Ohne Gugge und trotzdem laut
Brauchtum & Geschichte
Bei schönstem Wetter zog der traditionelle Greth-Schell-Umzug in Zug Hunderte Schaulustige an. Fünf Beobachtungen eines Neulings.
Es geht auch ohne Guggen
Von der Terrasse des Theater Casinos Zug erklingen am Güdelmontag um 16 Uhr keine kakofonen, schrägen Guggen-Töne. Im Gegenteil: Hier wird harmonisch und sauber musiziert, genauso, wie es die Notenblätter und der Dirigent vorgeben. Während die Blasmusik der Zunft der Schreiner, Drechsler und Küfer – die Trägerschaft des Brauchs – ihre lüpfigen Märsche zum Besten gibt, versammelt sich unten auf dem Platz vor dem Casino und auf der teilweise gesperrten Strasse das Publikum. Es ist der Start des Greth-Schell-Brauchs, dessen Entstehungsdatum auf das Jahr 1721 zurückgeht.
Die Fasnacht hat ihren Zweck erfüllt
Perfektes Sonnenwetter lockt dabei Jung und Alt an den Anlass. Fast scheint es, als ob es den unermüdlich feiernden Fasnächtlerinnen und Fasnächtlern in den letzten Tagen tatsächlich gelungen ist, dem Winter den Garaus zu machen – bekanntlich ja einer der ursprünglichen Zwecke der Fasnacht. Die vielen Kinder, verkleidet als Hexen, Polizisten, Astronauten und Löwen, schauen zwar in die Höhe, allerdings nicht zum strahlend blauen Himmel. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Casino-Balkon. Dort hat gerade die Zunftmusik ihre letzten Takte gespielt und macht den Zünftlern Platz. Bald beginnt die Kinderbescherung.
Familiär heisst nicht leise – im Gegenteil
Denn auch das ist der Greth-Schell-Brauch: familiär und kinderfreundlich. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht laut ist. «Greth-Schällebei! Greth-Schällebei! Greth-Schällebei», schreien die Kinder aus voller Kehle, während die Zünftler oben auf dem Balkon dazu animieren, noch lauter zu schreien. Die Mühe lohnt sich, auch wenn am nächsten Tag wohl das eine oder andere Kind heiser sein wird: Schon fliegen die Mutschli, Würstchen, Süssigkeiten und Zunfttaler Richtung Menge. Die eine oder andere schwungvoll geworfene Orange schafft es sogar bis auf die andere Strassenseite.
Der Weg ist das Ziel
Und dann treten sie aus der Tür des Gebäudes, die Hauptfiguren des Umzugs: Margarethe Schell mit ihrem Mann auf dem Rücken und die sieben tanzenden Lölis, die Saufkumpanen ihres Gatten. Ihre Route ist eigentlich nur ein paar hundert Meter lang: Durch die Ober Altstadt geht es über die Schwanengasse und die Unter Altstadt zum Greth-Schell-Brunnen. Die maskierten Fasnächtler kommen indes nur langsam voran; der Weg ist hier das Ziel. Kaum aufgetaucht, werden sie umringt von Kindern, die schreiend und hüpfend Brötchen, Orangen und Taler fordern. In den engen Gassen der Altstadt ist dann fast kein Durchkommen mehr, und von den Wänden hallen die Rufe noch lauter wider.
Auch Unbeteiligte müssen einstecken
Zimperlich sind sie nicht gerade, die Lölis mit ihren nicht unbedingt sympathischen Masken und den gepunkteten Kleidern. Mit sogenannten Süüblateren, Schweinsblasen, hauen sie auf alles, was sich ihnen in den Weg stellt – egal ob gross oder klein, alt oder jung. Niemand ist sicher, und selbst als vermeintlich unbeteiligter Zuschauer muss man aufpassen, dass man keinen Hieb einsteckt. Die Orangen muss man sich verdienen. (Text: Tobias Söldi)