Der Ball fliegt hin und her – auch im Leben
Literatur & Gesellschaft
Der neue Roman des Zentralschweizers Thomas Heimgartner nimmt Tischtennis zum Aufhänger einer fein gesponnenen Tochter-Vater-Story.
Zug – Sagt man nun Pingpong oder Tischtennis? Letzteres befürworten diejenigen, welche das Spiel als Sportart ernst nehmen. Und dafür gibt es gute Gründe. Denn ambitioniert gespielt, stellt es technisch und mental hohe Ansprüche. Der in Zug aufgewachsene und heute in Luzern lebende Autor Thomas Heimgartner gehört offensichtlich zur «Tischtennis»-Fraktion, zumal er den Sport selber auch betreibt. Ob ich ihn vielleicht zu einem Match herausfordern soll? Dazu später mehr.
Obwohl im Roman oft von «Tischtennis» die Rede ist, heisst sein Titel «Ping». Damit schwingt nicht nur das lautmalerische «Pingpong» mit, sondern auch die allegorische Seite eines Spiels, das man als kommunikatives Hin und Her zweier Menschen sehen kann. In diesem Fall zwischen einem Vater und seiner Tochter.
Verpasste Chancen in der Jugend?
Vater Ralph erzählt aus seiner Jugend, wo er das Pingpong-Spiel im Freundeskreis pflegte. Zwei Mädchen spielen darin eine Rolle: Olivia, die er toll findet. Und die ihm, als sich in der Gruppe Pärchen bilden, vorschlägt: «Wir bleiben einfach Kumpel, oder?» Ralph ist nicht fähig, das offene «oder?» in eine amouröse Initiative umzusetzen.
Das andere Mädchen – ein weiterer Bezug zum Buchtitel – heisst Ping, ist mit ihrer chinesischen Familie ins Quartier gezogen und beobachtet das Geschehen um den Tischtennistisch von weitem. Ralph ist fasziniert von ihr, doch eine Kontaktnahme scheitert spektakulär.
Olivia und Ping: Verpasste Chancen? Viele Jahre später scheitert Ralphs Ehe, er verlässt die Familie, zieht ins ferne Ausland. Doch vor allem Ping beschäftigt ihn weiter. So bringt er seine Tochter ins Spiel. Sie, inzwischen erwachsen und Journalistin, soll für ihn recherchieren, ob aus Ping eine internationale Tischtennismeisterin geworden ist, wie er es sich zusammenfantasiert.
Verständlich, dass sie dafür wenig Interesse hat. Vielmehr möchte sie den Vater zu seinem Leben befragen, etwa zu seinen Entscheidungen, die auch ihr Leben stark beeinflusst haben. So versucht sie ihn zu stellen, hält ihm dagegen, wie in einem Tischtennismatch. Dabei erfährt man einiges über sie, von Kindheitserinnerungen bis zu ihrer aktuellen Beziehung mit einem Mann, der erstaunlich ähnlich heisst wie ihr Vater.
Erstaunlich ist auch, wie viel Thomas Heimgartner auf knapp 100 eher luftig betexteten Seiten erzählen kann. Zwar hätte man nach der Lektüre schon Lust, die beiden Hauptfiguren noch weiterzuverfolgen. Oder auch zu erfahren, wie es etwa Olivia oder Ping ergangen ist. Aber es ist eine vollwertige Romanhandlung. Was in dieser Knappheit nur gelingt, weil gekonnte Aussparung die Lesenden anregt, die Lücken selber zu füllen.
Vom Schupfball über Topspin bis zum Rundlauf
Und es ist umso bemerkenswerter, weil Heimgartner seinen Text nicht nur in die zwischenmenschlichen Geschichten investiert und Pingpong als reine Allegorie benützt. Sondern das Spiel selber mit grossem Interesse behandelt. Da geht es ganz konkret um den Schupfball als Basistechnik der meisten Anfänger, um Unterschnitt, Topspin, um den chinesischen «Penhold»-Stil, wo man den Schläger ähnlich einem Füller hält, Schlägerbeläge oder um den Rundlauf mit vielen Beteiligten, an den wohl viel von uns spassvolle Erinnerungen haben. Thomas Heimgartner kommt offensichtlich draus. Und hat auch tolle Gedanken dazu. Etwa, dass das lautmalerische «Pingpong» gar nicht stimmt. Sondern zusammen mit dem verzögerten Geräusch des Tischplattenaufpralls eher wie Herzschläge klingt.
Ach ja, das Match gegen ihn. Ich habe dann darauf verzichtet. Aus Feigheit bzw. Furcht vor einer deftigen Niederlage.
Thomas Heimgartner: Ping. Edition Bücherlese. 110 Seiten.
(Text: Arno Renggli)