«Mein Leben ist nicht mehr das gleiche»

Literatur & Gesellschaft

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Als SRF-Korrespondentin erlebte Luzia Tschirky den russischen Angriff auf die Ukraine von Kiew aus. Sie hat ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben. Dieses hat sie vor kurzem in der Bibliothek Zug vorgestellt.

  • Luzia Tschirky signiert ihr Buch in der Bibliothek Zug. Bild: Stefan Kaiser (30. 1. 2025)
    Luzia Tschirky signiert ihr Buch in der Bibliothek Zug. Bild: Stefan Kaiser (30. 1. 2025)

Zug – Die Bibliothek Zug war am Donnerstagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Nach der Begrüssung durch die Bibliotheksleiterin Jasmin Leuze moderierte Yannick Ringger, Historiker und ehemaliger Mitarbeiter der Bibliothek Zug, gekonnt das Podiumsgespräch. Die ehemalige SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen in dem kriegsversehrten Land und erklärte, wie der russische Angriff auf die Ukraine ihr Sicherheitsempfinden verändert hat. Denn sie war dort, wo der Krieg das Leben von Millionen Menschen auf den Kopf gestellt hat: in der Ukraine, genauer in Kiew.

In den Jahren davor hatte sie in Russland erfahren, was Repression ist. Im Krieg dokumentierte sie, was blinde Gewalt für die Menschen bedeutet. Diese Erfahrungen verarbeitete die Osteuropa-Expertin in ihrem ersten Buch «Live aus der Ukraine». Eindrücklich schilderte sie in ausgewählten Textpassagen ihre Begegnungen und persönlichen Erlebnissen vor Ort. Sie stellte fest, dass nach über tausend Tagen Krieg die Bevölkerung müde und ohne Perspektive sei.

Luzia Tschirky war Auslandskorrespondentin des Schweizer Fernsehens, als sie quasi über Nacht zur Kriegsreporterin wurde. Der 24. Februar 2022 stellte für sie eine Zäsur dar – der Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Sie war unterwegs in Kiews, als die ersten Bomben einschlugen, und für sie war sofort klar: Mein Leben ist nicht mehr das gleiche wie zuvor. Ein Krieg in Europa, das ist eine extreme Situation mit extremen Konsequenzen. Von da an berichtete sie laufend über den Krieg. Zuvor hatte sie aus Russland, der Ukraine, Belarus und dem Kaukasus berichtet. Im Jahr 2021 wurde sie zur «Schweizer Journalistin des Jahres» gewählt.

«Es ist ein Privileg, in der Schweiz zu leben»

Luzia Tschirky schreibt so, wie man sie aus den Kriegsreportagen im Schweizer Fernsehen kennt: engagiert, authentisch, direkt. Sie gibt Einblicke in die Machenschaften des russischen Staatsapparates, wie sie es in Moskau vor dem osteuropäischen Krieg hautnah erlebt hat. Mit ihrer klaren Haltung zeichnet sie eine genaue Nahaufnahme des Geschehens. Und sie wird nicht müde, zu betonen: «Es ist ein Privileg, in der Schweiz zu leben.» Die Frage nach der Sicherheit hierzulande kommentierte die Korrespondentin so: «Was ich als Sicherheit in der Schweiz erlebe, war für mich ein selbstverständliches Gut. Heute ist es das nicht mehr».

Zu Wladimir Putin respek­tive Russland merkte sie an, dass es eine Tatsache sei, dass die Motivation der russischen Kämpfer, in den Krieg zu ziehen, ausschliesslich finanzieller Natur sei. Widerstand aus der Bevölkerung sei keiner in Sicht, denn mit dem gewaltsamen Tod von Alexej Nawalny sei jede Widerstandskraft erloschen.

Zum Umgang mit traumatischen Erfahrungen meinte Luzia Tschirky denn auch: «Das Buch zu schreiben, hat mir geholfen, Distanz zu gewinnen und das Erlebte zu verarbeiten. Auch das ein Privileg. Meine russischen und ukrainischen Berufskollegen haben dieses Glück nicht.»

So zeichnete sie in ihrem durchaus pessimistischen Buch denn auch eine pessimistische Zukunft der Ukraine. Sie zog Parallelen zur Situation in Georgien und meinte: «Die Protestbewegung hat ihr Momentum verloren, Georgiens Zukunft sieht düster aus – wie auch die Zukunft der Ukraine.» Und weiter führte sie aus: «Sehr viele Menschen in der Ukraine hegen die Befürchtung, dass sich in zehn bis fünfzehn Jahren niemand mehr für sie interessieren wird – analog zu Georgien.» (Text von Margot Huwyler)