Die Kantonsschule Zug hat seit 1975 ihren «Jungen König»
Kunst & Baukultur
In der Halle der Kanti am Lüssiweg verweist ein Kunstwerk auf den bekannten Wiener Bildhauer Fritz Wotruba und seine enge Verbindung mit der Stadt Zug. Die Bronzeplastik repräsentiert Wotrubas Schaffen anschaulich.
Zug – Der Wiener Bildhauer Fritz Wotruba (1907–1975) gilt als einer der führenden Plastiker der ausgehenden Moderne. Zu den wichtigsten Charakteristika seines bildhauerischen Werkes ab 1945 gehört die Auflösung figürlicher Komponenten hin zur streng geometrischen Abstraktion.
Wotrubas enger Bezug zur Stadt Zug entstand einerseits durch seine Bekanntschaft mit dem damaligen Bundesrat Philipp Etter und andererseits durch seine enge Freundschaft mit dem Zuger Mäzenatenpaar Fritz und Edith Kamm, welche während Wotrubas Exil in den Kriegsjahren entstanden ist. Der Wiener unterstützte und beriet das Ehepaar Kamm bei der Akquisition hochwertiger Kunst für ihre laufend erweiterte Sammlung.
1998 wurde die Stiftung Sammlung Kamm gegründet, die im Kunsthaus Zug beheimatet ist. Die hochkarätige Kollektion mit einem Schwerpunkt auf der Wiener Moderne umfasst auch mehrere bedeutende Exponate Wotrubas, von denen sich einige Stein- und Bronzeplastiken auf dem Gelände des Kunsthauses oder in unmittelbarer Nähe befinden.
Eine Sandsteinvorlage von 1961
Ein Klassiker aus Wotrubas repräsentativem Schaffen an der oben erwähnten Schwelle vom Figürlichen hin zum Abstrakten steht zudem im Eingangsbereich der Kantonsschule am Lüssiweg. Das Kunstwerk ist Eigentum des Kantons und von diesem bereits 1972 angekauft worden, um es an seinem heutigen Platz aufzustellen als Teil der künstlerischen Gestaltung des 1975 fertiggestellten Schulhauskomplexes.
Es handelt sich um eine so genannte «grosse stehende Figur», die sich unter dem alternativen Namen «Junger König» innerhalb Wotrubas Werkreihe dieser «stehenden Figuren» abgrenzen lässt. Dem «Jungen König» liegt eine Vorlage aus Sandstein zugrunde, entstanden in den Jahren 1961/62.
Mit ihren knapp 177 Zentimetern Grösse ist die auf einem Kunststeinsockel platzierte, 120 Kilogramm schwere Figur mannshoch. Sie demonstriert eindrücklich, wie sich Wotrubas Schaffen seit seiner Emigration aus Österreich gewandelt hat. Es war die Auseinandersetzung mit der Internationalen Moderne, welche den Künstler dazu inspiriert hatte, nicht an seiner bisherigen Schaffensweise anzuknüpfen, sondern sich ein zeitgemässes, aber sehr persönliches künstlerisches Konzept des abstrahierenden Modellierens zu erarbeiten.
Stolz, filigran, verletzlich
Auf einer Plinthe, die an ein menschliches Fusspaar – einer davon nach vorne gerückt – erinnert, stapeln sich mehrheitlich kubische Elemente, die Beine, Rumpf, Torso und Kopf andeuten und der streng geometrischen Plastik ein durch und durch menschlich wirkendes Gepräge verleihen. Die Oberflächenbearbeitung lässt auf einen wohlüberlegten Behau des Steinmodells schliessen. Gemeinsam mit den sichtbar gelassenen Gussnähten erhält der «Junge König» neben seiner stolzen, aufrechten Haltung etwas Filigran-Verletzliches.
Die Bezeichnung der Plastik ist auf Fritz Wotrubas intensive Auseinandersetzung mit dem Theater der Antike zurückzuführen. Auch ihre Form mit der fussähnlichen Basis und dem nach oben hin abschliessenden Element, das an ein Kapitell erinnert, nimmt Bezug auf die Antike, namentlich die mächtigen zuhauf verbauten Säulen mit Basis, Schaft und Kapitell. In situ ist die Plastik zudem eine Antwort auf die von mehreren Betonpfeilern gestützte Halle, in der sie steht. Ein identisches Modell des «Jungen Königs» ist im Besitz der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien (Inventarnummer FW 328). (Text: Andreas Faessler)