Der Strassenfeger-Komponist vom Zuger Bellevue
Dies & Das, Musik
Prominente in Zug (13): Bert Kaempfert (1923–1980), der international bekannte Musiker, Komponist und Bandleader, schrieb zahlreiche Welterfolge. Ab 1966 wohnte er in Zug.
Zug – Wer kennt nicht die geschmeidigen Welthits «Spanish Eyes» oder «Strangers in the Night»? Einmal gehört, gehen sie kaum mehr aus den Ohren. Sie stammen vom deutschen Musiker Bert Kaempfert, der während 24 Jahren seinen Wohnsitz in Zug hatte. Dieser war nicht nur Leiter seines eigenen Orchesters und Arrangeur, sondern vor allem ein einzigartiger Komponist. Kaempfert fand über die Jahre und Jahrzehnte seines Wirkens zu einem unverkennbaren Stil und schrieb damit nichts weniger als Musikgeschichte.
Wer ihn allerdings nur als musikalischen Weichspüler in Erinnerung hat, greift eindeutig zu kurz. Deshalb seien zur Unterstreichung seiner fast unglaublichen Ausstrahlung im Musik- und Showbusiness ein paar Details erwähnt: Er arrangierte für den King of Rock ‘n’ Roll, Elvis Presley, und er war es, der als Erster die Beatles entdeckte und produzierte, bevor diese den Globus eroberten. Damit nicht genug: Insgesamt schuf Kaempfert rund 400 Kompositionen und 750 Arrangements und wurde in die renommierte «Songwriters Hall of Fame» in New York aufgenommen.
Weltweit Millionen von Tonträgern verkauft
In den 1960er- und 1970er-Jahren zählte Bert Kaempfert ganz klar zu den Grossen des internationalen Musik- und Showgeschäfts. Auch wirtschaftlich zahlte sich das aus: Er verkaufte zeit seines Lebens über 150 Millionen Tonträger. Den grössten Erfolg hatte er mit dem musikalischen Strassenfeger «Strangers in the Night», der von internationalen Stars wie Frank Sinatra oder Ella Fitzgerald interpretiert wurde. Der Hamburger Kaempfert war einer der Väter des «Easy Listening», das er selbst charakterisierte als «Musik, die nicht stört». Seine Klänge swingten entspannt und wirkten satt und warm, wodurch sie sich von den sonst so populären Schlagern deutlich abhoben.
Auch die Schweiz liebte seinen Sound. Schon in den 1950er-Jahren hatte Kaempfert Aufnahmen mit dem Schweizer Radioorchester gemacht. Doch das Angebot, sich fest an die Schweiz zu binden, schlug er aus, weil es eine Übersiedlung in die Schweiz nach sich gezogen hätte.
Das änderte sich dann in den 1960er-Jahren. Damals war hierzulande überall Radio Beromünster zu hören, das vielfach die Orchester von James Last und von Bert Kaempfert spielte. Tatsächlich gab es eine Radiosendung mit dem Titel «Gute Laune mit Musik», die sich ausschliesslich Kaempferts Musik widmete. Jetzt hatte der Komponist von «Spanish Eyes» die Augen für eine Umsiedlung in die Schweiz offen. Er lag im Streit mit deutschen Steuerbehörden und hatte zwar noch einen Zweitwohnsitz auf Mallorca; doch sein Steuerberater riet ihm, in die Schweiz umzuziehen.
So kam Bert Kaempfert, der eigentlich Berthold Heinrich Kämpfert hiess, im Sommer 1966 erstmals nach Zug. Zunächst mietete er am Bellevueweg 16 mit seiner Frau Hanne eine möblierte Wohnung mit Blick auf den Zugersee. Zudem domizilierte er seine Firma Doma-Verlag ebenfalls in Zug, diese verwaltete und vermarktete die Schallplattenaufnahmen.
Die deutschen Steuerbehörden witterten Steuerflucht und stellten dem Musiker hohe Nachforderungen. Drei Jahre lang prozessierte Kaempferts Rechtsvertreter dagegen und stand am Ende als Sieger da. Währenddessen hatte Familie Kaempfert nach einer grösseren Bleibe Ausschau gehalten und war am Bellevueweg 18A fündig geworden, wo sie sich 1968 dauerhaft niederliess. Auch Tochter Marion und deren Ehemann Klaus Haake zogen mit ihrem frisch geborenen Sohn Stefan nach Zug.
In Hütten noch ein Haus
Doch Komponist Kaempfert hielt sich nur wenig in Zug auf: Er hatte noch ein Haus auf Mallorca und seine Komponisten- und Musikerkollegen in Hamburg. Zudem lebten er und seine Frau sich auseinander. Sie hatte ihn, den zurückhaltenden, fast introvertierten Komponisten, jahrelang gepusht und gemanagt; jetzt setzte er ein professionelles Management ein, sodass Hanne plötzlich sehr viel freie Zeit hatte. Sie liess sich mit dem Taxi vom Bellevue in die Stadt chauffieren, kaufte teuer ein, liess sich schön frisieren und lud jeden Tag pünktlich um 16 Uhr zum Apéro, weshalb sie in der Nachbarschaft im Bellevue-Quartier den Übernamen «Mrs. Campari» bekam.
Auf jeden Fall kam es so weit, dass Bert Kaempfert nach einer weiteren Bleibe in der Schweiz Ausschau hielt. Er fand diese in Hütten und dort ausserhalb des Dorfes auf dem Bauernhof in der hinteren Schönau; seinen Hauptwohn- und Steuersitz behielt er jedoch in Zug. Kaempfert liess seinen Flügel und das technische Equipment nach Hütten transportieren und zog sich fortan fürs Komponieren dorthin zurück.
Kaempfert erinnerte sich: «Von meinem Pächter bekomme ich frische Eier zum Frühstück und mal ein Karnickel zum Mittag. Auf dem Bergbauernhof lebe ich wie ein Einsiedler. Da oben in 1000 Metern Höhe ist es sehr einsam. Das ist auch gut, denn zum Arbeiten muss ich allein sein. Ab und zu gehe ich aber gern ins Dorf und spiele in der Kneipe Skat. Anfangs war es gar nicht so einfach, zu den Leuten dort Kontakt zu bekommen. Inzwischen habe ich einen Kreis von Skatbrüdern gefunden. Das ist für mich auch besonders wichtig, denn es ist schliesslich nicht nur die Einsamkeit, die mich zu guten Kompositionen anregt, sondern die ganze Atmosphäre dieser ursprünglichen Bergwelt und ihre Bewohner.»
Nebst Hits für die Welt komponierte er in Hütten auch die Eingangsmelodie der Radio-Talksendung «Persönlich», die bis heute jeden Sonntag bei Radio SRF 1 über den Sender geht.
Im November 1976 trat Bert Kaempfert beim Schweizer Fernsehen in der Sendung «Musik & Gäste» auf. Dabei gab er zum einzigen Mal öffentlich Auskunft über seinen Schweizer Wohnsitz. Als ihn Moderatorin Heidi Abel danach fragte, antwortete Kaempfert defensiv und beklagte sich schliesslich darüber, dass er nur die Jahresbewilligung habe und nicht die definitive Niederlassung – obwohl er seit neun Jahren in der Schweiz lebe.
Als Abel darauf sagte, dass diese erst nach zehn Jahren fällig sei, lächelte Kaempfert nur. Er war zwar 1966 zum ersten Mal nach Zug gekommen, hatte sich aber erst 1968 offiziell angemeldet. Auf jeden Fall erhielt Kaempfert dann doch noch die Niederlassungsbewilligung C.
Im Bellevue ein rarer Gast
Von seinem Naturell her war Kaempfert ein zurückhaltender Mensch. So knüpfte er auch im Zuger Bellevue-Quartier nur wenig Kontakte. Eine Ausnahme bildete seine Nachbarin Norma Giusti (auch Giustiani, 1930–2021), eine amerikanische Opernsängerin. Sie wurde regelmässig zum Apéro geladen und sang an einem Fest Kaempferts Lieder, während er sie am Klavier begleitete. Grosser Applaus war dem Ad-hoc-Duo gewiss.
Lange war Kaempfert der geniale Musiker im Hintergrund geblieben. Mit zunehmendem Alter trat er selbst ins Rampenlicht und unternahm mit seinem Orchester kräfteraubende Tourneen. Zuletzt bestritt er eine Auftrittsreise durch Grossbritannien mit einem fulminanten Abschluss in der Royal Albert Hall in London. Seine Band musste Zugabe um Zugabe spielen, bis der Bandleader eingestehen musste, alles gespielt zu haben. Als sich Kaempfert hinterher in seiner Villa auf Mallorca erholen wollte, erlitt er einen Schlaganfall – und starb daraufhin am 21. Juni 1980 im Alter von 56 Jahren. Seine Frau und seine beiden Töchter verstreuten seine Asche in den Everglades in Florida, wo sich Kaempfert sehr wohl gefühlt hatte.
Seine Verwertungsgesellschaft Bert Kaempfert Entertainment AG blieb bis 2018 in Zug ansässig. Und das Einfamilienhaus in Zug ging 1988 an Bernd und Susanne Remmers-Eckert – von Bert zu Bernd gewissermassen.
Der Autor bedankt sich bei Dominique E. Schinabeck, Bernd Remmers und Adrian Scherrer für die freundliche Unterstützung. (Text von Dr. Michael von Orsouw)
Hinweis
Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet Prominente in Zug. In Folge 14 geht um den Erfinder des Zuger Steuerwunders.