«Der Kunstkiosk wird mir fehlen»

Dies & Das

,

Für das Kulturlokal in Baar bricht eine neue Ära an: Gleichzeitig mit der Vereinspräsidentin und Mitinitiantin Maria Greco tritt der gesamte Vorstand zurück.

  • Maria Greco hat den Kunstkiosk aufgebaut und über mehrere Jahre begleitet. Bild: Stefan Kaiser (Baar, 18.12.2024)
    Maria Greco hat den Kunstkiosk aufgebaut und über mehrere Jahre begleitet. Bild: Stefan Kaiser (Baar, 18.12.2024)

Baar – Nach elf Jahren als Präsidentin des Vereins Kunstkiosk hören Sie auf. Wie geht es Ihnen damit?

Maria Greco: Es fühlt sich komisch an. Der Kunstkiosk wird mir sicher fehlen. Wir müssen demnächst noch etwas aufräumen, da werde ich wahrscheinlich die eine oder andere Träne verdrücken. Aber ich freue mich auch darauf, einfach mal ganz entspannt als Gast eine Veranstaltung zu geniessen und etwas zu konsumieren.

Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?

In der Kultur ist nach zehn Jahren eine Rochade sinnvoll, sonst kann nichts Neues entstehen. Ich habe auch gemerkt, dass meine Motivation nicht mehr so gross ist wie früher. Dazu kommt, dass der Kunstkiosk viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich wollte mich wieder mehr auf eigene Projekte fokussieren.

Es wird also nicht ruhiger werden um Sie?

Nein, überhaupt nicht. Davon bin ich weit entfernt.

Mit Ihnen tritt auch der gesamte Vorstand zurück.

Ja. Als ich dem Vorstand vor einem Jahr mitteilte, dass ich aufhören werde, sagten alle nacheinander: «Dann höre ich aber auch auf.» Im ersten Moment hat mich das sehr traurig gemacht. Aber nach ein paar Tagen dachte ich mir: Dass der Vorstand gesamthaft zurücktritt, bietet dem neuen Team auch eine Chance, der eigenen Vision nachzugehen, ohne dass ihnen jemand dreinredet. Vielleicht ist es so genau richtig.

Wer übernimmt?

Diese Frage hat mich lange beschäftigt. Als ich einmal durch Baar gelaufen bin, sind mir plötzlich Laura Hürlimann vom Verein Kunstpause und Rafael Casaulta in den Sinn gekommen. Mit beiden haben wir schon zusammengearbeitet. Als wir sie angefragt haben, mussten sie nicht lange überlegen. Zusammen mit Julian Wasem starten sie am Fasnachtssamstag im März.

Es bricht also eine neue Ära für den Kunstkiosk an.

Ja. Ich freue mich, dass wir ein junges, motiviertes, gut vernetztes Team gefunden haben, das frischen Wind in den Kunstkiosk bringt. Nur der Name bleibt, das war uns wichtig. Der hat sich über die Jahre etabliert.

Wie auch der Kunstkiosk als solcher.

Er ist etabliert und wird wahrgenommen, vor allem bei Veranstaltungen im Aussenbereich. Dann kommen zum Teil auch Leute, die mit Kunst wenig am Hut haben. Das war immer eines unserer Ziele: Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir wollten immer niederschwellig sein. Darum haben wir auch nie Eintritt verlangt, sondern Kollekte gesammelt.

Ist es Ihnen oft gelungen, ein breites Publikum anzuziehen?

Das hing vom Thema ab. An der Ausstellung «Gömmer eis go zieh?» 2015 mit Geschichten und Bildern von verschwundenen Gasthäusern, Wirtschaften und Beizen in Baar kam wirklich alles, was Beine hatte. Aber grundsätzlich braucht es schon Überzeugungsarbeit. Man muss immer dranbleiben, die Leute animieren, vorbeizukommen. Das kostet auch Energie. Ein Selbstläufer war der Kunstkiosk nie.

Sie waren von Anfang an dabei. Wie hat alles begonnen?

2012 stand das Häuschen noch an der Marktgasse 10 und sollte zusammen mit dem Restaurant Rössli abgerissen werden. Ich fand das schade. Darum sind Brigitt Andermatt und ich mit der Idee des Kunstkiosks auf die Alfred Müller AG zugegangen, die Eigentümerin, die dort eine grosse Überbauung plante.

Wie kam die Idee an?

Offenbar gut. Man hat uns das Gebäude geschenkt und uns sogar den Transport bezahlt. Es war alles sehr unkompliziert.

Und wie gelangte das Gebäude in den Robert- Fellmann-Park?

Wir haben zusammen mit der Gemeinde Baar nach einem geeigneten Ort gesucht. Der Park war dabei unser absoluter Favorit. 2013 wurde das Gebäude dann mit einem Kran durch die Luft getragen und in den Park versetzt. Der Zuger Architekt Patrick Röösli hat uns bei diesem Vorhaben unterstützt. Er war es auch, der wusste, dass ein solcher Transport überhaupt möglich ist.

Warum war es Ihnen wichtig, das Häuschen zu erhalten?

Ein altes Gebäude wie der Kunstkiosk hat viel Geschichte, die ein neues Haus noch nicht hat. Auch die Bauweise aus Holz fasziniert mich. Es ist ein warmes Material. Man fühlt sich heimelig und wohl.

Seit der Eröffnung sind rund 60 Ausstellungen und 40 interdisziplinäre Veranstaltungen durchgeführt worden. Was waren die Höhepunkte?

Schwierig zu sagen (denkt nach). Die Dada-Soirées waren immer Highlights. Die werden mir auf jeden Fall fehlen. Und auch die «Lebende Krippe», unsere Aufführung der Weihnachtsgeschichte – ultraschräg, aber auch sehr heiter. Schwer beeindruckt hat mich auch die Installation «HerzJesuHerz» von Zeno Schneider und Konrad Reichmuth im Jahr 2018.

Worum ging es?

Im Schaufenster war ein Jesusbild zu sehen, auf dessen Brust ein typisch stilisiertes Herz erschien, das sich dann in ein schlagendes menschliches Herz verwandelte. Wie die Leute reagiert haben, war sehr spannend. Viele waren erstaunt. Manche fragten sich: Darf man das machen? Ist das ein Sakrileg?

Wie kam der Kunstkiosk bei den Kunstschaffenden an?

Zeitweise mussten wir sogar eine Warteliste führen, zumal wir nicht mehr als vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr umsetzen konnten. Für Künstler, die grossformatig arbeiten, ist es eine spannende Herausforderung, auf kleinem Raum etwas zu machen – und umgekehrt freuten sich die kleinformatig arbeitenden Künstlerinnen und Künstler darüber, einen Raum ganz bespielen zu können. Auch die Betreuung hat vielen Künstlerinnen und Künstlern gut gefallen. Das hat sich wohl alles herumgesprochen.

Die Grösse – der Kunstkiosk ist 4,5 auf 3,7 Meter gross – ist wohl Fluch wie Segen.

Wir hätten immer gerne einen Lagerraum für Stühle und Bänke gehabt. Das hätten wir besser lösen können. Auch das Zelt für Aussenveranstaltungen mussten wir jeweils bei einem Vorstandsmitglied zu Hause deponieren. Aber irgendwie ist es immer gegangen.

Mit welchen Herausforderungen war man sonst noch konfrontiert?

Im Winter konnten wir wenig machen. Wir mussten jeweils einen halben Tag vorheizen, damit es einigermassen warm war. Eine Zeit lang hatten wir eine kleine Weihnachtsausstellung während der Adventszeit organisiert. Die lief zwar recht gut, aber irgendwann hörten wir auf damit. Es war einfach zu kalt. Und es war auch aufwendig. Man hatte jeden Samstag dort zu sein.

Geld war immer genug vorhanden?

Ja, wir wurden immer gut unterstützt. Von der Gemeinde, vom Kanton, aber auch von Stiftungen bei einzelnen Projekten. Auch die Sponsorensuche lief immer gut.

Sie sind vielseitig engagiert in der Kulturszene. Wie beurteilen Sie das Baarer Kulturleben?

Baar hat mit der Fasnacht und der Chilbi eine gute Volkskultur. Es gibt auch punktuell Veranstaltungen, aber für eine Stadt mit 25’000 Einwohnerinnen und Einwohnern haben wir bemerkenswert wenig. Auch für Kunst, die vielleicht auch mal etwas schräg, etwas weniger massentauglich ist, hätte Baar noch Potenzial.

Woran fehlt es?

Es gibt zu wenig Räume und Orte, die sich verändern lassen. In teuren Neubauten sind solche Projekte oft schwierig umzusetzen. Diese Orte muss man finden – und dann braucht es noch die richtigen Leute, die mit anpacken. Beim Kunstkiosk ist das alles zusammengekommen. Das war ein Glücksfall.

Hinweis

In dieser Serie interviewen wir verschiedene Persönlichkeiten aus Zug zum Jahreswechsel.


(Interview: Tobias Söldi)