Spannendes aus früheren Zeiten

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Zum Biblio-Weekend in Steinhausen gehörte ein historischer Rundgang mit dem 92-jährigen Anton Rüttimann. Interessierte erhielten vom Hobbyhistoriker erstaunliche Einblicke und wenig bekannte Details.

  • Hobbyhistoriker Anton Rüttimann (92, rechts im Bild) wusste der gespannten Zuhörerschaft viel aus der Vergangenheit Steinhausens zu berichten. Beispielsweise über den Schlossberg, wo bis kurz vor 1700 das «Schlössli» stand. (Bild Mathias Blattmann)
    Hobbyhistoriker Anton Rüttimann (92, rechts im Bild) wusste der gespannten Zuhörerschaft viel aus der Vergangenheit Steinhausens zu berichten. Beispielsweise über den Schlossberg, wo bis kurz vor 1700 das «Schlössli» stand. (Bild Mathias Blattmann)

Steinhausen – «Die Zeit läuft mir immer davon», sagte Anton Rüttimann nach der einstündigen Führung. Dabei könnte der rüstige 92-jährige Ur-Steinhauser noch viel mehr Geschichten über das Dorf erzählen. Der Rundgang startete und endete bei der Bibliothek, wo die rund 25 Personen Fragen stellen und seine historischen Kopien bestaunen durften.

Unterwegs lauschten alle interessiert seinen Ausführungen, die er mit heiteren Begebenheiten ergänzte, während er den Bogen von der Eiszeit bis in die Neuzeit zog. Bescheiden sagte der ehemalige Bauschlosser zu Beginn: «Ich bin kein Profi, erst seit der Pensionierung habe ich mich intensiv mit Steinhausen befasst und festgestellt, dass die Dorfgeschichte nicht abgeschlossen ist. Immer wieder tauchen neue Erkenntnisse auf.»

Besonders habe ihn interessiert, wie das Dorf in seinem Geburtsjahr 1930 ausgesehen habe. «Damals gab es zirka 730 Erwachsene und vier Autos. Wenn ein Auto kam, sind wir nach draussen gerannt – wegen des Lärms. Milchbauern gab es 43, heute nur noch zirka sieben, das Bauland kostete zwei Franken pro Quadratmeter und heute über 3000.» Immer wieder löste Rüttimann Erstaunen aus über frühere Lebensumstände, die er in Büchern und alten Schriften entdeckte. So wie beim Hiltibrunnen, den es seit Urzeiten hier gegeben habe: «Er war lange der einzige öffentliche Brunnen. Erst 1830, als die Wasserversorgung kam, wurden darin das Waschen und Spülen verboten.»

Das alte Schlössli gibt es nicht mehr

An dem schönen Tag wurde auf dem Schlossberg gern die Aussicht bewundert, besonders von denen, die noch nie da oben gewesen waren. Rüttimann berichtete, dass hier ab 1867 das Haus Rigiblick stand, welches später als Kur- und Gasthaus genutzt wurde, bevor die Missionsgesellschaft Maria Hilf 1920 das heutige Gebäude errichtete und 1930 nebenan das Römerhaus folgte. Im Zweiten Weltkrieg seien dort Gefangene gewesen. «Im Haus wurde auch für die Polen gekocht, und mancher kam damals aus dem Dorf vorbei, um Suppe, Guetzli oder Kakao zu erbitten. Für uns Buebe gab es dort immer etwas z luege.»

Das eigentliche Schlössli mit dem Turm, das auf alten Ansichten zu sehen ist, habe nordwärts unterhalb des heutigen Missionshauses gestanden. «Nach wechselnden Besitzern wurde es kurz vor 1700 abgebrochen. Interessant ist auch, dass eine der ersten Wasserleitungen bis zum Schlossbergbrunnen führte. Und hier wurde schon immer Wein angebaut.» Abschliessend marschierte die Gruppe zum alten Dorfplatz, wo früher das Restaurant Linde stand.

Alte Steinhauser Familien- und Flurnamen

Den Ortsnamen Steinhausen gebe in verschiedenen Formen, so Rüttimann. Er könne von einer Nonne stammen, die so ähnlich geheissen habe, denn das Gebiet habe früher vermutlich dem Kloster St. Blasien gehört, das mehrere Ländereien in der Gegend besass. Der Hobbydorfhistoriker weiss auch manche Geschichte über die alten Steinhauser Geschlechter oder wie die Flurnamen entstanden sind.

Und genüsslich erzählt er, dass Steinhausen schon vor Zug einen Bahnhof hatte – an der ­Linie Affoltern–Luzern. Alles schmunzelte, als er sagte, dass 1865 ein Investor in Steinhausen eine «europäische Millionenstadt» errichten wollte, mit Zehntausenden Häusern. Zudem habe es 1942 den Plan gegeben, in Steinhausen einen internationalen Flughafen zu bauen: «Heute sind wir froh, dass später Kloten die Ausschreibung gewonnen hat.»

Im Rahmen des Biblio-Weekends gab es neben dem Dorfrundgang schon am Freitag die Plüschtier-Übernachtung. In der Bibliothek konnten Kinder ihre Kuscheltiere für die Nacht abgeben. Beim Abholen am Samstag oder Sonntag konnten die 13 Lesezwerge erfahren, was ihre Gspänli in der Nacht erlebt hatten, denn sie erhielten ein Büchlein als Geschenk. Das «Astrologische Gipfeltreffen» beendete am Sonntag das vielseitige Programm. (Monika Wegmann)