Keine Angst, einfach machen

Dies & Das

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Digitalisierung klaut nicht nur Jobs, sie macht auch Spass. Zumindest hier im neuen Zuger FabLab. Zwischen Lasern und 3D-Druckern entdecken Zugerinnen und Zuger neue Kulturtechniken.

  • Zwei der vier Macherinnen und Macher des Fablabs Zug: Luz Maria Molinari und Moritz Hassler. Bild: Philippe Hubler
    Zwei der vier Macherinnen und Macher des Fablabs Zug: Luz Maria Molinari und Moritz Hassler. Bild: Philippe Hubler
  • Nicht nur Laser und 3D-Drucker: Auch handfestere Maschinen gibts hier. Bild: Philippe Hubler.
    Nicht nur Laser und 3D-Drucker: Auch handfestere Maschinen gibts hier. Bild: Philippe Hubler.

Zug – Autor: Falco Meyer. Dieser Text ist in der November-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier gehts zur Ausgabe.

Da stehen sie jetzt, all die Zukunftsmaschinen: die Laser, die 3D-Drucker, die CNC-Fräse und auch ein paar alte Dinge; die Drehbank, die Nähmaschinen, die Transferpresse. Es gibt Platz von hier bis da, in dem grossen Raum an der Oberallmendstrasse 18, Platz für Arbeitsplätze, Computer, für Erfindungen, für seltsame Gebilde, die ganze Zimmer füllen würden, auf denen warnende Zettel kleben: «Achtung: Ich bin ein Prototyp». Das erste Zuger FabLab ist eine einzige grosse Einladung, eine Versuchung, eine Botschaft: Probiers mal selber! Es ist möglich.

Chaos und Kreativität
Wo vorher die V-Zug systematisch hochkomplexe Geräte hergestellt hat, ist jetzt Chaos und Kreativität angesagt. Mittendrin stehen Moritz Hassler und Luz Maria Molinari. Sie sind zwei der vier Gründerinnen und Gründer des ersten Zuger FabLabs. Und jetzt gerade sind sie am Zügeln. «Das sieht nächste Woche alles wieder ganz anders aus», sagt Luz Maria Molinari und lacht. Es fehlen noch der WC-Wagen und der Bürocontainer. Ja, so viel Platz gibt es hier, dass man ganze Räume in Wagenform hineinstellen kann. Im Dezember eröffnet das FabLab hier am neuen Standort schon zum zweiten Mal, davor war es ein halbes Jahr lang in der Zwischennutzung Nordpol einquartiert. Aber auch jetzt ist es nie ganz geschlossen: «Wir sind am Mittwoch und Donnerstag hier und kümmern uns um den Wiederaufbau  nd wer kommen will, ist herzlich willkommen», sagt Hassler. Aber was ist das überhaupt, ein FabLab?

Das haben sich die beiden auch gefragt, als sie zum ersten Mal eines betreten hatten. Jetzt ist das Ganze etwas klarer. «Wir möchten einen Ort bieten, an dem man ohne Hürden die Techniken der digitalen Fabrikation lernen kann», sagt Hassler. Ohne Hürden, heisst: Man darf einfach kommen und die Geräte bedienen.

Wohin mit all dem Plastik?
Hürden gibt es auch so noch genug: «Die Leute kommen oft zum ersten Mal und finden das alles super.» Die 3D-Drucker mega interessant, der Laser ein Publikumsmagnet. «Aber was kann ich jetzt damit machen?», sagt Hassler. Es sei ihm genauso gegangen. «Dann produziert man dabei auch noch jede Menge Plastik, das hat mich zuerst auch abgeschreckt: Was soll ich jetzt mit all dem Plastik? Aber wenn man sich auf die Möglichkeiten einlässt und anfängt, die Techniken zu lernen, dann ist hier plötzlich unglaublich vieles möglich.»

Was, das müssen die Nutzer selber herausfinden. «Das Team ist nicht dazu da, um den Besuchern Dinge zu bauen», sagt Molinari. «Und das eigentliche Herstellen ist der kürzeste Teil des Prozesses. Zuerst muss man lernen, den digitalen Teil zu beherrschen. Erst dann kann man kreativ werden.» Der digitale Teil ist, kein Wunder bei digitaler Fabrikation, nun mal der schwierige. Beim Laser geht das schneller: Da kann man blitzschnell einen Schriftzug in irgendetwas einbrennen. «Das ist 2D», sagt Molinari, «das geht zehn Minuten. Der 3D-Drucker ist 3D, da geht es sechs Stunden, bis ein Modell gedruckt werden kann. Das ist der Unterschied.»

Die Senioren kreuzen auf
Aber eigentlich muss man das dem Publikum des FabLabs nicht wirklich erklären. Der Verein wächst und wächst. Seit der Gründung vor einem halben Jahr ist er schon auf 60 Mitglieder angewachsen. «Unser Ziel ist ein selbsttragender Betrieb», sagt Hassler, «dafür brauchen wir etwa 200 Mitglieder. Ich glaube, das schaffen wir.» Die Zielgruppe ist breit gefasst. Am meisten überrascht haben Hassler die Senioren, die aufkreuzen: «Es gibt eine rege Modellbaugemeinschaft. Da gibt es Modellflugzeugpiloten, Eisenbähnler, sie kommen alle her, um ihre Modelle zu reparieren und Ersatzteile zu bauen. Das Schöne daran: Da kommt viel Know-how ins FabLab.»

Überhaupt lebt das Labor von seinen Benutzern: Ein Primarlehrer, der mit seinen Kindern Kameras ins All schiesst und Roboter programmiert, hat hier einen Arbeitsplatz aufgeschlagen. Ein ehemaliger ETH-Werkstattleiter hat sich ebenfalls eingebracht, mitsamt all seiner Maschinen. «Alles, was grün ist, ist von ihm», sagt Hassler und lacht. «Und das ist wunderbar.» Das Wichtigste aber sei der Wissensaustausch zwischen den Nutzern. «Die Nutzer kommen her und müssen selber herausfinden, wie etwas geht – da muss man Youtube-Tutorials schauen, recherchieren», sagt Molinari. «Aber wenn es schon jemanden gibt, der weiss, wie etwas funktioniert, dann geht das natürlich viel schneller.»

Und was hat das mit Kultur zu tun?
Und warum schreiben wir überhaupt darüber, über das FabLab, hier im Kultur Magazin? Ganz einfach: Was hier entsteht, ist ein absolut lokaler Raum der gestalterischen Selbstermächtigung. Für Kunstschaffende ist besonders interessant. Nicht nur der Maschinen wegen. «Wir wollen ein Ort sein, an dem man miteinander Dinge entwickeln kann», sagt Hassler. «Die Menschen haben ein Bedürfnis danach, zu einer Gemeinschaft dazuzugehören – und hier ist das völlig ohne Hürden möglich.» Der Zeitgeist spielt mit: Es wird wichtiger, Dinge selber herzustellen. «Ich glaube nicht, dass das Ziel im Leben immer so bleiben soll: dass ich im Laden stehe und mich dabei gut fühle, zwischen Produkten auswählen zu können», sagt Hassler. «Ich möchte die Dinge selber herstellen können, und dabei etwas über den Prozess lernen.»

Da sind wir mitten im Kunstschaffen, bei der Neugier auf neue Techniken und neue Prozessformen. Auch dafür ist das FabLab gedacht. «Es kommen jetzt schon Künstler her, die für ihre Produktionen Dinge herstellen», sagt Hassler. «Auch solche, die neue Medien für ihre Kunst ausprobieren.» Das könnte auch noch im grösseren Stil stattfinden, so Hassler: «Wir könnten uns vorstellen, dass hier zum Beispiel Bühnenbilder hergestellt werden.» Die beiden FabLab-Manager bieten schon heute zwei Arbeitsgruppen an, in denen gezielt etwas hergestellt werden kann. Molinari arbeitet mit dem Lampenlabor: eine Gruppe von Gestaltern, die spezielle Lampen kreiert. «Daraus entsteht eine Ausstellung», sagt Molinari. «Das ist eine Art geführtes Kunsthandwerk: Die Leute machen mit, um das Labor und die Techniken besser kennen zu lernen, und stellen dabei in einem künstlerischen Prozess etwas Eigenes her.»

Hassler ist bei der Gruppe Food-Computer dabei. Hier geht es darum, ein Miniaturgewächshaus komplett über Computer zu steuern, zur heimischen Gemüseproduktion. Hassler ist von Haus aus Lehrer. Molinari bildende Künstlerin. Nun sind sie auch noch Werkstattleiter, Forscher, Experimentatoren und Erwachsenenbildner. «Wir haben keine Angst vor Neuem», sagt Molinari und lacht. «Wir machen einfach.»