Abstrahierte Dreifaltigkeit
Kunst & Baukultur
Mit seinen Wandbildern in der Kirche Oberwil sorgte Ferdinand Gehr Ende der 50er-Jahre für einen Eklat. Trotzdem erhielt er weitere Aufträge im Kanton Zug. So eindrucksvoll wie schlicht sind seine Bilder in der Johanneskirche.
Zug – Es war geradezu beispiellos, wie die Empörung über die Wandbilder in der Oberwiler Pfarrkirche Bruder Klaus Wellen schlug. Abstrahierte Engel, ein Christus direkt unter dem Volk die Darstellungen und deren für die 50er-Jahre ungewohnte Aufmachung stiessen auf grossen Widerstand. Nur dank eines Kompromisses, die Malereien für eine bestimmte Zeit zu verhüllen, konnte Gehr seine Arbeit vollenden.
Der 1896 in Niederglatt geborene Künstler gilt als einer der populärsten Schweizer Kirchenmaler des 20. Jahrhunderts. Und trotz des Eklats in Oberwil, erhielt Gehr auch danach noch mehrere Aufträge im Kanton Zug. So malte er 1962 ein Wandbild im Hotel Ochsen in Zug. Auch von ihm gemalte Glasfenster sind hier zu finden und ebensolche im Stadtratssaal des Stadthauses sowie im Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn.
Selbst mit einem gleichartigen Auftrag wie in Oberwil betrauten die Zuger den Künstler: Er sollte die 1971 eingeweihte Kirche St. Johannes im Zuger Hertiquartier mit Wandbildern ausstatten. Es entstand ein mehrteiliger Zyklus, der das Thema der Dreifaltigkeit auffasst. Er zeigt den Heiligen Geist und die ewige Wahrheit, die Eucharistie, Christus und die Menschen und Gottvater und die Schöpfung. Im Vergleich zu Oberwil erweisen sich die Malereien in der Johanneskirche als mehrheitlich symbolhaft und sehr abstrakt. Der jeweilige Bildinhalt wird mit holzschnittartigen Formen dargestellt. Motive wie Wolken, Altarutensilien oder Blumen werden stark stilisiert und mit einer rudimentären und nüchternen Formensprache wiedergegeben. Doch darin lag Ferdinand Gehrs Bestreben: durch grösste Vereinfachung der Form und mit farblicher Leuchtkraft die Mysterien des Glaubens für den Betrachter erfahrbar zu machen.
Anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens im Dezember 1996 suchte die Pfarrei St. Johannes ein neues Pfarreisignet. Sie wurde fündig mit einem aussagekräftigen Ausschnitt im Zyklusteil «Christus und die Menschen». Ferdinand Gehr starb 1996 im hohen Alter von 100 Jahren. (Andreas Faessler)
HinweisMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.