Erste Terrassenhäuser der Schweiz
Art & Architecture
Heute wird im Stadtraum verdichtet gebaut. Ein Foto aus dem Jahr 1962 zeigt, dass die Idee keineswegs neu ist.
Zoug – Die ersten Terrassenhäuser der Schweiz wurden 1960 in Zug gebaut. Gerade heute liefern sie einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Forderung nach verdichteten Wohnkonzepten! Ein Blick auf das Foto aus dem Jahr 1962 zeigt, dass Terrassenhäuser sehr hohe architektonische Qualitäten entfalten können. Für deren Planung ist das Architektenduo des jüngst verstorbenen Fritz Stucky und Rudolf Meuli verantwortlich.
Schauen wir jedoch auf die heutige Aufnahme, verdecken hohe Bäume im Vordergrund die Sicht auf die äusserst gelungenen Terrassenhäuser, und Wohn- und Geschäftshäuser mit banaler Architektur sind an den Fuss des Hanges gerückt. Offensichtlich steht das Wohn- und Geschäftshaus aus dem Jahre 1987 nicht für dieselbe Innovationskraft wie die Terrassenhäuser.
Die Abbildung aus den 1960er-Jahren zeigt klar die Terrassenhäuser im Hang. Linkerhand begrenzt durch Wald und rechts gesäumt durch Bäume. In der Ferne ist die Rigi zu sehen. Am Fuss des Hanges sind zwei pavillonartige Systembauten der Architekten Stucky und Meuli zu erkennen. Neuartig daran war, dass ganze Raumelemente fertig geliefert wurden und bei Bedarf einfach wegtransportiert werden konnten. Die beiden Architekten konzentrierten sich später mit internationalem Erfolg und weltweiten Patenten auf Vorfabrikationen.
Interessanterweise entstanden Terrassenhäuser weniger aufgrund gestalterischer Absichten, sondern auch unter dem Einfluss rechtlicher und wirtschaftlicher Überlegungen. Das Stockwerkeigentum gab es damals noch nicht, und die Architekten umgingen den aus juristischer Sicht blinden Fleck mit einer innovativen Idee: Durch die teilweise Nutzung des Daches der jeweiligen Nachbarwohnung konnten sie auf einer Landfläche von nur 50 Quadratmetern eine dreimal so grosse Wohneinheit mit Aussenfläche planen. Prägende Elemente der Architektur sind selbstverständlich die Terrassen, die mit schräg auskragenden Brüstungen nirgendwo das Terrain berühren. Sie schützen die Bewohner vor neugierigen Einblicken in den privaten Wohnraum und machen den so gewonnenen Aussenraum maximal nutzbar.
Stucky absolvierte 1950 beim «Architekturpapst» Frank Lloyd Wright (18671959) in Phoenix, Arizona (USA), ein Fellowship. Dort machte sich Stucky mit Wrights architektonischer Handschrift vertraut. An unserem Beispiel lässt sich ein zentrales Anliegen von Wright wiedererkennen, indem die Natur in die Wohnräume einbezogen ist.
Ähnliche übergeordnete Überlegungen fehlen beim Wohn- und Geschäftshaus, das auf der heutigen Abbildung an der Industriestrasse steht. Die Tatsache, dass sich die Stadt bis an den Fuss des Hanges verdichtet, wäre an sich kein Problem. Vielmehr fehlt es an innovativen Ansätzen, wie die Stadt wachsen und in welcher Form die Architektur einen Beitrag für die Stadt leisten kann. Es geht zum Beispiel um die Frage, in welchem gegenseitigen Verhältnis der private zum öffentlichen Aussenraum steht. Das heutige Foto zeigt uns, was in den 1980er- und 1990er-Jahren geschehen ist: Die Architektur der neueren Bauten und der öffentliche Aussenraum entstanden mit wenig gestalterischem Interesse. In der Ebene musste die Wiese Strassen und Parkplätzen weichen. Zwölf Parkverbotsschilder wehren sich erfolglos gegen abgestellte Autos. Im Vordergrund versuchen unzerstörbare Pfosten aus Chromstahl, die Blechlawinen vom Parkieren auf dem Trottoir abzuhalten. Die Firmenwegweiser sind grösser als die Schilder mit den Strassennamen. Die Strasse und ihr Mobiliar dominieren den Bildvordergrund. Das einzige beruhigende Element sind die hohen Bäume, die den von Autos beherrschten Aussenraum menschenfreundlicher machen. Die heutige Fotografie ist selbstredend. (Roman Brunner)
HinweisDie «Neue Zuger Zeitung» begleitet «Zeitbild», die Plakatausstellung von DNS-Transport Zug in Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug und der Stadt Zug.