Zuhause durch die Literatur

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Buchmarkt und Leserverhalten haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Doch was läuft in der Zuger Literaturszene? Wir haben eine Frau gefragt, die schnell mittendrin landete.

  • Theres Roth-Hunkeler wünscht sich mehr Kolleg*innen in Zugs Literaturszene. (Bild: Ayse Yavas)
    Theres Roth-Hunkeler wünscht sich mehr Kolleg*innen in Zugs Literaturszene. (Bild: Ayse Yavas)

Baar – Dieser Artikel erschien in der Juli/August-Ausgabe 2024. Hier geht es zu den weiteren Artikeln. 

 

Ihr Berufswunsch war Leserin, schon als Kind auf dem Bauernhof – so beschreibt es Theres Roth-Hunkeler. Sie freute sich über heftiges Regenwetter – was sie ihrem Vater mit seiner Arbeit in der Landwirtschaft tunlichst verschwieg –, dann konnte sie sich verstecken, mit einem Buch in der Hand und der Katze auf dem Schoss über Stunden verschwinden. Geworden ist Roth-Hunkeler tatsächlich, was sie sich damals wünschte, und: Autorin. Roth-Hunkeler kennt man in Zug vor allem durch ihre Arbeit – das Lesen und das Schreiben. Und durch die Vermittlung von Literatur. Sie ist Gründerin von mehreren Lesezirkeln, arbeitet in der Organisation des Zuger Literaturfestivals «Höhenflug» und ist Präsidentin der altehrwürdigen Literarischen Gesellschaft Zug. Sie veranstaltet und moderiert Lesungen und nicht zuletzt schreibt sie selbst Essays, Kurzgeschichten und Romane. 1992 erschien ihr erster Roman «Die Gehschule». Seither hat sie sechs weitere Romane verfasst, zuletzt kam im vergangenen Jahr «Damenprogramm» heraus – ein unerbittlich ehrliches und humorvolles Buch über das Älterwerden als Frau in unserer Gesellschaft. Aufgewachsen im Luzernischen Hochdorf, machte die heute 70-jährige Autorin zuerst eine Ausbildung zur Lehrerin, fand jedoch bei Sprachaufenthalten in Paris und Florenz vom Lesen bald zum Schreiben. Es folgten journalistische Weiterbildungen und in den Achtzigerjahren erschienen die ersten Erzählungen, kulturjournalistischen Texte und Essays Roth-Hunkelers. Auch auf nationaler Ebene ist die Autorin in der Literaturvermittlung und für die Schriftsteller*innen aktiv. In der Programmkommission der Solothurner Literaturtage beispielsweise war sie engagiert und amtete von 2002 bis 2006 als Präsidentin des Verbandes Autorinnen und Autoren der Schweiz AdS.

Viel Engagement, wenige, die bleiben
Theres Roth-Hunkeler zog 50-jährig nach Baar. In einem Alter, in dem es nicht einfach ist, an einem neuen Ort ein Umfeld aufzubauen. «Durch die Literatur aber habe ich schnell die ersten Kontakte gefunden, Freundschaften geschlossen – bin in Zug heimisch geworden», sagt die Schriftstellerin. Die Zuger Kulturszene sei bekanntlich nicht besonders gross, doch die Menge an Veranstaltungen trotzdem – besonders in der Literatur – erstaunlich. Mit der Bibliothek Zug mit ihren wunderbar langen Öffnungszeiten, dem Zentralschweizer Kinder- und Jugendliteratur-Festival Abraxas, mit «Höhenflug», Literaturfestival Zug, Bücher Balmer, mit Oswalds Eleven, der Literarischen Gesellschaft und den Veranstaltungen sind Terminkollisionen mittlerweile keine Seltenheit mehr. Was der Literatur in Zug jedoch fehle, seien neben der Bibliothek Zug kostengünstige Räume für Veranstaltungen, auch für solche «jenseits der klassischen Wasserglaslesung» wie zum Beispiel Büchertausch, Literaturclubs, Textwerkstätten oder regelmässig stattfindende Buchcafés, bei denen Lesende jeden Alters Lieblingsbücher empfehlen können, sagt Theres Roth-Hunkeler. Und woran es ebenfalls zu fehlen scheint: am Nachwuchs. Bis ins Jahr 2017 dozierte Theres Roth-Hunkeler an der Hochschule der Künste HKB in Bern und am Literaturinstitut in Biel und begleitete dabei Studierende bei ihren Textprojekten. Austausch mit jungen Schreibenden ist ihr auch deswegen wichtig. In der Region Zug vertreten unter anderen Martina Meienberg, Özlem Çimen oder Severin Hofer die jüngere Generation. Doch schnell lande man bei der mittleren und älteren Generation, bei Autor*innen wie Thomas Heimgartner, Andreas Iten, David Weber oder der in Zürich wohnhaften Elisabeth Wandeler-Deck. «Es wäre schön, gäbe es mehr Autor*innen in Zug», sagt Roth-Hunkeler, besonders «Mittelalte» seien rar. «Doch es ist nicht einfach, mit dem Budget einer Autorin, eines Autors in Zug zu leben.» Da wäre es an der öffentlichen Hand des Kantons Zug, die Kultur allgemein noch grosszügiger zu alimentieren, um die hiesigen motivierten Kulturschaffenden nicht an andere Kantone zu verlieren, betont die Autorin in diesem Zusammenhang. Sehr wichtig für die Zuger Literatur sei deshalb die Landis & Gyr Stiftung und auch der Verein Zuger Übersetzer. Denn mit allen Vorteilen, die Zug durch die schöne Landschaft, die Kleinräumigkeit, die Internationalität und Sprachenvielfalt habe, die derart wirtschaftsorientierte Ausrichtung des Kantons sei für Kulturschaffende kein Vorteil.

Mehr Bücher, mehr Gespräche
Dass in Zug selbst kein Verlag mehr existiere, sei schade. Die Literarische Gesellschaft Zug jedoch darf auf eine über 100-jährige Tradition zurückschauen und gerade auch über deren Engagement seien in den vergangenen Jahren neue Kooperationen entstanden. «Dabei ist das lit.z Literaturhaus Zentralschweiz in Stans auch in Zug stark wahrnehmbar.» Und spürbar stehe die Vermittlung stärker im Fokus, sagt Roth-Hunkeler: «Gerade Lesungen haben sich extrem verändert. Die Moderation, das Gespräch mit den Autor*innen wird immer wichtiger. Das Publikum interessiert sich stärker dafür, etwas über den Schreibprozess und die Hintergründe eines Buches zu erfahren, als eine Person eine Stunde lang schlicht lesen zu hören.» «Auch das Leserverhalten hat sich verändert. Seit dem Internet wurde dem Buch bekanntlich zwar schon mehrfach das Todesurteil verlesen. Doch so kam es nicht. Ganz im Gegenteil», sagt Roth-Hunkeler und ergänzt: «Es werden so viele Bücher geschrieben und so viele Bücher verlegt wie noch nie zuvor. Und mit den BookTokern zum Beispiel gibt eine äusserst aktive Community von jungen Lesenden.» Neben dem Austausch und der Stärkung der Kooperationen müsse man in der Literatur aber weiter nach neuen Formen suchen, betont die Autorin – mehr mit der Musik oder der bildenden Kunst spartenübergreifend zusammenarbeiten. Und auch verbindend über die Generationen und Kulturen hinweg denken. Da bestehe gerade in der Literatur und in Zug noch viel Potenzial.

 

Text: Jana Avanzini