Wie der Edlibacher nach Zürich kam
Brauchtum & Geschichte
Die Zürcher Altstadt ist gespickt mit Hinweisen und Verweisen aufs tiefste Mittelalter. Einige von ihnen führen auch ins Zugerland. Eine kleine «genealogische» Spurensuche.
Edlibach – Der Name dieses mittelalterlichen Zürcher Altstadthauses – zum steinernen «Erggel» – erschliesst sich einem von selbst, sofern man den Blick nach oben richtet: An der Schaufassade prangt ein sehr auffälliger Erker aus Sandstein mit spitz zulaufender Konsole, der sich von der blau getünchten Hausfassade in seiner farblichen Naturbelassenheit stark abhebt. Er erstreckt sich über zwei Geschosse und prägt die Gassenflucht. Wir finden das markante Gebäude in Sichtweite zum Grossmünster an der Ecke Oberdorfstrasse/Trittligasse. Auf einer steinernen Inschriftentafel – leider etwas aus dem Blickfeld gerückt, da hoch über dem Erdgeschoss platziert – sind aus Zuger Sicht zwei vertraut klingende Namen zu lesen: Edlibach und Waldmann. Ein Teil der sehr langen Geschichte des Hauses steht demnach mit unserem Kanton in Verbindung.
Aufstieg und Fall des Flegels aus Baar
Was es mit Hans Waldmann auf sich hat, ist hierzulande einigermassen bekannt: 1435 in Blickensdorf bei Baar geboren, siedelte er noch in jugendlichem Alter nach Zürich über, in die Heimat seiner Mutter. Dort machte der als streitlustiger, unberechenbarer und ungebildeter Rüpel bekannte Baarer – dank Heirat mit einer angesehenen Bürgerstochter – eine beispiellose militärische und politische Karriere und wurde 1486 Bürgermeister von Zürich. Durch seine ungestüme, grobe Art vermasselte Waldmann letztlich jedoch alles, zog den Zorn des Volkes auf sich und musste sein Tun und Handeln 1489 mit dem Kopf bezahlen. Dennoch ist das Andenken an den Haudegen aus dem Zugerland gegenwärtig: Am Kopf der Zürcher Münsterbrücke steht an prominenter Stelle das Reiterstandbild Hans Waldmanns. In Blickensdorf erinnert die Hans-Waldmann-Strasse an den Sohn des Dorfes, und ein Steinwurf weiter steht die Waldmannhalle.
Und was ist jetzt mit Edlibach? Vorweg: Der Name auf der Inschriftentafel am Zürcher Erkerhaus geht tatsächlich auf den Menzinger Ortsteil respektive das dortige Fliessgewässer zurück. Die Inschrift lautet wörtlich: «Hier wohnte der Chronist Gerold Edlibach, Hans Waldmanns Stiefsohn 1482–1530». Die Mutter des 1454 in Zürich geborenen Edlibach hiess Anna Landolt und war die oben erwähnte Bürgerstochter, welche Hans Waldmann geheiratet hat. Es war ihre zweite Ehe, Gerold entstammte der Verbindung mit ihrem ersten Mann, Ulrich Edlibach. So wurde Waldmann Edlibachs Stiefvater.
Es ist demnach Zufall, dass die Familiengeschichten von Stiefvater und Stiefsohn jeweils in den Kanton Zug führen und sich nun auf ein und derselben Tafel mitten im historischen Herzen der Limmatstadt wiederfinden. Edlibach ist/war zwar ein sehr altes Stadtzürcher Bürger- und Junkergeschlecht, dessen Stammväter jedoch aus dem Zugerland kamen. Denn als Grossvater des Zürcher Chronisten ist ein 1404 erstmals urkundlich erfasster Hans Edlibach aus Neuheim, Sohn eines Heinrich Edlibach und dessen Frau Barbara von Utingen, verbürgt.
Gemäss dem Verzeichnis Zuger Ortsnamen (Beat Dittli, 2007. Band II) geht der Familienname Edlibach auf den gleichnamigen Bach zurück, der von der Twärfallen unter Schwandegg herkommend ab dem nach ihm benannten Menzinger Gemeindeteil als Höllbach weiterfliesst und sich unten im Tobel schliesslich in die Lorze ergiesst. Laut Dittli finden sich früheste Erwähnungen von Edlibach als Familienname in Luzerner Verzeichnissen, wobei das älteste Dokument, welches die Edlibachs eindeutig in Zug verortet, von 1358 stammt.
Die Edlibachs werden Zürcher
Zu diesen frühen, eindeutig hier anzusiedelnden Edlibachs gehört der erwähnte Hans in Neuheim. Hans «ebnete» den späteren Weg der Edlibachs in die Stadt an der Limmat, indem er das Zürcher Bürgerrecht erwarb und später als Zuger Gesandter bei Auseinandersetzungen mit Zürich vermittelte. Hans starb in seiner Heimatgemeinde Neuheim, doch als Geburtsort seines Sohnes Ulrich ist die Stadt Zürich verbürgt.
Ulrich erneuerte 1459 sein Bürgerrecht in Zürich und war dreimal verheiratet. Erst mit einer Brandenberg aus Zug, danach mit einer Kienast aus Zollikon und schliesslich mit der uns bereits bekannten Anna Landolt. Diese ehelichte nach Ulrichs Tod 1462 Hans Waldmann, der dann eben Stiefvater des Edlibachers wurde, welcher fast 50 Jahre lang im Haus «zum steinernen Erggel» lebte. Diese genealogischen Verbindungen haben folglich dazu geführt, dass sich die beiden Zuger Namen auf der Inschriftentafel im Zürcher Oberdorf finden. (Text von Andreas Faessler)