«Hier soll ein kulturelles Biotop entstehen»
Dies & Das
Dino Sabanovic hat Anfang Jahr die Leitung des Zuger Kulturzentrums Galvanik übernommen.
Zug – Sie sind in Zug aufgewachsen. Welche Bedeutung hatte die Galvanik in Ihrer Jugend?
Dino Sabanovic: 2008 wollte ich unbedingt meinen 16. Geburtstag hier feiern. Schon davor wollte ich immer einmal in die Galvanik gehen, durfte aber noch nicht. Dann ist das Gebäude etwa eine Woche vor meinem Geburtstag abgebrannt.
Sie liessen sich offensichtlich nicht abschrecken. 2016 sind Sie als Booker zum Team gestossen.
Ich erinnere mich, wie ich den Wiederaufbau über die Webcam mitverfolgt habe. Nach der Neueröffnung 2011 wurde ich bald Stammgast. Wir hatten einen Proberaum für unsere Band bekommen, und ich begann, Veranstaltungen zu organisieren. Ich bin dann in den Vorstand gerutscht und habe die Stellvertretung der damaligen Bookerin übernommen. Der Einstieg war also fliessend.
Per 1. Januar 2025 haben Sie die Leitung der Galvanik übernommen, nach einem Jahr als Stellvertreter. Klingt nach einer geradlinigen Karriere.
Es war nicht so, dass ich von Anfang an das Ziel hatte, die Leitung zu übernehmen. Als ich die Stelle als Booker bekommen hatte, dachte ich: wow. Ich konnte Fuss fassen in der Kultur- und Musikszene, mir ein Netzwerk aufbauen, in verschiedene Bereiche hineinsehen. Nach mehreren Jahren als Booker habe ich mir aber schon auch Gedanken gemacht, ob es Zeit für etwas Neues ist.
Es hätte also auch anders kommen können?
Ja. Ich habe mich umgeschaut, auch spannende Optionen bei grösseren Konzertagenturen gefunden. Für mich war aber bald klar: Wenn ich mich in der Galvanik weiterentwickeln kann, dann mache ich das. Hier kann ich Führungserfahrung sammeln, das Haus mitgestalten. Gleichzeitig kenne ich das Umfeld. Wir haben ein tolles Team mit viel Drive. Die Möglichkeiten in der Galvanik schienen mir am Ende einfach spannender.
Kyros Kikos, der frühere Leiter und Ihr Vorgänger, hörte nach einem Jahr bereits wieder auf. Warum?
Die Galvanik hat in den vergangenen 18 Monaten einen Transformationsprozess durchlaufen, welcher einige personelle Anpassungen zur Folge hatte. Kyros Kikos stiess mitten in diesem Prozess hinzu und konnte aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen wichtige Inputs einbringen und den Betrieb in dieser Entwicklung unterstützen. Jedoch kamen im vergangenen Jahr externe Faktoren hinzu, welche diesem Prozess eine neue Wende gaben.
Wie meinen Sie das?
Trotz stabiler Besucherzahlen ging der Barumsatz in kürzerer Zeit stark zurück. Das Freizeitverhalten der Bevölkerung, insbesondere der jüngeren Personen, hat sich seit Corona verändert. Für grössere Projekte, die mit der neuen Leitung hätten angerissen werden sollen, fehlten plötzlich die Mittel. Gemeinsam wurde mit Kyros Kikos erkannt, dass die Galvanik im Moment einen anderen betrieblichen Fokus benötigt und die grösseren Projekte verschoben werden müssen. Entsprechend wurde die Zusammenarbeit im Einvernehmen wieder aufgelöst.
Sinkende Bareinnahmen? Hat die Galvanik finanzielle Probleme?
Der sinkende Barumsatz ist eine Entwicklung, mit der sehr viele Clubs zu kämpfen haben. Wir mussten darum einige Sparmassnahmen treffen, haben glücklicherweise aber auch Beitragserhöhungen von der Stadt Zug und dem Kanton erhalten. Heute sind wir finanziell stabil aufgestellt. Aber auch wir müssen wirtschaften und uns fragen: Was ist nötig, was nicht? Grössere Experimente müssen wir anders aufgleisen und neue Wege der Finanzierung suchen.
Was hat sich sonst noch verändert in der Galvanik, seit Sie dabei sind?
Der Betrieb hat sich stark professionalisiert in den letzten zehn Jahren. Das Haus ist erwachsen geworden. Wir können heute auch grosse, professionelle Produktionen stemmen. Als ich angefangen habe, hiess es, Partys funktionieren, aber ausverkaufte Konzerte seien unmöglich. Mittlerweile passiert das aber mehrmals im Jahr.
Ist mit der Professionalisierung auch etwas Unbekümmertheit verloren gegangen?
Es ist eine Gratwanderung. Wir haben Leistungsvereinbarungen, bekommen Subventionen. Das ermöglicht auch viel. Ich habe aber nach wie vor das Gefühl, die Galvanik sei ein grosser Spielplatz. Wir haben viel Narrenfreiheit.
Schauen wir nach vorne. Wie soll sich der Ort entwickeln?
Mein Wunsch ist es, das Haus mehr für die Bevölkerung zu öffnen. Die Galvanik soll zu einem Begegnungsort werden, zu einer «Kulturbeiz». Die Leute sollen sich hier unabhängig von einer Veranstaltung treffen, verweilen und diskutieren können. Es sollen unterschiedliche Milieus, unterschiedliche Bubbles, aufeinandertreffen. Diese Möglichkeit bieten wir aktuell kaum.
Wie ist es denn heute?
Momentan kommen die Leute oft nur punktuell hierher, um Kultur zu konsumieren. Wir kämpfen auch immer noch damit, dass wir als geschlossener «Kuchen» wahrgenommen werden. Das soll sich ändern. Hier draussen soll eine wuchernde Kulturszene entstehen, ein brodelndes kulturelles Biotop.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir wollen das Haus stärker nutzen, auch mit neuen Veranstaltungen. Im Frühling gab es zum Beispiel eine Fotoausstellung über Belgrad, im Sommer ein Public Viewing zur EM, im Winter eine politische Veranstaltung zur Zuger Steuerpolitik. Auch Lesungen soll es mehr geben. Ausserdem müssen wir die Identifikation mit dem Haus stärken, und zwar durch Partizipation, durch Mitwirkung.
Gibt es konkrete Pläne?
Partnerveranstaltungen, wie es sie bereits gibt, möchten wir weiter stärken. Das müssen wir den Leuten schmackhaft machen: «Ihr könnt das Haus mitgestalten, ihr könnt Teil des Hauses sein.» Je nach Notwendigkeit können wir auch Unterstützung bei der Organisation eines Events bieten. Kultur soll meiner Meinung nach kein reines Konsumprodukt sein.
Besteht da nicht die Gefahr, dass die Galvanik zum Gemischtwarenladen verkommt?
Ich glaube nicht. Die Galvanik hat einen eigenen Charakter und zieht Leute an, die diesen Charakter schätzen. Ausserdem haben wir immer noch den Hebel in der Hand. Veranstaltungen müssen auf jeden Fall mit unserer Wertehaltung übereinstimmen, das ist klar.
Könnte die Lage zum Problem für die Vision eines Begegnungsortes werden? Die Galvanik liegt etwas ausserhalb des Zentrums.
Wir sind verwöhnt. Ich glaube nicht, dass wir zu weit weg sind. Das Problem ist eher, dass wir neben der jeweiligen Veranstaltung keine Alternativen bieten. Man kann nicht einfach ein Bier trinken, wir sind ja eigentlich keine Bar. Wenn wir diese Möglichkeit bieten könnten, dann würde es spannend werden. Was aber auf jeden Fall fehlt, ist Laufkundschaft. Wir müssen die Leute zu uns holen.
Das könnte sich ändern, sollte dereinst das lange geplante Stadtquartier Äussere Lorzenallmend realisiert werden.
Ja, wenn die Galvanik dabei von Anfang an mitgedacht wird, dann sehe ich das als Chance. Wir vertrauen hier auf die politischen Amtsträgerinnen und Amtsträger, dass wir frühzeitig miteinbezogen werden. Denn ich bin überzeugt, dass wir eine kulturintegrierte Stadtentwicklung brauchen.
Zug ist nicht gerade als Kultur-Hotspot bekannt.
Heinz Tännler, der Finanzdirektor unseres Kantons, hat kürzlich einmal gesagt: «Zug ist und bleibt ein Wirtschaftskanton.» Die Galvanik fühlt sich für mich vor diesem Hintergrund tatsächlich ein bisschen wie ein Pièce de Résistance an. Aus diesem Grund sehe ich unsere Chance auch darin, eine Plattform zu gesellschaftlich und politisch wichtigen Themen zu sein. Themen, welche die Zugerinnen und Zuger beschäftigen.
Dazu kommt die Konkurrenz. Zürich ist nah, Luzern ebenfalls.
Ja, die Dichte an Kulturhäusern ist gesamtschweizerisch sehr hoch. Ich glaube, man muss sich abheben. Einfach ein weiteres Konzerthaus zu sein, das reicht längst nicht mehr. Wir können auch nicht mit den Konzerthäusern in den grossen Städten konkurrieren.
Wo sehen Sie die Stärke der Galvanik?
Die liegt meiner Meinung nach in unserer Diversität. Das Haus mit seinen verwinkelten Räumlichkeiten, die ganz unterschiedlich eingerichtet und genutzt werden können, bietet sich für ganz unterschiedliche Veranstaltungen an: Theater, Kleinkunst, Lesungen, Performances, Workshops, Konzerte. Wir können praktisch alles möglich machen. (Interview: Tobias Söldi)
Hinweis
In dieser Serie interviewen wir verschiedene Persönlichkeiten aus Zug zum Jahreswechsel.