Das Zuger Kantitheater wagt sich an die grossen Themen
Theater & Tanz
Dieses Jahr ist das Stück «Glaube Liebe Hoffnung» des Dramatikers Ödön von Horváth auf der Bühne zu sehen.
Zug – Am 4. April ist Premiere, in der Aula der Kantonsschule Zug herrscht die aufgeräumte, leicht nervöse Hochstimmung, die im Profi- und Laientheater die Endproben einer Aufführung begleitet. Ein Herr mit künstlichem Bauch spaziert vorbei. Ein anderer im Disco-Outfit tigert durch den Raum und wärmt seine Stimme auf. Junge Frauen in Papier- und Plastikkostümen huschen treppab, treppauf. Bühnenarbeiter und Techniker arbeiten hoch konzentriert, verschieben Gegenstände, probieren das Licht aus – Blau, Weiss, Golden und Blackout.
Auf der Bühne stehen zwei mehrstöckige Baugerüste; links zwei Schneiderpuppen mit Wäscheoberteilen unter einem Schild mit der Aufschrift «Damenbekleidung Prantl». Vor der Bühne ein Flügel, ein Schlagzeug und dazwischen auf dem Boden ein Cello und eine Klarinette. Kurz: Hier wird grosses Theater vorbereitet – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Theatermusik ist auch Maturaarbeit
Eine blumengeschmückte junge Frau in wehendem Kleid läuft unruhig hin und her. Ein junger Mann ganz in Schwarz, mit hohem Zylinder, klimpert auf den Klaviertasten. Bei der Probe erfährt man, dass sie das «Leben», er den «Tod» verkörpert. Der junge Mann, Lennard Teucher, ist auch der Arrangeur und Komponist der Theatermusik – diese bildet seine Maturaarbeit. Zwischen Leben und Tod – Figuren einer «Zwischenwelt» – hat das diesjährige Kantitheater seine Inszenierung von Ödön von Horváths Stück «Glaube Liebe Hoffnung» angesiedelt.
Auf dem schwarzen Flyer prangen die drei Wörter des Stücktitels in drei Farben. Darunter die Rückenansicht einer jungen Frau mit nackten, abgemagerten Schultern in enggeschnürtem rotem Korsett und weissem Unterrock. Die violetten Schnüre ihres Korsetts sind grotesk verdickt und auf beide Seiten ins Bild-Off geführt, sodass es einem vorkommt, als zögen rechts und links unsichtbare Kräfte ihre Taille zusammen. Sie klammert sich mit den Händen an die Schnüre, was den Eindruck verstärkt: Hier wird einer Frau die Luft zum Atmen abgedrückt.
Die Frau heisst Elisabeth, und um ihr Schicksal dreht sich Horváths Stück aus dem Jahr 1933. Zwischenkriegszeit: Rezession, heraufziehender Nationalsozialismus, Armut für viele Bevölkerungsteile. Elisabeths Sorgen sind existenziell, sie muss arbeiten, dafür bräuchte sie einen Gewerbeschein, und der ist nur für Geld zu haben. Sie wird bedrängt, gedemütigt und verachtet, wo immer sie vorspricht. Dann kommt die Hoffnung in Gestalt des feschen Polizisten Alfons Klostermeyer, der sich in sie verliebt, sie unterhält und heiraten will. Als er aber erfährt, dass sie wegen einer Kleinigkeit straffällig geworden ist, lässt er Elisabeth für seine Karriere fallen. Anstelle von Glaube, Liebe und Hoffnung tritt die Verzweiflung.
100 Jahre später entstehen ähnliche Spannungen
Dieser Erzählung aus dem Jahr 1930 stellt das Kantitheater unter der Leitung von Simon Amrein, Peter Zaugg (Regie), Charlie Lutz, Florian Borsinger (Bühnenbild), Natalie Frey-Gut (Theaterpädagogik) und Brigitte Fries (Kostüme) moderne Szenen unserer eigenen Zeit gegenüber. Drei Paare wohnen im selben Haus und planen eine Nachbarschaftsparty. Zwischen Maik und Vanessa, Danielle und Linda, Leo und Nora entstehen ähnliche menschliche Spannungen.
Die Ereignisse in der Welt von 2030 orientieren sich an einem zweiten Stück aus Horváths Feder: «Kasimir und Karoline». Der Flyer fasst die Grundfrage zusammen: «Ist es menschliche Bestimmung zu leiden? Wie bestimmen unser Geltungsdrang und eine Gesellschaft, in der Geld und Status die Hauptrolle spielen, unser Glück?»
Hinweis
Aufführungsdaten (in der Aula der Kantonsschule Zug): 4.4., 5.4. (jeweils 19.30 Uhr), 6.4. (17 Uhr), 7.4. (19.30 Uhr).
(Text: Dorotea Bitterli)