«Auch Achtjährige wurden geköpft»

Dies & Das, Brauchtum & Geschichte

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Zwischen 1559 und 1748 wurden im Kanton Zug 195 Hexenprozesse durchgeführt und 188 Menschen hingerichtet. Auf einer eindrücklichen Theatertour zeichnet Maria Greco ein Bild des letzten grossen Prozesses.

  • Geschichtenerzählerin Maria Greco an der Tour «Unschuldig schuldig». Bild: Stefan Kaiser (Zug, 26. 5. 2024)
    Geschichtenerzählerin Maria Greco an der Tour «Unschuldig schuldig». Bild: Stefan Kaiser (Zug, 26. 5. 2024)

Zug – Wenn man es nicht wüsste, würde man sie sicher nicht finden: die Gedenkstätte für die Menschen, die im Kanton Zug als Hexen und Hexer hingerichtet wurden. Sie steht fast etwas verschämt hinter der Schutzengelkapelle bei der S-Bahn-Haltestelle. Und auch dort verdecken Büsche die ungehinderte Ansicht. Es braucht kleinere akrobatische Einlagen, um den Blick durch die Gitterstäbe hindurch zu erhaschen. Die Tafel ist von der Witterung gezeichnet, der Text nicht so leicht zu entziffern. Er lautet: «Dieses Kreuz steht bei der ehemaligen Richtstätte. Es erinnert an die hier verurteilten und hingerichteten Menschen.» Punkt. Das war’s dann schon.

Den rund dreissig Teilnehmenden an Maria Grecos Stadtumgang zum Thema Hexenverfolgungen in Zug wird der Schlusspunkt des schön-schaurigen Rundgangs, der zwischendurch fast zur Prozession zum Gedenken an die unschuldig zu Tode gebrachten Opfer mutierte, sicher in Erinnerung bleiben. Wie anders wäre es denn zu erklären, dass nach immerhin 80 Minuten konzentrierter und emotional herausfordernder Führung die Rückfragen kaum aufhören wollten?

Warum auch Kinder im Alter von acht Jahren geköpft wurden? Warum beim einen Ammann viele, beim anderen jahrelang keine Verurteilungen? Warum sich die Hauptprotagonistin, der Teenager Katharina Kalbacher, denn selber der Hexerei bezichtigte? Warum dieser Wahn, und das noch im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung? Diese Fragen und viele mehr nahmen die Teilnehmenden auf den Heimweg mit.

Noch immer in der Sprache präsent

So hörte man eine Teilnehmerin ihrem Partner erklären, dass wir ja eigentlich auch heute gar nicht so weit entfernt seien von solch irrationalen Abläufen, dass wir oft allzu leichtgläubig Vorurteilen anhingen, Ge­rüch­ten auf den Leim gingen, vor allem, wenn es um Neid, Missgunst, aber vor allem auch Kriegs­propaganda von verschiedenen Seiten gehe. Ob wir denn heute wirklich Mitgefühl mit den Opfern von Ausgrenzung hätten oder uns nicht doch immer lieber auf die Seite der Macht stellten, um auch dazu­zugehören?

Maria Greco darf sich glücklich schätzen, nicht nur den Verstand, sondern auch die Emotionen der Teilnehmenden in Schwung gebracht zu haben: Anderen etwas Schlechtes wünschen, «Hexenschüsse» erleiden, etwas als wie «verhext» erleben, wie nah ist die untergegangen geglaubte Welt uns noch heute in unserem kollektiven sprachlichen Gedächtnis.

Auf die Idee hatte Greco der Baarer Archivar und Historiker Philippe Bart gebracht, der während seiner Studienzeit ein ausführliches Hexenprotokoll aus dem Staatsarchiv transkribiert hatte und fand, es würde sich gut als Theaterstück eignen. Der Grausamkeit des Inhalts wegen sei die szenische Bearbeitung nicht einfach gewesen, erzählt Greco.

«Die Originalschauplätze sind alle da»

Da sie schon verschiedene Führungen oder Touren zu Sagen und Legenden gemacht habe, sei ihr aber ziemlich schnell klar gewesen, welche Form es bekommen sollte: «Die Originalschauplätze sind ja alle da. Also machte ich eine Tour daraus.» Der einzige Knackpunkt: Greco wollte unbedingt bei der St.-Oswald-Kirche beginnen und bei der ehemaligen Richtstätte aufhören. Doch sei das zumutbar, so weit zu gehen? Wie die Tour auf der langen Strecke gestalten, damit es auch spannend bleibe?

Mit Alice Hauschild fand sie eine tolle Regisseurin, mit Rémy Frick einen Co-Autor, und auch Philippe Bart gab noch wertvolle Inputs. Da der Originalton der Protokolle nichts für sensible Menschen sei, sei schnell klar gewesen: «Es muss nicht alles ausgesprochen sein, manchmal reicht es, wenn etwas nur angedeutet wird.» (Text von Thomas Schaffner)

 

Hinweis

Die nächsten Rundgänge sind Maria Grecos Website zu entnehmen: www.mariagreco.ch.