Es knarrt im Gebälk
Kunst & Baukultur, Dies & Das
Die «Gwürzi» soll eine neue Trägerschaft erhalten. Damit will die Stadt Zug für eine schlankere Organisation und eine grössere Ausstrahlungskraft sorgen. Das behagt nicht allen.
Zug – Dieser Artikel erschien in der Mai-Ausgabe 2024. Hier geht es zu den weiteren Artikeln.
25 Jahre ist es her, dass in der Gewürzmühle am Rande der Stadt Zug Zimt, Nelken und Muskatnuss gemahlen und gelagert wurden. Nach der Einstellung des Fabrikbetriebs entwickelte sich hier ab dem Jahr 2000, an erstaunlich idyllischer Lage direkt am Bach, ein Raum für Kultur. Ateliermieter*innen schätzen die Ruhe sowie das Grün, das bewusst nur dann gezähmt wird, wenn es unbedingt sein muss. Die Lorze, die gleich nebenan fliesst, scheint der Inspiration zuträglich zu sein.
Neben dem Verein Atelierhaus Gewürzmühle ist auch der Verein Kulturhaus Gewürzmühle hier beheimatet. Dieser wurde 2012 gegründet und bietet Kulturschaffenden einen Raum, um sich zu präsentieren – etwa mit Laientheater, Kulturcafé, Lesungen oder Jazzkonzerten. Damit verbunden ist auch ein Bistrobetrieb. Im Nebenhaus der Gewürzmühle sind die beiden Theatervereine «die Kulisse Zug» und «Zuger Spiillüüt» eingemietet. So weit, so idyllisch mutet das alles an. Doch im Gebälk der Gewürzmühle und ihren komplizierten Strukturen knarrt es. Die Stadt Zug, die Besitzerin der Liegenschaft, will die Organisation vereinfachen und im Zuge dessen auch genauer hinschauen, wie das kleine Kulturhaus besser genutzt werden kann. Dies wird zweifellos zu Veränderungen führen.
Iris Weder, Leiterin der Abteilung Kultur der Stadt, sagt dazu: «Wir haben während der Erarbeitung der Kulturstrategie vor drei Jahren gemerkt, dass Kulturräume fehlen. Entsprechend nahmen wir die Kulturlandschaft und die bereits bestehenden Kulturräume genauer unter die Lupe. Dabei haben wir gemerkt, dass bei der Gewürzmühle unausgeschöpftes Potenzial besteht.»
Mit Abstand und transparent
Die Stadt hofft, dass der Betrieb sowie das Programm durch eine klare Vision und konkretere Ziele offener und auch dynamischer wird. Weiter hofft Weder, mit einer professionellen Struktur mehr finanzielle Mittel generieren zu können und damit etwa die Kommunikation nach innen und aussen zu stärken. «Die Mitglieder der neuen und einzigen Trägerschaft wirken nur noch im strategischen Bereich und sind selbst nicht wie bisher operativ oder in einem Atelier in der ‹Gwürzi› tätig», erklärt sie weiter. «Damit können Entscheidungen ohne Interessenkonflikt einfacher und transparent gefällt werden.» Iris Weder gibt zudem zu bedenken: «Der Pioniergeist der Ateliermieter*innen ist nach 20 Jahren, in denen alles selbst verwaltet, geputzt und unterhalten wurde, etwas erloschen.» Solche Arbeiten extern zu vergeben, sei jedoch nicht möglich. «Dies schlicht, weil es an finanziellen Mitteln mangelt. Von der Stadt Zug erhält die Gewürzmühle 2024 einen Beitrag von 45 000 Franken. Der Beitrag des Kantons bewegt sich im ähnlichen Rahmen. Damit lässt sich kein professioneller Betrieb führen.» Weiter verortet Weder innerhalb der Gewürzmühle Interessenkonflikte. «Die Ateliermieter*innen wollen möglichst in Ruhe arbeiten und möglichst keine Kinder auf dem Gelände. Zudem wünschen sie sich uneingeschränkten Zugang zum Bistro, welches ihnen als Küche und Aufenthaltsort dient», sagt Weder. «Da ist der Konflikt mit dem Verein Kulturhaus vorprogrammiert.»
Mehr Öffentlichkeit gefragt
Jeannette Weiss kann Weders Aussagen bestätigen. Die Kultur-Koordinatorin, deren Auftrag es ist, dafür zu sorgen, dass die Gewürzmühle belebter wird, ist mit einem 30-Prozent-Pensum beim Verein Kulturhaus angestellt. 2022 hat sie für die Neulancierung des Bistros die Betreiber der Buvette Quai Pasa ins Boot geholt. Die GmbH hat sich in den letzten Jahren in Zug sowohl in der Gastronomie wie auch als Kulturveranstalter einen Namen gemacht.
Mitinhaber Jonas Mehr unterstützt seither auch die Programmierung der Kulturveranstaltungen in der «Gwürzi». Der Grund: «Die Gewürzmühle erhält von der Stadt Subventionen. Im Gegenzug müssen wir dafür sorgen, dass uns die Bevölkerung kennt. Wir brauchen mehr öffentliche Veranstaltungen», so Weiss.
So hat das Kulturhaus vor rund eineinhalb Jahren das Bistro wiederbelebt. Freitags bis sonntags können Gäste hier verweilen und sich verpflegen lassen. «Diese Veränderung sorgte für Spannungen mit der Ateliermieterschaft. Sie war sich bis dahin gewohnt, das Bistro jederzeit selbst nutzen zu können», sagt Weiss. «Auch hatten die Mieter*innen anfänglich Bedenken, dass die Gewürzmühle durch die vermehrten Veranstaltungen zur Partybude verkäme. Das hat sich natürlich nicht bestätigt.»
Jonas Mehr ergänzt: «Dennoch läuft in der Gewürzmühle heute deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren. Wir veranstalten donnerstags regelmässig Konzerte, auch in Zusammenarbeit mit der Niente-Jazz-Reihe. Es waren bisher schöne, gut besuchte Abende dabei.» Er gibt zu bedenken: «Unser Auftrag ist es, diesem Kulturhaus eine Identität zu verleihen. Das ist jedoch schwierig mit den beschränkten Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Entsprechend können wir Kulturveranstaltungen nur deshalb durchführen, weil viel Freiwilligenarbeit geleistet wird.»
Keine Verlängerung heisst Kündigung
Neben den genannten Punkten will die Stadt auch die verzwickte Organisation der Gewürzmühle angehen. Iris Weder dazu: «Verschiedene Organisationen rund um die Gewürzmühle haben Vereinbarungen mit unterschiedlichen Abteilungen der Stadt. Allein in der Gewürzmühle sind vier Vereine untergebracht, dazu kommen Untermietverträge, etwa zwischen dem Verein Kulturhaus und den Bistrobetreibern.» In Zukunft soll die gesamte Gewürzmühle von einer einzigen Trägerschaft koordiniert werden. Eine solche wird nun gesucht, unter anderem mithilfe einer Arbeitsgruppe. «Die dritte Sitzung liegt hinter uns. Ich bin guter Dinge, dass die neue Struktur ab Januar greifen wird.» Das Wort Umstrukturierung, welches über dem Haus hängt, sorgt insbesondere bei den Ateliermieter*innen für Bauchschmerzen. Denn Ende läuft der fünfjährige Mietvertrag zwischen der Kulturraum-Genossenschaft Prok und der Stadt Zug diesmal definitiv ohne Option auf Verlängerung aus. Den Mieter*innen wurde gekündigt. Dies mit der Aussicht, sich wieder bewerben zu können, sollten sie den künftigen Kriterien entsprechen.
Der Fundus darf bleiben
Die selbstorganisierte Mieterschaft, unter anderem mit Roma Inderbitzin und Agatha Imfeld, hat unterschiedliche Phasen in der Gewürzmühle miterlebt und mitgeprägt. Imfeld hat als Schneiderin und Kostümbildnerin in dieser Zeit einen gigantischen Fundus an Theaterkostümen geschaffen. Dieser befindet sich im Nebengebäude, romantisch erschlossen über eine kleine Brücke. Der Fundus kann bleiben. So viel ist bereits klar. «Was mit dem Nähatelier passiert, weiss ich jedoch nicht», sagt Imfeld, die finanziell auf diese Arbeit angewiesen ist.
Inderbitzin ist in der bildnerischen Kunst beheimatet. Die Ateliers beider Frauen zeugen von einer stetigen Auseinandersetzung mit der Kunst, aber auch mit dem Ort Gewürzmühle und ihrer gesamten Umgebung. Zu Anfangszeiten beteiligten sich die Ateliermieter*innen eigenständig am Umbau. «Da steckt sehr viel Fronarbeit drin und auch sehr viel Herzblut», so Imfeld. Heute trifft sich die Gemeinschaft zweimal jährlich zum Bau- und Putztag, unternimmt sporadisch Kunstschulreisen, isst zusammen. «Der Zusammenhalt untereinander und erweitert mit den zwei Theatergruppen ist zu einem grossen Teil dadurch entstanden, dass wir diese Infrastruktur aufrechterhalten», sagt Inderbitzin. Auch gegen aussen tritt die Ateliergemeinschaft wiederkehrend auf. Jährlich alternierend organisieren die Mieter*innen einen Tag des offenen Ateliers oder sind Teil der Kunstnacht.
Die Mieter*innen haben auch den Aussenraum von Anfang an massgeblich mitgeprägt. Vor fast 20 Jahren wurde ein Quittenbaum gepflanzt, der heute Früchte trägt. Insbesondere Werner Iten setzte sich dafür ein, dass Wildpflanzen gesetzt
wurden, und liess hinter dem Haus ein Biotop entstehen. «Er schuf eine Atmosphäre, in der Garten- und Wildpflanzen konkurrenzlos wachsen können», sagt Inderbitzin. Auch Tieren, ob wild oder gezähmt, gefällt es hier. Als Mimi, die allseits geliebte Atelierkatze, mit 18 Jahren starb, pflanzte die Ateliergemeinschaft zu ihrem Gedenken eine Eibe. «Gerade dass dieser Ort nicht von A bis Z durchorganisiert ist, macht für mich den Reiz aus. Die Nähe zur Natur gibt mir Rückhalt für mein persönliches Schaffen», sagt Inderbitzin. Für einige Mieter*innen ist es schwierig aushaltbar, nicht zu wissen, wer künftig bleiben darf und wer nicht. «Wir befinden uns quasi im luftleeren Raum», sagt Agatha Imfeld. Die Angst, ihr Atelier zu verlieren, ist begründet. «Die Atelierplätze werden nach den von der Trägerschaft erarbeiten Kriterien vergeben. Beispielsweise ein Zug-Bezug muss gegeben sein. Es können sich alle bewerben, die diesen Kriterien entsprechen», sagt Weder dazu. «Es gibt Ateliermieter*innen, die seit 20 Jahren in der Gewürzmühle arbeiten. Man kann keinen lebenslangen Anspruch auf ein städtisches Atelier erheben», sagt sie. «Ateliers in der Stadt Zug sind begehrt. Wir mussten einigen, auch jüngeren, Leuten absagen, die sich für ein Atelier in der Maria Opferung beworben hatten», sagt Weder. «Das ist gerade deshalb bedauerlich, weil wir diese jungen Kulturschaffenden gerne in unserer Gesellschaft behalten möchten.»
Wachstum und Wandel
«Wir stecken in einem spannenden Prozess», sagt Iris Weder. «Die Gewürzmühle ist eine Oase. Diese soll niederschwellig zugänglich sein. Sie soll transdisziplinär bespielt werden können und auch ein Experimentierraum sein.» Und abschliessend: «Es geht nicht darum, etwas zu zerschlagen, was über die Jahrzehnte gewachsen ist.» Viel eher gehe es darum, die heutigen, komplizierten Strukturen zu vereinfachen. «Und manchmal braucht es einen Wandel, wenn man eine Pionierinstitution professionalisiert. Das kann auch einen Schub geben. Vor allem, wenn wir mit einem überzeugenden Betriebskonzept mehr Mittel bekommen, damit der Betrieb professionell geführt werden kann.»
Text: Valeria Wieser