenn ein Tsunami anrollt?

Brauchtum & Geschichte

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Die Zuger Fasnachtsgesellschaften müssen immer umfangreichere Sicherheitskonzepte für ihre Umzüge erstellen – in Steinhausen auf den letzten Drücker

Steinhausen – Im Kanton Zug erzählt man sich eine merkwürdige Geschichte. Und die geht so: Wer heutzutage einen Fasnachtsumzug organisiert, muss sich für jede noch so unvorstellbare Gefahr wappnen. Auch für einen Tsunami auf dem Zugersee, einen riesigen Bergsturz oder einen Vulkanausbruch.

Nun gut, die Erzählung enthält närrische Übertreibungen. Ein Tsunami ist genauso wenig Teil der Fasnachtsvorbereitungen wie ein Vulkanausbruch. Was aber stimmt: Die Fasnachtsgesellschaften müssen für ihre Umzüge inzwischen umfangreiche Sicherheitskonzepte vorlegen. Und – das weiss unsere Zeitung aus verlässlicher Quelle – an einer Sitzung sprach ein Behördenvertreter tatsächlich das Risiko eines Tsunamis auf dem Zugersee an. Die Bürokratisierung treibt die Zuger Fasnachtsgesellschaften um. Der Aufwand für die Organisation eines Umzuges sei massiv gestiegen, sagt etwa Jürg Messmer, Zunftmeister der Stadtzuger Letzibuzäli. Im vergangenen Jahr habe die Zunft erstmals für ihren Umzug ein umfassendes Sicherheitskonzept erstellen müssen. Das habe Verwirrung ausgelöst und Mehraufwand beschert. «Man macht sich schon Gedanken, wo das alles hinführt», sagt Messmer.

«Aufwand ist riesig und wird immer grösser»

Drei A4-Seiten umfasst das Sicherheitskonzept für den Umzug der Letzibuzäli-Zunft. Es beinhaltet eine Gefährdungsanalyse und listet mögliche Szenarien auf: Personenschaden/medizinischer Notfall, Unfall, Brand, Wetter, vermisste Personen, Gedränge, Panik. Zudem skizziert das Sicherheitskonzept, was zu tun ist, wenn eines dieser Szenarien eintritt. Für die stationären Anlässe, insbesondere die Lebuzenmeile im Stierenmarktareal, existiert ein separates Sicherheits- und Notfallkonzept.

Er freue sich jedes Jahr sehr auf die Fasnacht, sagt Messmer. Und er sei immer froh, wenn der Umzug vorbei und ohne Zwischenfälle verlaufen sei. «Ich frage mich manchmal schon, ob das Kulturgut Fasnacht noch zeitgemäss ist. Der Aufwand ist riesig und wird immer grösser.»

Das hat auch die Fasnachtsgesellschaft Steinhausen erlebt. Anfang Januar beantragte sie eine Bewilligung für ihren Umzug mit jeweils zwischen 3000 und 4000 Zuschauenden. Mitte Januar bewilligte die Gemeinde den Anlass – mit dem Hinweis, dass ein Sicherheitskonzept nachgereicht werden müsse. «Dafür haben wir knapp zwei Wochen Zeit», sagt Vizepräsident Patrick Schriber. Das sei sportlich, zumal die Vor­fasnacht bereits im Gang sei, die Umzugsvorbereitungen auf Hochtouren liefen und die Helferinnen und Helfer bereits aufgeboten seien. Für die Gemeinde hingegen liegt die Frist «im normalen Rahmen». Sie könne kein Konzept verlangen, wenn noch keine Bewilligungsanfrage eingegangen sei.

15 Stunden Arbeit beschert

Schriber sagt: «Zum Glück haben wir einen Risk-Manager im Team und sehr gute Unterstützung durch die Gemeinde und unsere Kollegen aus anderen Fasnachtsgesellschaften erhalten. Dennoch sind über 15 Stunden Arbeit angefallen.» Ein Sicherheitskonzept zu erstellen, sei durchaus sinnvoll, fügt er an. «Nicht gut gelöst» sei aber, dass dies jede Fasnachtsgesellschaft für sich selber machen müsse und dass klare Vorgaben zum Inhalt gefehlt hätten. Immerhin: Das Papier liege jetzt vor und könne eingereicht werden.

Bei der Zuger Polizei heisst es auf Anfrage, die Sicherheitskonzepte würden die Sicherheit von Teilnehmenden und Zuschauenden gewährleisten. Das diene einem reibungslosen Ablauf und sei daher auch im Interesse der Organisatoren. Zum Inhalt der Konzepte schreibt Polizeisprecherin Melanie Merten: «Ein Sicherheitskonzept muss die Organisation mit klaren Zuständigkeiten, einen Veranstaltungsbeschrieb, Massnahmen für Crowd Management und Fluchtwege, eine Gefährdungsanalyse sowie konkrete Sicherheitsmassnahmen umfassen. Zudem sind Szenarien für Notfälle und ein Kommunikationskonzept erforderlich. Die genauen Anforderungen können je nach Art und Umfang der Veranstaltung variieren.»

Die zuständige Bewilligungsbehörde bewerte, ob alle relevanten Sicherheitsmassnahmen ausreichend berücksichtigt wurden. Merten rät, frühzeitig mit den Behörden Kontakt aufzunehmen. (Text: Christian Glaus)