Festliche Schäfer-Messe aus Südamerika

Musik

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Mit der «Missa Pastoril» des brasilianischen Komponisten José Maurício Nunes Garcia (1767–1830) lud der Chor Bruder Klaus Oberwil unter der Leitung von Armon Caviezel zur alljährlichen «Musikalischen Feierstunde».

  • In der vollen Kirche Bruder Klaus stand ein grosses barockes Werk aus der Neuen Welt im Fokus. Bild: Jan Pegoraro (Oberwil, 12. 1. 2025)
    In der vollen Kirche Bruder Klaus stand ein grosses barockes Werk aus der Neuen Welt im Fokus. Bild: Jan Pegoraro (Oberwil, 12. 1. 2025)

Oberwil b. Zug – «Das ganze Werk badet im milden, sanften Licht und strahlt Festlichkeit und Fröhlichkeit zugleich aus – ein wahrer Gegenpol zu unserer heutigen politisch belasteten Zeit»: So kündigte der Chor Bruder Klaus Oberwil die Aufführung eines Werkes an, dessen Schöpfer hierzulande kaum bekannt ist. Die «Missa Pastoril» (Schäfer-Messe) für Chor, Soli und Orchester von José Maurício Nunes Garcia hatte bereits den Weihnachtsgottesdienst in der Kirche Bruder Klaus Oberwil umrahmt und sollte nun am 12. Januar konzertant wiederholt werden.

Die Kirche füllte sich schon eine halbe Stunde vor Beginn bis zum letzten Platz – es schien, als sei halb Zug nach Oberwil gepilgert, um die Wärme und Unbekümmertheit einer barocken Musikperle zu erleben, die explizit «para a noite de Natal», für die Christnacht, geschrieben worden ist. Vielleicht aber war der Andrang auch so gross, weil Chorleiter und Dirigent Armon Caviezel damit ein Werk aufs Programm gesetzt hatte, dessen Entstehungsgeschichte ungewöhnlich ist.

Botschafter der europäischen Klassik

Sein Schöpfer, José Maurício Nunes Garcia, wurde 1767 als Sohn befreiter Sklaven in Rio de Janeiro geboren, und seine dunkle Hautfarbe führte als «defeito visével» (sichtbarer Defekt) zeitlebens immer wieder zu Diskriminierungen und Intrigen. Dennoch wurde der musikalisch Hochbegabte, der bereits mit sechzehn sein erstes Werk schrieb, zum Priester und Hofkapellmeister. Er machte in Brasilien die europäische Klassik bekannt und gilt heute als einer der grössten Komponisten Amerikas seiner Zeit.

Grosse geschichtliche Ereignisse förderten diese Laufbahn markant: Als Napoleon I. 1808 Portugal besetzte, floh der portugiesische Prinzregent João VI. mit einem Gefolge von 15’000 Personen über den Atlantik nach Rio de Janeiro. Nunes Garcia errang die Hochachtung des musikliebenden Joãos, der ihm die Leitung der Hofkapelle anvertraute und ihn hoch dekorierte. 1808 bis 1811 war denn auch seine produktivste Zeit. Er kam in Kontakt mit den angesehensten Komponisten der Epoche, korrespondierte mit Joseph Haydn und führte Mozarts Requiem und Haydns «Die Schöpfung» erstmals in Brasilien auf.

Nachdem der portugiesische Hof nach Lissabon zurückgekehrt war und Brasilien 1822 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, verarmte das kulturelle Leben und damit auch Nunes Garcia. Seine Vita – gerahmt durch die historischen Umwälzungen seiner Zeit – steht beispielhaft für die kompliziert-komplexe Akkulturation zwischen Europa und den Kolonien.

Starke Stimmen für die barocke Üppigkeit

Die Aufführung der «Missa Pastoril» durch den Oberwiler Chor mit Ad-hoc-Orchester und vier Gesangssolisten arbeitete diesen Brückenschlag sehr schön heraus. Einerseits barocke Üppigkeit und Virtuosität in den reich verzierten Bravourarien: Nuria Richners silberne Vibrati, Mirjam Blessings bis in grosse Tiefen reichende Altstimme, Simon Witzigs Tenor-Dramatik und Jonathan Prelicz mit einem Bass voller Kraft ergänzten sich in vielfacher Variation.

Die Tutti-Melodien des Chors aber erinnerten an einfache volksmusikalische Melodien und prägten sich refrainartig ein. Die häufig vorkommenden Soli von Klarinette und Flöte evozierten – ohrwurmartig – Bilder von schalmeien-spielenden Hirten. Im Orchester wurden unter Konzertmeisterin Helen Steinemann sowohl die ersten wie die zweiten Stimmen von Bratschen gespielt, was dem Werk eine besondere Wärme gab.

Quintessenz: Tröstlich-heitere Musik, gleichzeitig anspruchsvoll und zugänglich, meist im leichtfüssigen Sechsachteltakt – irgendwo «zwischen den Welten». Ergänzt wurde das halbstündige Werk durch zwei weitere kurze Stücke von Nunes Garcia, durch das A-cappella-Lied «Es ist ein Reis entsprungen» von Michael Praetorius und die bekannte Weihnachtsmelodie «Transeamus» von Joseph I. Schnabel. Und in Georg Philipp Telemanns Konzert in G-Dur (TWV 51: G9) brillierte Lenka Moosmann Bonaventurova als Viola-Solistin. (Text: Dorotea Bitterli)