Potthofs «unbekannte» Seite

Kunst & Baukultur, Film & Multimedia

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Dass der Zuger Hans Potthof nicht nur Maler und Grafiker, sondern auch Fotograf mit respektablem Blick fürs «Neue» war, davon kann sich die Öffentlichkeit bald zum ersten Mal überhaupt ein Bild machen.

  • Als Fotograf experimentierte Hans Potthof mit Perspektiven, Licht und Schatten. «Paris bei Nacht». Bilder: Hans und Martha Potthoff-Stiftung
    Als Fotograf experimentierte Hans Potthof mit Perspektiven, Licht und Schatten. «Paris bei Nacht». Bilder: Hans und Martha Potthoff-Stiftung
  • Als Fotograf experimentierte Hans Potthof mit Perspektiven, Licht und Schatten. «Der Milchmann» Bilder: Hans und Martha Potthoff-Stiftung
    Als Fotograf experimentierte Hans Potthof mit Perspektiven, Licht und Schatten. «Der Milchmann» Bilder: Hans und Martha Potthoff-Stiftung

Zug – Wohl in zahlreichen Zuger Stuben wird sich das eine oder andere Bild von Hans «Johnny» Potthof (1911-2003) finden. Der Maler und Grafiker wird zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern des 20. Jahrhunderts gezählt. Die kontrastreichen, mit raschem Pinselstrich entstandenen Landschaftsveduten und Alltagsszenen tragen die unverkennbare Handschrift des Zugers.

Vor wenigen Jahren erst hat sich herausgestellt, dass Potthof auch ein ambitionierter Fotograf mit für damalige Zeit ungewöhnlich innovativem Blick auf die Sujetwahl war. Mehr noch: Sein fotografisches Schaffen widerspiegelt eindrücklich die Charakteristika der sogenannten «Neuen Fotografie» der 1920er- und 1930er-Jahre. Zu diesem Schluss ist der Zuger Kunsthistoriker Georg Hilbi gekommen, nachdem er mehr oder weniger per Zufall über die Hans und Martha Potthof-Stiftung auf den bislang völlig unbeachteten, ja vergessenen, Foto-Fundus mit über 2000 Negativen in Potthofs Hinterlassenschaft gestossen ist.

Für Hilbi als Präsidenten des Vereins ZugArt, welcher einen besonderen Fokus auf das Werk Potthofs setzt, war nach sorgfältiger Sichtung der Negative schnell klar: Die Entdeckung kommt einer kleinen Sensation gleich. Denn, ähnlich wie die bekannten Pioniere der «Neuen Fotografie» damals, nutzte Potthof seine Kamera nicht nur für die bildliche Dokumentation, sondern er setzte sie kreativ ein. Georg Hilbi spricht im Falle Potthofs vom «Neuen Sehen», das entgegen gängiger Regeln unter anderem postulierte, Objekte und Menschen in scheinbar willkürlichen Ausschnitten in Schräg-, Durch, Auf- und Untersicht abzubilden.

«Er experimentierte mit der ‹Verunklärung des Objektzusammenhangs›, beispielsweise mittels Schlagschatten und Lichteffekten, Doppelbelichtungen, Bewegungsimpressionen und dem expressiven Gestaltungsmittel der Unschärfe», erklärt der Kunsthistoriker. Für Potthof sei die Fotografie ebenso ein künstlerisches Mittel gewesen, intellektuelle Konstrukte, persönliche Empfindungen, soziale Strukturen und zwischenmenschliche Interaktionen visuell darzustellen.

Er ist immer seinen eigenen Weg gegangen

«Das Ganze geschieht bei Hans Potthof auf sehr originelle Art, was ihn neben seinen bekannten Zeitgenossen bestehen lässt», so Hilbi. Sein Interesse, sich stets mit den neusten Strömungen auseinanderzusetzen und dabei einen ureigenen Weg zu gehen, ohne sich etwas aufdiktieren zu lassen, schlage sich in seinem fotografischen Werk deutlich nieder.

«Potthof war stets vom Gedanken begleitet, wie sich Aktuelles aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen lässt», weiss Hilbi. Davon zeugt eindrückliches Fotomaterial von Grossanlässen wie der Olympiade in Berlin 1936, der Weltausstellung in Paris 1937 oder der Landesausstellung in Zürich 1939. Und doch: «Er hat sich selbst vermutlich nie als Fotograf begriffen», mutmasst der ausgewiesene Potthof-Kenner Hilbi.

Eine repräsentative Auswahl an solch Neuentdecktem aus Potthofs künstlerischem Nachlass hat Georg Hilbi 2021 in seinem grossen Kunstband «Hans Potthof – frühe Malerei, Fotografie» der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ab Ende August wird diesem zuvor völlig unbekannten Schaffen des multidisziplinären Künstlers eine grosse Ausstellung in der Shedhalle an der Hofstrasse gewidmet, initiiert von Hilbi. «Es wird das erste Mal sein, dass die breite Öffentlichkeit diesen Teil von Potthofs künstlerischem Schaffen sehen kann.» Zwar sei dokumentiert, dass er anno 1940 im Rahmen einer Ausstellung im Theater Casino auch Fotografien gezeigt hat, doch habe sich dies nicht nachhaltig im Bewusstsein der Leute festgesetzt. Hans Potthof wurde weiterhin als Maler und Grafiker wahrgenommen.

Im Dialog mit Gato Dkach

Für die Ausstellung haben Hilbi und sein Team rund 200 Negative mit Sujets aus allerlei Bereichen und Zusammenhängen ausgewählt, sie digitalisiert und computertechnisch «gereinigt». Zumal viele von ihnen nach so langer Zeit im Archiv hartnäckigen Staub und Oberflächenschmutz angesetzt hatten. «Bemerkenswert ist, dass viele von Potthofs Fotografien ein gemaltes Pendant haben», sagt Hilbi. Wo dies der Fall und beides zur Hand sei, würden Foto und dazugehöriges Bild einander gegenübergestellt. Hans Potthof wird also auf ganz neue, ungewohnte Weise greif- und erlebbar.

Parallel zu den Fotowerken Potthofs werden in der Ausstellung auch einige Arbeiten des Zuger Fotografen Gato Dkach gezeigt, welcher als einziger zeitgenössischer aktiver Künstler vom Verein ZugArt gefördert wird. Dkachs Fotowerke entstehen analog wie digital, sind häufig thematisch und seriell konzipiert, ihre Aussage ist bewusst mehrdeutig, ambivalent, farblich synthetisiert und kontrastreich. «Der Entscheid, die Potthof-Ausstellung mit Arbeiten von Dkach zu ergänzen, beruht einerseits auf deren Qualität», erklärt Georg Hilbi, «andererseits auf der künstlerischen Symbiose respektive der gegenseitigen Bereicherung.» (Text von Andreas Faessler)


Hinweis

Weitere Infos: www.zugart.ch.