Realität und Fiktion verschmelzen

Brauchtum & Geschichte

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Im Museum Burg Zug wird der Unesco-Auftrag zur Wahrung unserer immateriellen Kulturgüter ernstgenommen. Die Geschichtenerzählerin Maria Greco aus Baar hilft dabei.

  • Auch der Gebärstuhl, ganz rechts im Ausstellungskasten, war Teil der Führung. Bild: Matthias Jurt (Zug, 2. 11. 2023)
    Auch der Gebärstuhl, ganz rechts im Ausstellungskasten, war Teil der Führung. Bild: Matthias Jurt (Zug, 2. 11. 2023)
  • Maria Greco. Bild: zvg
    Maria Greco. Bild: zvg

Zug – Was erwarten wir in einem Museum, wenn wir einen Gebärstuhl sehen, eine Kanone, ein Häubchen aus feinen Spitzen? Die meisten Besuchenden konsultieren wohl eine Tafel oder ein Tonband mit einer wissenschaftlichen Kontextualisierung. Was aber, wenn die Einordnung auch mit Sagen und Legenden geleistet wird? So zu erleben war das im Museum Burg Zug am letzten Sonntag.

«Sagen und Legenden waren lange verpönt und sind es zum Teil heute noch. Sie kamen in Verruf, sie würden einer ‹schwarzen Pädagogik› Vorschub leisten», erzählt die bekannte Sagenexpertin und Geschichtenerzählerin Maria Greco anlässlich der Führung durch die Sonderausstellung zum Thema «Geschichten sammeln». «Aber die Geschichten haben alle überlebt und ich bin überzeugt, sie werden noch lange weiterleben.»

Ein neuer Aufgabenbereich für Museen

Daran, dass die materiellen Kulturgüter Brücken in vergangene Welten schlagen, Verortung ermöglichen und Identitäten schaffen oder festigen, sind wir uns gewöhnt. Wie steht es aber um unsere immateriellen Kulturgüter? Traditionen und Praktiken wie das Geschichten- und Sagenerzählen? Seit 2008 erkennt die Schweiz das Unesco-Übereinkommen zur Bewahrung dieser immateriellen Kulturgüter offiziell an, womit die Museen einen neuen Aufgabenbereich zugeteilt bekamen.

Ernst genommen hat diesen Auftrag Myriam Kärvas Hildbrand, Leiterin Bildung und Vermittlung am Museum Burg Zug: «In meiner Rolle möchte ich den Besuchern gerne vermitteln, dass materielles und immaterielles Kulturerbe zwei Seiten einer Medaille abbilden. Wir tun gut daran, beides zu pflegen und sie nicht gegen­einander auszuspielen, sondern sie zueinander in Beziehung zu setzen, um Räume für Innovation, Kreativität und gegenseitigen Respekt innerhalb des weiten Felds des Kulturerbes zu schaffen.»

Gerade im heutigen digitalen Zeitalter spielten immaterielle Kulturgüter wie Geschichten und Traditionen eine grosse Rolle, zeigt sich Kärvas überzeugt: «In der digitalen Welt existiert eine derartige Fülle an Informationen, in der nur noch Algorithmen die Übersicht behalten. Wir brauchen aber als Menschen eine Ordnung, denn ohne sie versinken wir im Chaos und in der Sinnlosigkeit. Immaterielle Kulturgüter, wie auch Sagen und Geschichten im Besonderen, geben uns einen Orientierungsrahmen, wir können uns einordnen und unser Dasein bekommt Sinn.»

Aus Liebe dazu die Sagen in Dialekt übersetzt

Maria Greco freut sich, dass sie in der Zuger Burg Zuger Sagen und Legenden erzählen darf: «Seit vielen Jahren bin ich landauf und landab als Sagen- und Geschichtenerzählerin unterwegs. Es ist mir sehr wichtig, diese Geschichten zu erzählen, damit sie nicht vergessen gehen. Ich könnte sie nicht erzählen, wenn ich diese nicht so gern bekommen hätte.» Aus diesem Grund habe sie die heimischen Sagen 2009 auf Zuger Mundart übersetzt und neu herausgegeben. «Mundart, weil man diese früher ja auch mündlich in Mundart überliefert hat.»

Sie erzählt hauptsächlich für Erwachsene. Aber auch Junge erfreuten sich an diesen Geschichten. Immer wieder dürfe sie diese auch für Schulklassen vortragen. Gerne ergänze sie die Geschichten jeweils, wo es möglich sei, auch mit wissenschaftlichen Fakten und ver­mische es. So, dass sich die Fiktion manchmal nicht mehr so einfach von der Realität unterscheiden lasse. Ein Er­lebnis sei es, wenn immer möglich, vor der passenden Kulisse zu erzählen.

Wie zum Beispiel vor dem eingangs erwähnten Gebärstuhl. Die Sage dazu? Selber hingehen und hinhören, man wird die Geschichte so schnell nicht mehr los. Garantiert. (Text von Thomas Schaffner)