Einfach nur Florin
Musik
Der Zuger Musiker OG Florin hat ein Album herausgegeben. Ohne Klischees, Genres und Getue. Dafür so nahe und echt wie ein Tagebucheintrag
Zug – Dieser Artikel ist in der Dezember-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den weiteren Artikeln.
OG Florin macht Musik, die man als Geheimtipp kennen möchte. Um sie dann, wie eine Gute- Besserungs-Karte, an liebe Menschen zu verteilen, damit der Weltschmerz bisschen besser wird, oder der Herzschmerz, oder einfach wenn die Umstände draussen gerade kalt und hart sind. Im Song «Spaceman» singt OG Florin: «De Wältrum isch chalt, aber mis Herz isch warm.» Und diese selbstverständliche Wärme zeigt sich so deutlich wie nie auf seinem neuen Album «ILY<3».
Aber OG Florin ist längst kein wirklich geheimer Geheimtipp mehr. Auf Spotify wurde sein neues Album schon über 15 00 Mal angehört, nur kurz nach der Veröffentlichung Anfang November.
In den letzten sechs Jahren hat sich der Musiker aus Zug einen Platz in der Schweizer Rapszene erarbeitet. Dabei wirkt er aber immer, als ob er irgendwie nicht ganz vergleichbar ist.
Ein Freund von Florin Simmen, so heisst OG Florin mit bürgerlichem Namen, sagt über ihn: Wenn man Florin findet, dann hat man auf jeden Fall eine schöne Zeit mit ihm. Man darf ihn nur nicht suchen wollen. Florin wird nachgesagt, schwer erreichbar zu sein. «Wenn ich grade einen Gedanken im Kopf habe, dann möchte ich den nur ungern unterbrechen», erklärt Florin Simmen. Und dann gehen Nachrichten oder so was halt schnell mal unter. Klare Prioritäten, könnte man das positiv nennen.
Als er in der finalen Phase an seinem neuen Album gearbeitet habe, sei er oft am Morgen in sein Studio, habe angefangen, an den Songs zu arbeiten, und plötzlich war Abend. Dann habe er was Kleines gegessen. Und blieb noch mal bis um zwei Uhr morgens. Viele seiner Tracks haben in dieser Phase zwischen achtzig und hundert verschiedene Spuren.
File auf, File zu, File auf
Auf dem Albumcover von «ILY<3» ist OG Florins Arbeitsplatz zu sehen. Ein Holztisch mit Kabeln, Tonausrüstung und ohne Platz. Kissen am Boden, ein Orientteppich, ein Gitarrenverstärker an der hinteren Wand und vielleicht ist da noch ein Eck einer Matratze zu sehen, die ins Bild ragt. «Manchmal habe ich was ganz Konkretes im Kopf, das ich genauso umsetzen will, dann bin ich 45 Minuten ultra-produktiv. Aber oft spiel ich auch einfach rum, mach das File auf, mach das File wieder zu, hol was zu essen, geh auf Youtube und mach das File wieder auf.»
Bei fast allen Songs macht Florin Simmen alles zu hundert Prozent selbst. Alles, was eingespielt werden muss, hat er selbst eingespielt, alle Beats und Produktionen sind von ihm. «Ich fand es immer schwierig, mit Leuten zusammen an meinen eigenen Sachen zu arbeiten», sagt er.
Original Gangster
Mit sechzehn Jahren ging Florin Simmen an ein Rap-Battle. «Vielleicht in Sarnen», aber der genaue Ort ist eigentlich nicht mehr wichtig. Er würde einer der Jüngsten sein, war ihm klar. Nicht mal einen Künstlernamen hatte er, um sich für das Battle einzuschreiben.
OGs sind «Original Gangsters», erfahrene, gefährliche, eindrückliche Menschen, Joey Badass, OG Swank, OG Maco. Wär’s nicht lustig, als kleiner, unerfahrener Florin sich auch OG zu nennen?
Ein paar Jahre später 2017 spielte OG Florin mit seinem ersten Album «De chlini Brüeder» am Rock the Docks in Zug. Es war nicht sein erster Auftritt. Aber der erste, der zählte. «Es hat mir gezeigt, es geht schon, da kann ich was machen.» Auf dem Cover von «De chlini Brüeder» ist Florin selbst, aber als Kind, er hält einen Telefonhörer verkehrt ans Ohr. Die Songs klingen nach 90er-Jahre-Hip-Hop, aber anders: Manchmal ist Vogelgezwitscher zwischen den Beats, die Texte drehen sich zwar klassisch-oft um Gras und Polizei, aber ohne Getue, einfach von Florin erzählt. Unnahbare Kunstfiguren beeindrucken ihn nicht. «Wenn jemand zeigt, wie menschlich er ist, dann find ich das viel spannender.» Seine eigenen Texte haben manchmal die intime Nähe von Tagebucheinträgen.
Halt so, wie Florin klingt
Das nächste Album «Jurrassic» folgt. Florin spielt Gitarre, seit er neun Jahre alt ist, auf dem Album setzt er sie zum ersten Mal ein.
Und dann beschliesst Florin, er würde gerne als Nächstes ein Singer-Songwriter-Album aufnehmen. «Ich fand halt schon immer ganz viel verschiedene Musik gut. Und ich war schon immer so: Ich will das machen, ah nein, ich will das machen, oder doch lieber das», sagt Florin. Aber ein genregerechtes Singer-Songwriter-Album wurde «Träffpunkt» dann doch nicht.
«Oft versucht man etwas zu machen, aber dann merkt man, dass mit der eigenen Herangehensweise dieser Sound ganz anders klingt. Dann muss man das halt auf seine eigene Art machen.»
«Träffpunkt» ist also irgendwie schon ein Singer-Songwriter-Album. Nur ist es halt ein Singer-Songwriter-Album von OG Florin. Genres und Inszenierung, das interessiert ihn nicht. «Andere wissen immer viel besser, wie meine Musik jetzt heissen soll.»
Im letzten Moment der rote Faden
Anfang November kam nun «ILY<3» raus, ausgesprochen I Love You. Es ist eine Sammlung an ganz verschiedenen Einflüssen, es gibt Experimente, musikalisch und lyrisch. «Ich habe jede Woche neue Ideen und verwerfe die Ideen von letzter Woche», sagt OG Florin, erst im letzten Moment gebe er den roten Faden rein. In diesem Fall: «Nume Zuekunft isch für immer», der Satz taucht auf vielen Songs auf und gibt einem die melancholische Gewissheit, dass sich alles verändern muss. Es ist liebevolle, nahe, warme Musik, die mit ihrer eigenen Verletzlichkeit Trost spenden kann.
(Text: Lionel Hausheer)