Alt aussehen ist nicht gleich wertvoll sein
Brauchtum & Geschichte
Das Museum Burg Zug lud zum vierten Bestimmungstag ein. Eines der vorbeigebrachten Stücke passt womöglich in die eigene Sammlung.
Zug – Eine Modellbahnlokomotive Ce 6/8 der Firma Märklin, besser bekannt unter dem Namen «Krokodil», kostete schon Anfang der 1970er-Jahre 200 Franken. Für eine solche Zugmaschine der Spur HO bezahlten Liebhaber seither auch schon 2000 Franken oder gar noch mehr. Dieser Preis galt allerdings nur, wenn noch die Originalverpackung vorhanden war.
Die für das Museum Burg Zug arbeitende Sammlungskuratorin Leonie Meier sagt zur Sammelleidenschaft: «Der ideelle Wert ist oftmals viel höher als der geldmässige.» Viele der Personen, die am Samstag beim vierten Bestimmungstag in der Burg Zug allerlei Gegenstände mitbrachten, wollten einfach nur wissen, ob ihr Objekt etwas Spezielles oder billige Massenware darstellt.
Ein Mitbringsel der Besucherschaft wollen die Fachpersonen in der Burg Zug allerdings noch genauer unter die Lupe nehmen. Es handelt sich um einen grossen Steinbaukasten der Firma Anker. Solches Spielzeug war von 1861 bis 1963 erhältlich. Nach dem Ende der DDR fanden sich Investoren, die 1995 die Ankerwerke neu gründeten. Produktionsort für die Lego-Vorläufer war und ist Rudolstadt im deutschen Bundesland Thüringen.
Lego-Vorläufer könnten in die Sammlung kommen
Der Wert des Objekts ist nicht sehr hoch. Ein grosser Steinbaukasten ist online für etwas mehr als 100 Franken zu haben. Doch Leonie Meier sieht die komplett vorhandene Spielbox als eine wertvolle Ergänzung in der Kategorie «Alltagsgegenstände» für die Sammlung des Museums. Der Zuger Bezug fehle zwar, ergänzt Meier, doch sei solches Spielzeug nur in reichen Familien in Gebrauch gewesen. Wer das Spielzeug am Samstag den Fachleuten brachte, bleibt ein Geheimnis, bis der Steinbaukasten in die Sammlung der Burg Zug gelangt.
Leonie Meier und einer ihrer Arbeitskollegen sichteten die Mitbringsel des Publikums in einem ersten Schritt und wiesen deren Besitzer einem der sechs Experten zu. Deren zwei kümmerten sich um Kunsthandwerk. Dem Kunsthistoriker Manuel Kehrli präsentierte jemand ein auf einem grösseren Holzbrett aufgezogenes Gemälde. Darauf ist eine Frau – möglicherweise die Muttergottes – zu sehen.
Kehrli sagte, dass die Machart einem Altarbild des bekannten deutschen Malers Albrecht Dürer (1471–1528) entspreche. Schon im nächsten Satz relativierte der Kunsthistoriker. Auf Gemälden von Dürer wäre die Frau viel kleiner dargestellt. Was Kehrli aber sagen konnte: Das Holzbrett ist älter als das Frauenbild auf ihm. Einem Maler zurechnen, auch wenn Initialen sichtbar sind, sei schwierig. Die Internetrecherche brachte zu diesem Bild auch nichts Befriedigendes. Aber der Kunsthistoriker gab dem Bringer des Bildes immerhin ein paar Ratschläge.
Es gibt auch Menschen, die mit der Hoffnung zum Bestimmungstag kamen, für ihre Eigenrecherche entscheidende Tipps zu bekommen. In diese Kategorie gehört Otto Bucher aus Root. Aus kunsthistorischer Sicht mag das von ihm mitgebrachte kleine Bildchen – eine Ansicht von Meierskappel – von minderem Wert sein. Das kümmert Bucher nicht. Er hat eine Mission: Möglichst viele Informationen sammeln, die ihm bei der Ermittlung der Herkunft dienlich sind.
Gemälde aus einer dunklen Zeit im Norden
Oftmals sind die Überbringer der Gegenstände im Rahmen des vierten Bestimmungstages der Burg Zug erstaunt. Manuel Kehrli berichtete von Personen, die ein Landschaftsbild aus Bayern im Gepäck hatten. Auf dem Werk ist der Name Hermann Urban (1866–1948) sichtbar. Dieser amerikanisch-deutsche Landschaftsmaler machte in der Regierungszeit von Adolf Hitler gute Geschäfte. Die Bildbesitzer zeigten sich von diesem Expertenbefund überrascht.
Das Arbeitsumfeld des Kunsthistorikers Kehrli veränderte sich in den vergangenen Jahren rasant. Einerseits vereinfache das Internet seine Arbeit, andererseits funktioniere bei der digitalen Bildersuche das Hilfsmittel künstliche Intelligenz derzeit nur in Teilbereichen. Kehrli fügt an: «Mein Job wird nicht so schnell wegrationalisiert.» Miriam Weiss, die Kommunikationsbeauftragte der Burg Zug, erklärte, dass bis kurz vor Torschluss über 70 Personen erschienen waren. Das sind weniger als bei der letzten Veranstaltung im Jahre 2022. Das sei auf die Pandemie zurückzuführen. Diese hätte die Menschen vermehrt dazu bewogen, in der Wohnung, dem Keller und dem Estrich nach dem Rechten zu sehen – und so Funde zu machen. (Text von Marco Morosoli)