Bewilligung läuft bald ab – muss die «Seesicht» jetzt weg?
Kunst & Baukultur
Das Kunstwerk «Seesicht» ist aus Zug eigentlich nicht mehr wegzudenken. Nur: Die Bewilligung ist befristet und läuft bald aus. Nun appelliert das Kunsthaus an die Stadt.
Zug – Am 30. Mai 2015 erhielt die Stadt Zug eine neue Perspektive: die «Seesicht» wurde feierlich eingeweiht. Seither steht sie an ihrem Platz am Zugersee bei der Rössliwiese, die begehbare Skulptur des Künstlers Roman Signer. Die geschlossene Treppe führt fünf Meter unter die Wasseroberfläche, auf einer Plattform unten durch eine grosse Scheibe kann man die Fische beobachten und hat eben «Seesicht», mit trockenen Füssen. Allerdings: Die Bewilligung ist auf zehn Jahre begrenzt, läuft folglich Ende Mai 2025 ab. Stellt sich die grosse Frage: Wie weiter?
Diese Frage beschäftigt natürlich auch die Verantwortlichen beim Kunsthaus Zug, das im Besitz des Werkes ist. Direktor Matthias Haldemann bestätigt auf Anfrage, dass die Bewilligung anfangs Sommer ausläuft und die Zukunft der «Seesicht» derzeit ungewiss sei. «Wir haben vor einiger Zeit die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass die Bewilligungsfrist endet. Nun laufen Abklärungen.» In den vergangenen zehn Jahren habe das Kunsthaus täglich die Türe auf- und zugeschlossen, für Unterhalt und Sicherheit gesorgt; nun hoffe man, dass die Stadt Zug den Weiterbetrieb der Seesicht ermögliche.
«Seesicht» zieht sogar Touristen an
Haldemann ist guter Dinge, dass man eine Lösung findet. Er verweist auf andere Kunstwerke in Zug, die vom Kunsthaus realisiert wurden und nun von der Stadt unterhalten werden, so die Holzstege des Künstlers Tadashi Kawamata beim Burgbach, auf dem Landsgemeindeplatz und beim Brüggli. Dieser Holzsteg und auch die «Seesicht» sind in der Bevölkerung sehr beliebt. Die «Seesicht» sei inzwischen so öffentlich geworden und so gut frequentiert, «dass es schön wäre, würde sich die Stadt am Unterhalt etwas mehr beteiligen», sagt Haldemann. Laut Schätzungen steigen pro Jahr 10’000 Personen das Kunstwerk hinunter, das mittlerweile längst auch ausserhalb der Kantonsgrenzen ein Begriff ist; Bilder des Kunstwerkes mitten aus Zug würden breit publiziert, dieses sei auch bei Touristen beliebt. «Wir haben sogar extra die Öffnungszeiten angepasst, damit diese übereinstimmen für die Cartouristen.» Auch Familien oder Kunstfreunde schätzten das Kunstwerk, «es gehört irgendwie zu Zug». Auch Künstler Roman Signer, der schon als junger Mann eine Unterwasser-Installation habe realisieren wollen, «würde sich sicher freuen, wenn seine Seesicht in Zug bleiben dürfte».
Stadtpräsident will die Seesicht erhalten
Signer und Haldemann und überhaupt alle Seesicht-Fans dürfen guter Dinge sein, dass das Kunstwerk erhalten bleibt: Die Stadtverwaltung möchte das nämlich ebenfalls, wie Stadtpräsident André Wicki auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt: «Roman Signer ist einer der wichtigsten Schweizer Künstler unserer Zeit und es ist eine Ehre für Zug, dass die ‹Seesicht› bei der Seeuferpromenade steht.» Die «Seesicht» sei ein zentrales Element der Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zug. «Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Kunstwerk eine unbefristete Bewilligung erhält.» Mittlerweile gehöre die Skulptur zum Stadtbild, «alle erfreuen sich daran. Es ist nicht nur ein Publikumsmagnet, es ist auch ein Ort der Ruhe, wenn man sich unten im See befindet. Ich wünsche mir, dass uns die ‹Seesicht› für immer erhalten bleibt», sagt André Wicki.
So weit die emotionale Sicht des Stadtpräsidenten; nun gilt es, Bürokratisches zu erledigen. Aktuell überprüfe das Baudepartement eine Verlängerung respektive eine neue Baubewilligung. Da es sich um eine Baute im See handle, könne eine Bewilligung «nur mit Zustimmung des kantonalen Amts für Raum und Verkehr und der weiteren betroffenen kantonalen Fachstellen erfolgen», führt Wicki weiter aus. Schlussendlich werde der Stadtrat über die Baubewilligung entscheiden. Offen sei derzeit, wann dazu ein kommunizierfähiger Beschluss vorliegen wird.
«Es müssen nicht immer Big Pictures sein»
Die Chancen aber stehen wohl gut, dass die Seesicht von Signer bleibt. Mit dem 87-jährigen Ostschweizer Künstler pflegt das Kunsthaus Zug eine langjährige Beziehung. Kunsthausdirektor Haldemann imponiert, dass es bei Kunst im öffentlichen Raum eben die Kunst sei, dass man nicht davon ausgehen dürfe, sich an ein Kunstpublikum zu wenden, sondern an eine breite Öffentlichkeit – dies sei bei der «Seesicht» hervorragend gelungen. Haldemann gefällt an der Skulptur weiter, dass sie «je nach Wetter, Licht, Temperaturen, Algenbefall oder der Grösse der vorbeischwimmenden Fische» eine unterschiedliche Wirkung erzeuge. «Sie sensibilisiert die Wahrnehmung der Besuchenden. Vielleicht schätzt man plötzlich die kleinen Dinge, etwa ein im Wasser aufsteigendes Luftbläschen, das man entdeckt. Es müssen nicht immer Big Pictures sein.»
Die «Seesicht» funktioniert nur im Zugersee
Keinen Plan B gibt es, sollte die «Seesicht» wider Erwarten doch nicht im Zugersee an ihrem Ort bleiben können. «Das Werk ist genau für diesen Ort konzipiert worden, an einem anderen Ort ergibt es keinen Sinn. Es referenziert zum Beispiel auch auf die Vorstadtkatastrophe. Trümmer der im See versunkenen Häuser liegen in Sichtweite der Seesicht, die auch ein stilles Denkmal an diese Katastrophe ist. Ich hoffe wirklich, dass das Kunstwerk weiterhin willkommen ist.»
Werke von Roman Signer sind zurzeit im Schaudepot des Kunsthaus Zug (Kunstcluster Zug) im Rahmen der Sammlungsausstellung zum Thema Skulptur zu sehen. Signer wird im Frühling eine grosse Einzelausstellung im Kunsthaus Zürich haben.
(Text: Martin Messmer)