Die Wetterdaten allzeit im Blick
Brauchtum & Geschichte
Anno 1949 erhielt der Verschönerungsverein Cham von Nestlé eine Wettersäule geschenkt – als Ersatz für ein bisheriges Modell. Das hinsichtlich Formensprache besondere «Stadtmöbel» erfüllt mehr als nur einen Zweck.
Cham – Sogenannte Wettersäulen entstanden seit Mitte des 19. Jahrhunderts in hoher Zahl. Meist stellte man solche zur Kategorie Stadtmöbel gehörenden Kleinbauten an öffentlichen Plätzen oder in städtischen Parkanlagen gut sichtbar und zugänglich auf. Normalerweise ausgestattet mit dreierlei Messinstrumenten – Thermometer, Barometer und Hygrometer – konnte jedermann jederzeit die neueren aufgezeichneten und aktuellen Wetterdaten ablesen.
In Cham existierte eine solche Messstation ab 1906 – damals ein Geschenk an die Gemeinde von privater Hand. Man platzierte sie prominent an der Strasse direkt gegenüber vom Gasthaus Raben am gleichnamigen Platz. Gestaltet war sie ganz im Stil der Zeit mit eleganten Formen, kunstvollen schmiedeeisernen Verstrebungen und einer abgerundeten Dachhaube, alles auf einem behauenen Sandsteinsockel stehend. 1949 ersetzte man die – alternativ auch als «Wetterhäuschen» bezeichnete – Messsäule mit einem wesentlich schlichteren, dem Zeitgeschmack entsprechenden und multifunktionalen Modell.
Auch diesmal war es ein Geschenk: von der ortsansässigen Firma Nestlé – zu dem Zeitpunkt noch mit dem Zusatz «Alimentana Company» – an den Chamer Verschönerungsverein. Es ist verbürgt, dass die Baukosten damals exakt 2941.65 Franken betrugen. Der verantwortlich zeichnende Chamer Architekt Otto von Rotz (1914–2009) soll für seinen Entwurf kein Geld verlangt haben.
Granit, Kunststein, Zement und Blech
Das Gesamterscheinungsbild des Wetterhäuschens am Ende des Platzes vor der 1912 erbauten alten Post zum Rabenkreisel hin erinnert fern an eine Notrufsäule. Das mittlerweile 75 Jahre alte «Stadtmöbel» setzt sich aus drei Elementen zusammen: aus einem zum Boden hin sich verjüngenden Granitsockel, einem an den Ecken geschmeidig abgerundeten Korpus aus Kunststein und einem auffallend weit auskragenden, flachen Dach, bestehend aus einer Zementplatte.
Diese ist mit Blech beschlagen, allseitig leicht spitz zulaufend, sodass sich ein lediglich von einer bestimmen Entfernung erkennbares Pyramidendach bildet – mit umlaufender Dachrinne und Wasserspeier an der Ecke zur alten Post hin. Ursprünglich stand auf der Dachspitze eine kleine, heute nicht mehr vorhandene Windrose.
Auffallend sind die regelmässig angeordneten Durchbrüche in der Kunststeinverkleidung. Unterhalb der vier Schauvitrinen befinden sie sich auf nur zwei Seiten, am Übergang zum Dach sind sie durchgehend. Sie lassen die gesamte Säule strukturierter und leichter erscheinen.
Wetterstation und Orientierungshilfe
Die oben erwähnte Multifunktionalität des Chamer Wetterhäuschens besteht neben der Anzeige von Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit auch in einem touristischen Zweck. So dient ein aktueller Ortsplan Chams der Orientierung. Eine weitere Vitrine zeigt eine 2008 angefertigte Kopie des Chamer Zentrumsplans von 1949, und durchs vierte Fenster kann man die Geschichte des Rabenplatzes nachlesen.
Bis zum heutigen Tage erfüllt die Chamer Wettersäule bei der grossen Linde ihre ursprüngliche Aufgabe. Die ästhetischen Qualitäten mag man im Vergleich zum Vorgängermodell nicht im Gesamterscheinungsbild finden, sondern nach und nach in den gestalterischen Feinheiten wie der Materialität, den beschriebenen Durchbrüchen, der Eigenheit des Daches wie insgesamt im dreiteiligen Aufbau des Objektes. Abgesehen davon kann die Wettersäule als frühes, ja «vorausschauendes» Beispiel der in der Architektur der 1950er-Jahre aufkommenden Formensprache angesehen werden. (Text von Andreas Faessler)