Ingenieur und Künstler: Quido Sens Spiel mit der Wahrnehmung
Kunst & Baukultur
Er verfremdet Alltagsmaterialien und bringt seine Installationen mit Elektronik in Bewegung. Quido Sen stellt in Zug und Baar aus.
Baar – Immer wieder schafft es der Baarer Künstler Quido Sen mit originellen, aber tiefgründigen Installationen, die Menschen zu verblüffen. Beim Ausloten der Möglichkeiten spielt bei ihm der Computer seit langem eine wichtige Rolle. Dies zeigen derzeit im Foyer des Verwaltungszentrums die farbigen Plotterzeichnungen von 1991, die mittels eigener Programmierung mit dem Zufallsgenerator auf dem PC entstanden sind, von denen einige später zu Skulpturen führten.
Neu ist die Installation am Geländer des ersten Stockes: Abwechselnd füllen und leeren sich die beiden dort hängenden grossen Plastiksäcke. Kleinere Versionen samt Zeichnungen mit den technischen Details sind in der Cafeteria zu entdecken. «Die Bilder entstehen oft erst nach der Präsentation, sie sind für mich wie ein Werkbuch», sagt Sen an der Vernissage am Dienstag.
Auf die Frage nach dem irritierenden Titel der Ausstellung – «Einrichtung zum Nachweis der Anforderung» – lacht er und sagt: «Das sind Anspielungen auf die oft mühsam zu lesende Amtssprache. Die Anforderung hier ist, dass sich das Objekt aufbläst. Den Beweis erbringe ich ja, das Objekt verliert Luft, und das im Wechselspiel. Die Interpretation lasse ich offen. Manche mögen das als Blödsinn ansehen, andere werden vielleicht zum Nachdenken angeregt.»
Der 1948 in Tschechien geborene Künstler hinterfragt oft tiefsinnig unsere technologisierte Welt. Für seine Objekte setzt er einfaches Material ein und verbindet es mit sozialen und politischen Themen. Zugleich ist der Elektroingenieur (ETH Zürich) ein Tüftler, den eine noch so schwierige elektrische Installation, wie hier im Haus, nicht von der Realisierung eines Projektes abhält.
Die Wirklichkeit hinterfragen
An der Vernissage stellte Kunstvermittlerin Lotti Etter das Schaffen des Künstlers näher vor: «Früher hat Quido Sen viel mit Holz und Eisen gearbeitet, heute sind es vermehrt Abfallprodukte wie Netze, Plastik und Säcke. Elektronik und Computer setzt er gezielt ein, wie der Maler den Pinsel.» Seine Werke, die er auch mit Tönen verbinde, seien ungewohnt und lösten oft Schmunzeln aus, doch damit hinterfrage er die Wirklichkeit.
Vor der eindrücklichen akustischen Performance von Quido Sen mit Pelayo Arrizabalaga gab es eine besondere Ehrung: Denn das war die letzte Ausstellung, die Nelly Strässli-Torriani im Auftrag der Direktion für Bildung und Kultur im Verwaltungszentrum organisiert hat. Für ihr langjähriges Wirken im Kulturbereich wurde sie von Bildungsdirektor Stephan Schleiss mit Worten und Blumen gewürdigt (ein Porträt von Nelly Strässli-Torriani wird folgen).
Die Ausstellung wird gemeinsam organisiert von der Direktion für Bildung und Kultur, der Baudirektion Zug und der Galerie Billing in Baar. Letztere zeigt parallel zum Titel «Verwandlung» eine weitere Auswahl des Schaffens von Quido Sen. Mit Installationen wie dem «Kokon» oder dem blauen «Ungeheuer» erinnert er zu den Themen Isolation und Vernetzung sowie der Frage nach der Realität an das berühmte Werk von Franz Kafka, dessen Todestag sich heuer zum 100. Mal jährt. Weiter sind Computer-Radierungen der 1980er- bis 1990er-Jahre zu sehen, die erstmals ausgestellt werden.
Aufschlussreich ist zudem das neu erschienene 196-seitige Künstlerbuch «Quido Sen, Regelmässigkeit des Zufalls», welches sein Schaffen von den Anfängen bis heute in Text und Bild aufzeigt. Mehrere Autoren erläutern, wie der Baarer Ingenieur zur Kunst gekommen ist, um damit Fragen über den Umgang mit der Technik in unserer Gesellschaft zu stellen. Zahlreiche Fotos zu Objekten, Zeichnungen und Installationen verweisen auf das vielfältige Schaffen. Doch auch die Sprache ist für Quido Sen ein Feld, das ihn reizt. So ist im Buch beispielsweise von einem Video zu lesen: «Im Wort ist Wert!»
Hinweis
Ausstellung im Verwaltungszentrum Zug bis 25. Okt.: Mo–Fr, 8–18 Uhr. In der Galerie Billing Baar bis 27. Okt.: Mo, Do, Fr, 14–18 Uhr; Sa, 10–16 Uhr, und an der Kunstnacht vom 28. September.
Buch-ISBN: 978-2-908120-51-6
(Text: Monika Wegmann)