Das Thema «Food» steht bei ihr im Fokus

Film & Multimedia

,

Die Zuger Fotografin Tina Sturzenegger hat für die renommierteste Fotoausstellung der Schweiz, «PhotoSchweiz 2025», eine Wildcard erhalten: Ihre Bilder werden für fünf Tage im Kongresshaus Zürich zu sehen sein.

  • Fotokünstlerin Tina Sturzenegger aus Oberägeri. Bild: Tina Sturzenegger
    Fotokünstlerin Tina Sturzenegger aus Oberägeri. Bild: Tina Sturzenegger

Oberägeri – Ein Mödeli Butter auf weisser Keramikschale, die auf einem roten Serviertablett steht, nimmt das Bildzentrum ein. Alle Gegenstände wirken wie aus den 1970er-Jahren. Das Tablett ruht auf den lederbekleideten Oberschenkeln einer grossen, schlanken Frau in blauer Bluse. Ihr Kopf ist nicht zu sehen. Mittels eines orangen Föhns – auch dieser irgendwie retro – schmilzt ihre linke Hand die Butter, die bereits auszulaufen beginnt. Sie sitzt auf einem rotbraunen Sofa, rechts von ihr befindet sich eine plastikverpackte Semmel, links ein grüner Kabiskopf.

Das Foto wirkt farbenfroh, fast fröhlich, humorvoll, in seiner Diagonalkomposition hoch ästhetisch und – irgendwie verstörend. Was löst diese Bildsprache aus bei Frauen, die heute über Social Media von klein auf mit Ernährungs- und Selbst­optimierungstipps konditioniert sind auf Schlankheit, Schönheit, Fitness, Styling?

«Das Bild heisst ‹melt down›», erzählt Tina Sturzenegger, die Schöpferin des Bildes. Sie hat es sorgfältig arrangiert, ja geradezu inszeniert. «Ich gehe beim Arbeiten höchst strukturiert vor und plane die Umsetzung für ein Thema mittels einer Excel-Liste. Stilistisch, bei der Wahl von Location, Props, Kleidern, Models und Setting orientiere ich mich am Design der 1970er- und 1980er-Jahre.»

Sie lacht: «Vielleicht ist diese Arbeitsweise ein Relikt aus meinem ersten Beruf.» Tina Sturzenegger aus Oberägeri studierte zunächst Betriebswissenschaft und stieg 2009 auto­didaktisch auf professionelle Fotografie um. «Anstoss war der Tod meines Vaters. Ich hatte einen guten Job im Konsum­gütermarketing. Aber plötzlich fragte ich mich: Wie möchte ich einmal auf mein Leben zurückblicken? Was gäbe mir das Gefühl, dass es erfüllend ge­wesen wäre?»

Gesellschaftliche Komplexität und Ästhetik

Diese Sinnfrage bezeichnet sie heute als «kreativen Weckruf». Inzwischen ist sie mehrfach ausgezeichnete und international ausstellende Porträt- und Foodfotografin. Und in den nächsten Tagen sind sechs ihrer Werke im Rahmen von «PhotoSchweiz» in Zürich zu sehen.

«PhotoSchweiz», kuratiert von Chris Burkhard, ist mit 25’000 Besuchenden die grösste Werkschau für Fotografie in der Schweiz. Heuer hat sie die Zugerin mittels einer Wildcard zur Ausstellung gebeten: «Tina Sturzenegger widmet sich in ihrer künstlerischen fotografischen Arbeit dem Thema Essen und dessen Einfluss auf die Gesellschaft. Zwei wesentliche Aspekte inspirierten sie dazu: die visuelle Ästhetik von Lebensmitteln in all ihren Facetten und die gesellschaftliche Komplexität rund um das Thema Ernährung.» Im Gespräch führt Sturzenegger dies genauer aus: «In unserer Gesellschaft herrscht die Vorstellung, dass Essen immer etwas verändert: Es macht dick oder dünn, bekämpft Akne oder verursacht Rheuma, ist gesund oder ungesund. Wir Frauen werden in den Medien früh auf normierte Körperbilder fixiert, machen Trends mit, wechseln Diäten und Superfoods. Zucker, Fleisch, industrielle Herstellung, bis hin zu Fairtrade und Lieferketten sind dabei im Fokus.» Wie in einem Mindmap gruppieren sich um den Begriff Essen unzählige weitere Thematiken. Deren Ambivalenz – die vielen Pros und Kontras – bringt Sturzenegger in ihren Bildern spannungs- und fantasievoll zum Ausdruck.

Auf der Website der Fotokünstlerin bereiten zwar auch andere Motive mit präzise komponierten Bildern visuelle Freude, aber in der Mehrzahl ihrer Werke ist das Essen der Star. Lustvoll, wunderschön, spielerisch, ironisch bis sarkastisch. Voller Anknüpfungspunkte für das assoziative Weiterspinnen der Betrachtenden.

Auch künstliche Intelligenz spielt eine Rolle

Neu verwendet Sturzenegger auch KI – nicht zur vollständigen Erstellung, sondern zur Ergänzung. So sind etwa Semmel und Kabiskopf im Bild «melt down» mittels künstlicher Intelligenz eingefügt worden. Auf die Frage, ob ihr Werk eine Botschaft habe, antwortet Sturzenegger ganz klar: «Ja, es ist mir ein Anliegen, dass jeder und jede sich mit Ernährung beschäftigen möge.»

Hinweis

Die Werkschau «PhotoSchweiz 2025» findet vom 7. bis 11. Feb­ruar im Kongresshaus Zürich statt. Mehr Infos: www.photo-schweiz.ch und www.tinasturzen­egger.com.


(Text: Dorotea Bitterli)