Badend das Gleichgewicht finden
Kunst & Baukultur
Zum Stuhlgang in den See: Eine schwimmende Holzskulptur des Chamer Bildhauers Daniel Züsli bereichert den Badespass beim Hirsgarten. Durch seine Beschaffenheit bringt das Objekt die Menschen zum Interagieren miteinander.
Cham – Sitzgelegenheit im See gefällig? Wer sie nutzen will, sollte die Badehose montieren: Zwischen Hirsgarten und Villettepark stehen seit einigen Wochen drei rote Stühle im Wasser, also eigentlich schwimmen sie. Sie sind im Dreieck angeordnet, als würden sie auf Herrschaften warten, die sich zum angeregten Gespräch gegenübersitzen wollen.
Erst aus der Nähe ist zu erkennen, dass die Stühle jeweils auf gelblichen Holzköpfen mit grossen Ohren platziert sind, die – je nach Wellengang – zu knapp drei Vierteln unter Wasser liegen. Sie sind über Holzstämme miteinander verbunden, in die sie sich «verbissen» haben, und bilden so ein gleichschenkliges Dreieck. Die schwimmende Skulptur aus Thuja- und Eichenholz mit knapp zwei Metern Seitenlänge kommt aus der Werkstatt des Chamer Holzbildhauers Daniel Züsli. Es ist bereits die zweite dieser Art an dieser Stelle – die Köpfe des Vorgängermodells hatten noch keine Stühle auf der Glatze.
Dem Projekt war 2016 ein Künstlersymposium im Kleinformat vorausgegangen: Gemeinsam mit dem Chamer Bildhauerpaar Doris und Thomas Huber hatte Daniel Züsli sein Atelier eine Woche lang in den Hirsgarten unter freien Himmel verlegt. Die Aktion «Huber und Züsli hauen drauf!» sollte den Besucherinnen und Besuchern des Naherholungsziels am See vor Ort Einblick in die Arbeit von Bildhauern geben.
Ein Bier ohne Fischbiss
Züslis Resultat dieser Open-Air-Aktion war schliesslich die per Motorsäge und Schnitzmesser entstandene Schwimmskulptur, welche fortan das Freizeit-Badevergnügen der Bevölkerung bereicherte. Zwischen Hirsgarten und Villettepark gibt es nämlich eine Untiefe, wo einem Erwachsenen das Wasser bloss bis knapp über den Bauch reicht. «Ich wollte dort draussen so gern mal ein Bier trinken, ohne dass mir die Fische in die Beine beissen», sagt Daniel Züsli rückblickend und lacht. Also musste eine Sitzgelegenheit her. Daraus ist die Idee zur Schwimmskulptur mit den Holzstämmen entstanden – die mehr als ein herkömmliches Floss sein sollte.
Sie wurde von Anfang an stets rege genutzt. Doch im Laufe der Jahre ist das Holz marode geworden, weshalb Züsli seine schwimmenden Köpfe nun ersetzt hat – mit den Stühlen als kreative Erweiterung. Für ihn gehen Sinn und Zweck seines Kunstwerkes über diejenigen eines Spiel- und Freizeitgerätes hinaus. «Wenn sich mehrere Leute draufsetzen, müssen sie sich so arrangieren, dass die Balance gehalten wird und das Ganze nicht zur Seite kippt», sagt Züsli. «Und dafür müssen sie miteinander ins Gespräch kommen.»
Die Schwimmskulptur wird damit umso mehr zu einem Begegnungsort, und die mit ihr verbundene gemeinsame Suche nach Balance und Gleichgewicht erhält einen performativen Charakter. Erst recht, wenn die Badegäste versuchen, auf den Stühlen Platz zu nehmen, was durch die erhöhte Position ungleich herausfordernder ist. «Mir gefällt der Gedanke sehr, dass meine Skulptur die Menschen zur Interaktion animiert», sagt der Bildhauer.
Sie gehört Mensch und Tier
Was ihn ebenso freut: Wenn die Badegäste weg sind, nehmen Wasservögel die Stuhlköpfe für sich ein – «nachts gehört mein Werk den Tieren». Die Vögel setzen sich meist auf die Lehnen der Stühle, weiss er, «und kacken auf die Sitzfläche». Ihn amüsiert in diesem Zusammenhang das erweiterte Gedankenspiel, dass sich die Tiere frisch-fröhlich dorthin erleichtern, wo tagsüber jemand mit viel Anstrengung Platz genommen hat und dann vielleicht dachte, er oder sie sei jetzt der «King».
Doch auch bei Badegästen ruft Züslis Schwimmskulptur Kreativität hervor. So habe einer neulich gesagt, dass er nun einen Stuhlgang machen werde, als er im Begriff war, zu Züslis Skulptur hinauszuschwimmen. Den Künstler freut’s zu sehen, dass sein Objekt von den Freizeitgästen so gut aufgenommen und auch rege benutzt wird. (Text von Andreas Faessler)