Jungtalente mit elektrisierender Spielfreude

Musik

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Die 2013 vom Violinisten Alexander Gilman gegründeten LGT Young Soloists sind heute das am häufigsten auftretende Jugendorchester der Welt. Mit einem fulminanten Konzert beendeten sie die offizielle Spielsaison des Theater Casino Zug.

  • Sie gehören zu den Besten: Die LGT Young Soloists sorgten im Theater Casino für Beifall im Stehen. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 20. 6. 2024)
    Sie gehören zu den Besten: Die LGT Young Soloists sorgten im Theater Casino für Beifall im Stehen. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 20. 6. 2024)

Zug – Elf junge Streichervirtuosinnen und -virtuosen stehen auf der Bühne im Festsaal des Theater Casino Zug im Halbrund. In ihrer Mitte der 23-jährige Emmanuel Webb aus Grossbritannien und die 21-jährige Kiana Chan aus Hongkong. Sie spielen eine bekannte Tanzmelodie, den «Yankee Doodle» von Henri Vieuxtemps («Souvenir d’Amérique» 1843). Die beiden im Zentrum solieren, verweben ihre Stimmen ineinander und mit den begleitenden Instrumenten. Der Tanz ist wild und witzig, überschäumend und ironisch, mal zart und leise ziehend, dann staccato-hämmernd und voller kraftvoller Striche. «Die Post fährt ab», denkt man beim Zuhören, «sie lassen die Zügel schiessen und die Gefühle kochen», und doch ist alles beherrscht und gekonnt in höchster Perfektion.

Auf der Bühne stehen die LGT Young Soloists, und das Stück ist ihre Zugabe. Die Mischung aus Können und dahinter aufleuchtender Disziplin einerseits und stürmischer Spielfreude andererseits hat das vorangegangene zweistündige Konzert geprägt. Auf dem Programm standen drei monumentale Werke der klassischen Streichmusik: Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen d-Moll BWV 1043, Ludwig van Beethovens Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 3 op. 69 und Gustav Mahlers Orchesterfassung von Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-moll «Der Tod und das Mädchen».

Ein bisschen Dompteurskunst

«Die nächste Generation spielt auf» – so kündigte das Theater Casino den letzten Abend seiner Saison an. Denn das mehrfach preisgekrönte Orchester besteht aus hochtalentierten Musikerinnen und Musikern zwischen 12 und 23 Jahren aus über 20 Nationen. Inzwischen begeistern sie das Publikum in New York, Peking, Moskau, Schanghai und in ihrer vormaligen Homebase Zug.

Der Orchestergründer Alexander Gilman gehört zu den bekanntesten Violinisten und Pädagogen seiner Generation. Seit 2013 ist er künstlerischer Leiter und gleichzeitig erste Violine der Formation. Im anschliessenden Gespräch erzählt er Martin Wettstein, Konzertkurator des Theater Casino: «Ein guter Berufsmusiker braucht zweierlei: eine Top-Ausbildung und Bühnenerfahrung. Letzteres kommt oft zu kurz. Dem wollen wir abhelfen.»

Gilman lacht, als er beschreibt: «Die Individualität, die Intensität, Verspieltheit und Lebensfreude der jugendlichen Solisten ist gegeben. In unserem Ensemble müssen sie nun lernen, sich einzugliedern, anzupassen und einander zu unterstützen und zu inspirieren. Das braucht gelegentlich ein wenig Dompteurskunst.» Im weltweit gespannten klassischen Musikbetrieb erhielten die Abgängerinnen und Abgänger des Orchesters oft bereits nach dem ersten Vorspiel eine Anstellung, was nicht die Norm sei.

Hohes Können und Spontaneität

Schon im ersten Stück des Konzertabends – in Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen mit seinem jubilierenden Vivace, der berühmten Lento-Melodie und dem temperamentvollen Allegro – brillierten Emmanuel Webb und Kiana Chan solistisch. Und doch war zu hören, dass die Begleitinstrumente gleichwertig gespielt wurden: Jede musikalische Rolle schien verantwortet und ausgefüllt.

Für eine CD-Einspielung 2020 liessen die LGT Young Soloists von Beethovens Sonate für Cello und Klavier Nr. 3 eine Orchesterfassung arrangieren (von Paul Struck). «Beethoven recomposed» erklang auch am Konzertabend – mit Solocellist Felix Brunnenkant. Der junge Münchner interpretierte die beethoventypische emotionale Berg- und Talfahrt mit Poesie und Energie, Innigkeit und Intensität. Sehr schön auch, wie die perlenden Pianoläufe der Originalkomposition von Gilmans erster Geige übernommen werden.

Schuberts «Der Tod und das Mädchen» in Mahlers Orchesterversion bot dem hochkarätigen Ensemble Gelegenheit, die gesamte Palette seiner reichen Möglichkeiten zu offenbaren. Ausser Programm wurde davor ein weiteres kammermusikalisches Juwel angekündigt: Paul Hindemiths «Trauermusik». Der 25-jährige Bratschist Marvin Stark aus Deutschland hatte Gilman gebeten, das Stück, welches er gerade erarbeitet hatte, spielen zu dürfen. Spontaneität als weiteres Merkmal der Gilman-Truppe. Das Publikum applaudierte am Ende stehend. (Text von Dorotea Bitterli)