Über das Leben zweier grosser Bergsteiger

Literatur & Gesellschaft

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«Eine besondere Seilschaft» des Erstfelder Autors Bruno Bollinger erzählt die Geschichten der Alpinisten Alois Stricker und Fredy Hächler.

  • Auch auf dem Buchcover: Alois Strickler (links) und Fredy Hächler 1959 auf dem Matterhorn. (Bild PD)
    Auch auf dem Buchcover: Alois Strickler (links) und Fredy Hächler 1959 auf dem Matterhorn. (Bild PD)

Zug – Wussten Sie, dass der erste Schweizer, der die sechs grossen Nordwände der Alpen erfolgreich bestiegen hat, ein Zuger war? Alois Strickler, der über 50 Jahre in Unterägeri gelebt hat und im Sommer 2019 94-jährig an einer Lungenentzündung verstorben ist, gehörte in den 1960er-Jahren zu den besten Bergsteigern der Schweiz. Anderthalb Jahre nach seinem Tod erfährt Strickler nun eine spezielle Ehre: Im Buch «Eine besondere Seilschaft» werden sein Leben und seine Bergsteigerkarriere eindrücklich beschrieben.

Das Buch widmet sich zudem Fredy Hächler (Jahrgang 1932), einem Abenteurer aus Zürich, mit dem Strickler vor rund 60 Jahren zahlreiche namhafte Wände und Gipfel der Schweiz bestiegen hat. Drei Jahre lang hat der Erstfelder Autor und Publizist Bruno Bollinger recherchiert und geschrieben.

Ein 20000 Franken teurer Stein im Garten

Der Autor, selbst leidenschaftlicher Kletterer und Bergsteiger, lernte Alois Strickler 1999 im Klettergarten Chämiloch in Schwyz kennen. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den zwei Alpinisten. «Er war seinerzeit einer der Besten, blieb aber wegen seiner Bescheidenheit und Zurückhaltung weitgehend unbekannt», sagt Bruno Bollinger, der lange Zeit in Zug lebte und hier auch als Präsident des Gewerkschaftsbundes wirkte. Bollinger war von den Erzählungen Stricklers fasziniert, wollte sie festhalten. «Doch er wollte partout nicht, dass ich unsere Gespräche aufzeichne.»

Erst Fredy Hächler, den Bollinger vor ein paar Jahren erstmals kontaktierte, konnte Alois Strickler überzeugen, dass seine Geschichten es wert sind, aufgeschrieben zu werden. «Fredy Hächler hatte mir in der Zwischenzeit zahlreiche Briefe geschrieben und ich habe gemerkt, dass er auch ins Buch wollte.» Alois Strickler war also nicht mehr der Mittelpunkt, sondern Teil einer «besonderen Seilschaft», wie der Autor in seiner Einleitung schreibt.

Die zwei Männer, die er porträtiert, hätten unterschiedlicher nicht sein können, sagt Bruno Bollinger. Für Alois Strickler, der in Baar aufgewachsen war und Mechaniker gelernt hatte, habe es nur zwei Dinge im Leben gegeben: Berge und Arbeit. Jede freie Stunde habe er in den Bergen verbracht. Rund 20 Jahre lang lebte Strickler in Morges im Kanton Waadt, wo er bei der Societé Industrielle tätig war, die Teile für Gleisbaumaschinen konstruierte. Danach zog es ihn zurück nach Unterägeri, wo er lange Zeit mit seiner Schwester Margrit an der Windwurfstrasse lebte. Der grosse Stein im Garten, den Alois Strickler vor dem Steinbruch Bethlehem in Menzingen entdeckt und für 20’000 Franken erworben hatte, ist wohl vielen älteren Unterägerern noch bekannt. Ende der 1960er-Jahre absolvierte er seine Ausbildung zum SAC-Bergführer.

Fredy Hächler arbeitete zunächst auf der Grossbaustelle des Stausees Grande Dixence im Wallis, später reiste er mit seinem «Döschwo» durch Afrika und Amerika und mit dem Kajak und dem Segelschiff durch Flüsse und übers Meer. Hächler, der wechselweise in zwei Wohnmobilen und einer Waldhütte im Jura wohnte, bestieg sämtliche Viertausender der Schweizer Alpen allein – es sind mehr als 40. Und er malte die Gipfel. Viele seiner Kunstwerke sind im Buch abgebildet. Bruno Bollinger schreibt über die beiden Persönlichkeiten: «Fredy hatte die verrückten Ideen, Alois das Können.»

Durch einen Zufall kennen gelernt

Zusammen haben die zwei Kletterer die Matterhorn-Nordwand bestiegen. Auf dem Gipfel ist das Bild auf dem Buchcover entstanden. Die Episode aus dem Jahr 1959 liest sich fast wie ein Krimi. Es war die 13. Besteigung dieser Wand. Bollinger beschreibt, wie die zwei Männer bei sternenklarer Nacht die Hörnlihütte verlassen, über den Gletscher, eine «sausteile» Flanke, ohne Sicherungsmöglichkeiten den Aufstieg in Angriff nehmen. Wie sie unter der Gipfelwand auf 4300 Metern biwakieren, wie Alois den Kopf seines Kletterhammers verliert und wie die beiden schliesslich den Gipfel erreichen. Das «Horn» sei einer der imposantesten Berge, aber nicht unbedingt der dankbarste, wird Fredy Hächler im Buch zitiert. Alois Strickler wiederum erzählt, das letzte Wandstück sei nicht so schwierig gewesen wie befürchtet. Kennen gelernt haben sich die zwei Freunde übrigens im Gebiet des Montblanc. Fredy Hächler entdeckte im Hüttenbuch der heutigen Cabane de l’A Neuve den Namen Stricklers – er fiel ihm auf, weil es der einzige Deutschschweizer Name war. Fredy Hächler schrieb Alois Strickler daraufhin einen Brief, ob sie nicht zusammen «Zberg» gehen könnten. Und so kam es. Zusammen haben sie Bergspitzen im Montblanc-Gebiet, am Lauterbrunner Breithorn oder am Bonatti-Pfeiler bestiegen.

Das Buch beleuchtet aber auch andere Erlebnisse: Beispielsweise die Expedition zum Dhaulagiri (Nepal), an der Fredy Hächler 1958 teilnahm oder die Expeditionen von Alois Stricker in Afghanistan, Peru und im Hindukusch. Auch tragische Erzählungen gehören zu einem Alpinistenleben: Alois Strickler hat einige seiner Kletterpartner in den Bergen verloren, zwei tödliche Unfälle hat er selber miterlebt. Es kommen nicht nur die beiden Protagonisten zu Wort, sondern auch Verwandte von Alois Strickler. Fotos, Karten und die Bilder von Fredy Hächler illustrieren die Geschichten. Entstanden ist ein sehr persönliches Werk, das die Leser in die Leben von zwei spannenden Persönlichkeiten eintauchen lässt und nicht nur Szenekenner fesseln dürfte. (Rahel Hug)

Das Buch «Eine besondere Seilschaft» (ISBN 978-3-033-08285-4) ist in folgenden Geschäften erhältlich: Buchhandlung Susanne Giger, Zug; Buch Shop Ägeri, Unterägeri; Piz Buch und Berg, Zürich; Druckerei Gasser, Erstfeld. Oder direkt bei Bruno Bollinger: brunobollinger@bluewin.ch, www.munggenverlag.ch