So hat man die «Galvanik» selten erlebt

Dies & Das

,

Am Mittwoch fand das erste Politikgespräch in der «Galvanik» statt. Thema war die kantonale Steuerpolitik.

  • Heinz Tännler im Talk in der Galvanik.Bild: gy (Zug, 20.11.2024)
    Heinz Tännler im Talk in der Galvanik.Bild: gy (Zug, 20.11.2024)

Zug – Am Mittwochabend ist die Stimmung in der «Galvanik» – wie soll man es sagen – «anders». Kei­ne lauten Bässe, kein Gesang, keine «fancy» Drinks. Das ist gut. Denn das Kulturzentrum überrascht mit seinem Novemberprogramm. Dort ist ein Talk zur Frage «Wie nachhaltig ist das Geschäftsmodell von Zug?» aufgelistet. Es ist das erste moderierte Gespräch in der «Galvanik», in dem es um ein sehr konkretes, politisches Thema geht: die kantonale Steuerpolitik.

Aufgrund des angepriesenen Inhalts des Anlasses ist klar, welcher Mann nicht fehlen darf: Heinz Tännler, Zuger Regierungsrat und Finanzdirektor, Hü­ter der reichlich gefüllten Schatzkammer des Kantons. Ihm gegenüber sitzt Ulrike Herrmann, deutsche Journalistin, Publizistin und Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung «taz». Sie ist gelernte Bankkauffrau, hat an der Freien Universität Berlin Philosophie und Geschichtswissenschaften studiert.

Schnell wird klar, dass sich die beiden in vielen, fundamentalen Auffassungen nicht einig sind. Während Herrmann – ihrerseits fasziniert vom Kapitalismus – die Ansicht vertritt, dass die Wirtschaft schrumpfen muss, um eine vollständige Eskalation der Klimakrise abzuwenden, kommt für Tännler einzig das Wirtschaftswachstum infrage. Und während Herrmann der Schweiz und dem Kanton Zug unterstellt, die Steuern der umliegenden Länder und Kantone zu stehlen, verweist Tännler auf den Finanzausgleich.

Moderiert wird das Gespräch vom WOZ-Journalisten Daniel Stern. Er spricht die Tatsache an, dass die Zuger Tiefsteuerpolitik Firmen wie Glencore und Holcim in den Kanton locken. Und er fragt: Wer haftet für die Schäden, die sie verursachen? Tännler sagt in diesem Kontext: «Ich lese den Geschäftsbericht der Glencore nicht jedes Jahr und auch nicht jede Seite.» Der «kleine Kanton Zug und der kleine Finanzdirektor» könnten hier nicht viel anrichten.

Es fehlte eine klare Gesprächsführung

Ansonsten ist der Moderator im Gespräch wenig spürbar. Bald dreht sich die Diskussion vor allem um Umweltthemen. Diese sind zwar interessant und seitens Ulrike Herrmann offenbar akribisch recherchiert (sie hat da­rüber ein Buch geschrieben). Doch es fehlt der rote Faden, eine Gesprächsleitung, die die Redenden vom Weltklima wieder in den Kanton Zug und zu seiner Steuerpolitik führt. Schliesslich dürfte es primär dieses Thema gewesen sein, für das die rund 40 Gäste in der «Galvanik» erschienen. Auch Tännler kritisiert das zu Recht: «Für Klimathemen hätte man Bundesrat Albert Rösti als Vorsteher des Umweltdepartements einladen müssen.»

Dennoch lässt sich der Finanzdirektor dezidiert auf die Klimadiskussion ein. Auch er weiss: Vollständig trennen lassen sich die Themen Wirtschaft und Umwelt nicht. In einer Sache sind sich Herrmann und Tännler einig: dass Klimaschutz nur global funktioniert. Doch die Lesart dieser Aussage unterscheidet sich bereits wieder diametral. Für Tännler ist klar: Solange die Organisation erdöl­ex­por­tie­ren­der Länder OPEC weiter Öl fördert, könne die Schweiz noch so viele Solarpanels aufstellen – es werde sich nichts ändern. Für Herrmann zählt jeder einzelne Akteur im Kampf gegen die Klimakrise.

Noch während auf der Bühne diskutiert wird, entbrennen im Publikum einzelne Diskussionen unter den Gästen. Sie überdauern den Applaus zum Schluss der Veranstaltung, verschieben sich an die Bar oder werden an Ort und Stelle weitergeführt. Sie zeigen die eigentliche Stärke von Anlässen dieser Art: Menschen, die sich wie alle meist unter Gleichgesinnten aufhalten, treffen aufeinander, finden das Gespräch, vielleicht sogar einen Konsens. Diese Dialoge sind wichtig für eine funktionierende Gesellschaft, für den öffentlichen Diskurs, letztlich für die Demokratie. Die «Galvanik» fördert mit ihrem neuen Format ebensolche Gespräche. «Mehr davon» wünschen sich viele der Gäste des Politgesprächs am Mittwochabend. (Text: Kristina Gysi)