Orgelkonzert im Konzertsaal statt in der Kirche
Musik
Die Zuger Sinfonietta betrat im Zuger Casino und Chamer Lorzensaal akustisches Neuland.
Zug – Der Saal des KKL in unserem Nachbarkanton verfügt zwar über eine fest eingebaute Pfeifenorgel, die meisten Aufführungssäle für grössere Gruppen und Orchester – wie das Zuger Casino und der Chamer Lorzensaal – aber nicht. So muss man für Orgelkonzerte in die Kirchenräume ausweichen, wo meist die unangenehme Auswahl besteht, als Orchester entweder eng gedrängt und für das Publikum praktisch unsichtbar auf der Empore zu spielen oder vom Chorraum aus nur mit Mühe den Kontakt zum weit entfernten Organisten zu finden.
Die Vorarbeit des Hauptsolisten Christian Schmitt vermochte dieses Problem zu einem guten Teil zu lösen: In aufwendiger Kleinarbeit liess er über alle Register Ton für Ton einer Pfeifenorgel in Essen/Deutschland einzeln digitalisieren.
Jetzt reist er mit einem Spieltisch um die Welt, welcher ähnlich wie eine komfortablere Elektronik-Orgel aussieht, dazu zwei spezielle Lautsprecherboxen, die er im Casino rechts und links nahe der Decke anbrachte. Bei einmaligem Anhören wirkte der Gesamtklang viel originalgetreuer als mit einem elektronischen Instrument, auch wenn die je nach Position der Register unterschiedlichen Kopplungsgeräusche fehlten und er die Akustik des Originalstandortes natürlich nicht mitnehmen konnte.
Es war angemessen, für die Aufführungen zwei Werke zu bringen, bei welchen die Begleitung ausschliesslich aus dem Streicherklang bestand. Die Original-Orgel ist ja nach der Tonerzeugung ein Blasinstrument, was ohne weiteres Zutun zu einer klaren Gliederung Solist-Begleitorchester führte. Für das Orgelkonzert HWV 291 von Georg Friedrich Händel konzentrierten sich die solistischen Einsätze auf die schnellen Sätze, während die kurzen langsamen Zwischenpassagen fast nur von den Streichern gestaltet wurden.
Eine andere Form der Orgelkultur brachte das 1938 entstandene Konzert für Orgel, Streicher und Pauke von Francis Poulenc, FP 93. Der sonst der Orgel fern stehende Komponist nutzte – mit Unterstützung durch den Orgelvirtuosen Maurice Duruflé (1902–1986) – alle neu entwickelten technischen Möglichkeiten für einen bis ins Bombastische ausufernden Orgelklang, der nach Bedarf auch ein voll spielendes Orchester fast nach Belieben übertönte. Als Zugabe erklang ein Solostück von Marcel Dupré (1886–1971).
Drei Werke ohne Solo-Organist
Schade, hatte man im Programmheft die Namen der Orchestermitglieder weggelassen. Ein weiteres Mal imponierte der trotz kurzer gemeinsamer Probezeit in sich homogene Gesamtklang, welcher in den drei Werken ohne Orgel-Solist besonders gut zur Geltung kam.
Eine interessante Begegnung war das Adagio für Streichorchester von Guillaume Lekeu (1870–1894), welcher durch allzu frühem Tod an der vollen Entfaltung seiner ausserordentlichen Begabung gehindert wurde. Das im spätromantischen Stil geschriebene Werk beeindruckte bei einmaligem Anhören durch differenzierte harmonische Struktur und durch viele kurze solistische Einsätze, welche sich gerade bei den tieferen Registern nicht nur auf die Stimmführer beschränkten.
Die Sinfonietta interpretierte auch zwei Orchesterwerke von Händel: Schon bei der Almira-Suite des damals in Hamburg lebenden Jungmusikers erschienen viele Elemente des späteren Meisters, etwa mit der Französischen Ouvertüre, die allerdings erst bei späteren Werken wie dem gespielten HWV 328 fast immer in ein Fugato mündete.
Ein weiteres Mal bewunderte man auch die Leistung der Stimmführer, unter denen sich besonders die Konzertmeisterin Simone Zgraggen und der Solocellist Jonas Iten auszeichneten. (Text von Jürg Röthlisberger)