Gemeinsam Geschichten lauschen

Literatur & Gesellschaft

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Im Rahmen des «Zuger Lesesommers» haben die Bibliothek Zug und der Kinder-Mentoring-Verein Munterwegs zum ersten Mal einen Vorlesetag mit Geschichten in fünf Sprachen organisiert.

  • Bama Nisanthan unterhält die Kinder – nicht nur mit Geschichten. Bild: Jan Pegoraro (Zug, 8. 6. 2024)
    Bama Nisanthan unterhält die Kinder – nicht nur mit Geschichten. Bild: Jan Pegoraro (Zug, 8. 6. 2024)

Zug – Rund um die Bauhütte St. Oswald waren am Samstagmorgen viele Familien mit kleinen Kindern unterwegs, und an Hautfarbe, Kleidung, Gestik und Sprache erkannte man die unterschiedlichsten Nationen. Alle hatten dasselbe vor – etwas sehr Gemeinschaftsbildendes: nämlich den Geschichten zu lauschen, die Vorlesende in fünf Sprachen an fünf verschiedenen Orten erzählen wollten.

Unter dem Motto «Schnurgeschichten – Vorlesen verbindet» hatten sich die Bibliothek Zug und der Verein Munterwegs zusammengetan und den Vorlesetag für Kinder ab 3 Jahren organisiert. Er war Teil des heuer zum ersten Mal angebotenen «Zuger Lesesommers» vom 22. Mai bis 4. September.

Lesen ist – vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerung und Migration – ein Schlüssel für den Zugang zu Bildung, Medien-, Recherche- und Informationskompetenz und damit zu Chancengleichheit und gesellschaftlicher Teilhabe. Sprach- und Leseförderung ist insbesondere für die Bibliothek Zug sowohl Auftrag wie Anliegen und Motivation. Sie kommt dem nicht nur mit einem attraktiven Medienangebot nach, sondern auch – in Zusammenarbeit etwa mit den Zuger Stadtschulen, der Musikschule oder dem Abraxas Kinder- und Jugendliteraturfestival – durch Vermittlungs- und Veranstaltungsprojekte.

Mentorinnen schätzen den Austausch

Auf eine ganz andere Art engagieren sich die Mitglieder des vor 15 Jahren im Kanton Zug gegründeten Vereins Munterwegs für die Entwicklung und Integrierung von Kindern mit Migrationshintergrund. Freiwillige ab 16 Jahren verpflichten sich, während 8 Monaten als Mentorinnen oder Mentoren Kinder aus Migrationsfamilien zu begleiten, Zeit und Erfahrung mit ihnen zu teilen. Sie gestalten anregende Freizeit mit ihnen, helfen ihnen mit der Sprache und der Schule, bringen sie in Kontakt mit der hiesigen Lebenswelt. Dafür werden sie sorgfältig eingeführt und gecoacht und treffen sich regelmässig. Die aktive Integrationsförderung hat Standorte in Baar, Risch-Rotkreuz, im Rontal, in Emmen und Basel-Stadt.

So begleiteten etwa die pensionierte Heilpädagogin Dana Kolonko, die 80-jährige Johanna Bütler oder die ältere Margrit Spitzer ihre Schützlinge zum Vorlesetag und erzählten voller Begeisterung, wie viel Glück ihnen selbst das Engagement bedeutet und was für spannende Beobachtungen sie im Austausch mit Kindern aus fremden Kulturen machen.

Den Start zum Vorlesetag machten Lolita Martin für die Bibliothek und Miriam Hess für Munterwegs. Sie begrüssten die bunte und quirlige Menschenschar, die sich im Café der Bauhütte eingefunden hatte, und informierten über die Vorlesegruppen. Es sollten Geschichten in Deutsch, Französisch, Spanisch, Russisch und Tamil erzählt werden. Das symbolisch verbindende Element aller Erzählungen war die Schnur. Und so unterhielt die 44-jährige Tamilin Bama Nisanthan die Kinder zuerst mit einem Schnur-Spiel mit Ballonen. Anschliessend erzählte sie die Geschichte von der Fliege «Iii» (was in Tamil Fliege bedeutet), die auf der Suche nach ihrem Namen und ihrer Identität ist. Ihre Tochter Ashvini (17) übersetzte auf Deutsch.

Der Franzose Stéphane Latouche-Hallé las im Burggraben zusammen mit seinen beiden Kindern Maeva (10) und Bastian (8) die fantastische Traumgeschichte «Le fil» aus einem Bilderbuch von Florence Jenner Metz vor. Parallel dazu stellte das Trio die Story auch auf einem kleinen «Kamishibai», einem japanischen Papier-Tischtheater, dar – mit farbigen Bildern und Schrift.

Die deutschen, russischen und spanischen Geschichten wurden im Stadtgarten und in der Bibliothek erzählt. Ein reiches Angebot für ein vielköpfiges und diverses Publikum. (Text von Dorotea Bitterli)