Musikgeschichte in einem Konzert

Musik

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Die Darbietung in Steinhausen brachte einen kommentierten Querschnitt zur Musikentwicklung von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert.

  • Die Hauptsolistin Theresa Wunderlin Steckeler mit der Flöte. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 5. 4. 2024)
    Die Hauptsolistin Theresa Wunderlin Steckeler mit der Flöte. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 5. 4. 2024)

Steinhausen – Das Programm richtete sich nach den Worten der Veranstalter um die Zuger Sinfonietta an mögliche Einsteiger für den Besuch klassischer Konzerte. Es fehlte nicht an Interesse: Der «Dreiklang» in Steinhausen füllte sich praktisch bis auf den letzten Platz, und trotz einer Konzertdauer von mehr als zwei Stunden hielt die Spannung beim Grossteil des Publikums bis zum Schluss.

Man bewegte sich im Grenzbereich zwischen Kammermusik und Orchester. Ohne Dirigent spielten neun Streicher der Zuger Sinfonietta, dazu die Hauptsolisten Theresa Wunderlin Steckeler, Flöte, Nicola Katz, Klarinette und Simone Keller, Klavier. Durch die ganze Aufführungsdauer begleiteten die Moderation von Jean-Christophe Groffe und die visuelle Animation von Martin Riesen.

Der Abend brachte zahlreiche interessante Eindrücke von bedeutenden Kompositionen in musikalisch hochstehender Wiedergabe. Trotzdem wurde er nicht zu einem restlos beglückenden Erlebnis: Er wollte ganz einfach zu viel. Die Lebensdaten von zehn verschiedenen Komponisten reichten vom 12. Jahrhundert bis an die Schwelle der Gegenwart. Trotz nicht zu überhörendem frankofonem Akzent gelang dem Moderator eine klare und gut verständliche Sprachgestaltung. Gezwungenermassen beschränkte er sich auf wenige Streiflichter, für musikhistorisch vorgebildete Leute wohl grösstenteils bekannt, für Unvorbereitete durch die raschen Themenwechsel aber eher eine Überforderung.

Stimmung wie bei einem Kinderkonzert

Man begann mit einem frühen und einfachen Beispiel von Zweistimmigkeit, zugeschrieben einem Meister Léonin (um 1150–1220), gespielt auf einem modernen Konzertflügel. Weiter ging es in wechselnden Besetzungen über Guillaume de Machaut (1300–1377), Anthony Holborne (1545–1602), Johann Sebastian Bach (1685–1750), dem Bach-Sohn Philipp Emanuel (1714–1788) und vor der Pause bis zu Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). Aus den umfangreicheren Werken erklang stets nur ein Teil der Sätze. Da das Programm die genaue Auswahl nicht bekannt gab, begann ein Teil des Publikums – nicht alle –, nach jedem einzelnen Satz zu applaudieren; es entstand fast die Stimmung wie bei einem Kinderkonzert oder einem Ständchen im Altersheim.

Nach der Pause folgten dann Carl Maria von Weber (1786–1826), Edward Grieg (1843–1907), Cécile Chaminade (1857–1944) und George Gershwin (1898–1937). Wiederum erlebte man zahlreiche interessante Einzelleistungen mit der Tendenz, sich gegenseitig zu überdecken. Geblieben ist etwa die virtuose und musikalisch souveräne Gestaltung des Soloparts durch Nicola Katz im Weber-Klarinettenquintett, Opus 32.

Der Komponist nutzte für sein Lieblingsinstrument weidlich den gegenüber andern Blasinstrumenten sehr weiten Tonumfang durch die Überblastechnik in der Oberquinte. Daneben beschränkten sich die Streicher mit Ausnahme eines kurzen Fugatos im Schluss-Satz auf reine Begleitaufgaben.

Das Flötenkonzert der vorübergehend recht bekannten, aber in der Zwischenzeit wieder weitgehend vergessenen Komponistin Cécile Chaminade veranlasste den Moderator zur fast obligatorischen Kritik an der frauenfeindlichen Einstellung langer Epochen der Musikgeschichte. Bei einmaligem Anhören und berufener Interpretation brachte der Einstieg das leicht nachvollziehbare Hauptthema zu einer klaren harmonischen Struktur. Später dominierten virtuose Läufe und eine geistreiche Kadenz der Flöte gegenüber einem Klavierpart, der sich weitgehend mit der Begleitfunktion begnügen musste.

Die optische Begleitung durch Martin Riesen führte von den Kreis- und Quadratfiguren des Konzertplakats zu einem ausgedehnten Feuerwerk nachempfundenen Punkt- und Vorhangmustern und von dort zurück zum Ausgangsmaterial. Der Bezug zur Musik war nur schwer nachvollziehbar. Angesichts der vorgerückten Stunde erschienen die Beschränkung bei Gershwin auf eine Sequenz von kaum einer Minute Spieldauer sowie der Verzicht auf Zugaben angemessen. (Text von Jürg Röthlisberger)