Simmel
Literatur & Gesellschaft
Die wenigsten kennen das Grab des weltberühmten Schriftstellers auf dem Friedhof St. Michael. Kein Wunder. So zurückgezogen er lebte, so bescheiden ist seine letzte Ruhestätte.
Zug – Friedhöfe sind wie ein «Who is who». Auch wenn es sich um Verstorbene handelt. Wer über den Zentralfriedhof in Wien spaziert und Grabmäler von Mozart, Schubert, Beethoven oder Johann Strauss aufsucht, den befällt eine gewisse Demut. Nicht nur, weil es sich um Persönlichkeiten der Geschichte handelt, vor deren Gräbern man gerade steht. Sondern auch, weil man spürt, welche Anziehungskraft Wien für diese Personen gehabt haben muss. Und wie bedeutend die Stadt selbst einmal war (und noch immer ist) - wenn so viele Berühmte dort beerdigt worden sind.
2009 in Zug gestorben
Auch der Zuger Friedhof ist ein interessantes Spiegelbild seiner ehemaligen Bewohner. Wer etwa vor dem legendären Grab Hans Hürlimanns verweilt, denkt an das Leben und die familiäre Tragik des früheren Zuger Bundesrats zurück. Und doch gibt es noch andere Personen auf dem Zuger Gräberfeld, die die ganze Welt gekannt hat - deren Grabmal aber die wenigsten bisher überhaupt einmal gesehen haben. Etwa das Grab von Johannes Mario Simmel. Der österreichische Autor, der am Neujahrstag 2009 in Zug im Alter von 84 Jahren gestorben ist, hat mit seinen unzähligen spannenden Romanen wie «Es muss nicht immer Kaviar sein» und «Der Stoff, aus dem die Träume sind» Weltruhm erlangt - selbst wenn Simmel stets beleidigt darüber war, dass das Feuilleton seine Werke zumeist als Trivialliteratur abklassifiziert hat.
Zuerst im Guggital untergekommen
Dass viele Zuger sein bescheidenes Grab in Form einer kleinen Marmorstele nicht kennen, passt irgendwie zum zurückgezogenen Leben des Schriftstellers, das er in Zug geführt hat. Schon im Hotel Guggital, wo Simmel 1983 abstieg, bevor er in seine Wohnung am Bohlgutsch gezogen ist, führte er das Dasein eines Eremiten. «Er wohnte einige Wochen im Zimmer 44», erinnert sich der frühere Hotelier Franz Elsener. Der heute 81-Jährige beherbergte schon viele andere Prominente im «Guggital». «Simmel hat den ganzen Tag in seinem Zimmer gearbeitet», erzählt er. Wenn Kinder im Garten spielten, habe er dafür sorgen müssen, dass diese nicht zu laut gewesen seien. «Er hat mir acht Bücher mit persönlicher Widmung geschenkt», ist Elsener stolz - selbst wenn er noch kein einziges davon gelesen hat. «Ich bin eben kein Bücherwurm.»
Auch sonst fiel der Schriftsteller, der insgesamt 35 Romane veröffentlichte, die eine Gesamtauflage von rund 73 Millionen verkaufter Exemplare (!) erzielten, in der Zuger Gesellschaft wenig auf. Susanne Giger von der Buchhandlung Schmidgasse mag sich an den engagierten Autor noch als «scheue und schwierige Persönlichkeit» erinnern, der bei ihr bestellte Bücher stets abholen liess. Und Adrian Hürlimann, Präsident der Literarischen Gesellschaft Zug, weiss noch, als Journalist ein Interview mit Johannes Mario Simmel für die «Zuger Nachrichten» geführt zu haben.
Nur einmal Akkusativ verbessert
«Er war eigentlich ein offener Typ», so Hürlimann. Wenn man ihn in der Stadt getroffen habe, habe er immer die gleichen Geschichten erzählt. «Dass er aus nichts Schriftsteller geworden sei. Dass er nur ein Kännchen Pfefferminztee zum Arbeiten brauche. Dass er von seiner Wohnung aus Sichtkontakt zum Alten Kantonsspital habe, wo seine Frau behandelt wurde. Oder dass er nachts mit Marlene Dietrich telefoniert habe, die genauso einsam sei wie er.»
Hürlimann hat sich auch einmal als «Ghostwriter» von Johannes Mario Simmel verdingen dürfen. Letzterer mischte sich in die seinerzeitige politische Diskussion um den Zuger Stadtbeobachter ein. «Er hat zu mir gesagt: ‹Schreiben Sie, was Sie wollen›. Beim Korrekturlesen hat er dann lediglich einen Akkusativ verbessert.» (Wolfgang Holz)
HINWEISMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.