Hölzerne Bezüge zur Realität

Kunst & Baukultur

,

Die Kunst Daniel Züslis geht mit viel Augenzwinkern einher. Die Tiefe dahinter bleibt: Der Chamer Holzbildhauer antwortet mit seinen Werken auf die Gegenwart, auf gesellschaftliche Fragen.

  • Die Quetschköpfe gehören zu Daniel Züslis früheren Werken. Bild: Stefan Kaiser (Cham, 18. 6. 2024)
    Die Quetschköpfe gehören zu Daniel Züslis früheren Werken. Bild: Stefan Kaiser (Cham, 18. 6. 2024)

Cham – Quetschköpfe bevölkern derzeit den Mandelhof, zumindest fallen sie einem als erstes ins Auge beim Betreten des Lichthofes im Chamer Gemeindehaus. Obwohl – nicht ganz. Erst kommt man noch an vollen Hundegacki-Säckchen vorbei und einem Gesellen, der soeben voller Wucht gegen die Glastür gelaufen ist.

Die skurrilen Objekte gehören zur Kunstausstellung des Chamer Holzbildhauers Daniel Züsli, der hier mit rund 70 ausgesuchten Werken ein repräsentatives Abbild seines Schaffens gibt. Zu den charakteristischsten unter ihnen gehören die bereits erwähnten, prominent positionierten Quetschköpfe, hölzerne, teils acrylpatinierte Grinden mit allerlei «krummen» Gesichtsausdrücken, als Hocker benutzbar. Es sind – so nennt sie Züsli selbst – «Köpfe voller Eindrücke»; im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Ausstellung verteilt sich über den ganzen öffentlich zugänglichen Bereich auf allen Etagen des Gemeindehauses. Einiges stellt Züsli hier zum ersten Mal überhaupt aus. Unter den Exponaten finden sich welche aus seiner Lehrzeit anno dazumal. So etwa der von grobem Reifenwerk überfahrene Elefant mit dem vielsagenden Titel «ökologischer Fussabdruck».

Von der Balustrade im dritten Stock grüsst der Asterix-Caesar. Per Bunsenbrenner gebräunte, hier zum ersten Mal ausgestellte Minibäume – aus schlanken Holzstelen wachsend – zeugen vom Anspruch an das Handwerk. Und die abstrahierenden Figuren mit ihrer Schichtstruktur, als wären sie per programmierbarer CNC-Fräse entstanden, können als eine Art Metapher des «Imperfekten» verstanden werden.

Ein Thema – ein ganzes Künstlerleben

Daniel Züsli spielt auch gern mit der Illusion, was sich vor allem bei den beiden Leinwänden auf Keilrahmen niederschlägt. Hier ist aber nichts gemalt, alles besteht aus Holz und seiner Maserung, die «Leinwand», ihre «Vernagelung» und «Überlappungen» – wohl bemerkt aus einem einzigen Stück herausgearbeitet. Mehrteilige Kompositionen sind die Ausnahme in Züslis Schaffen. Und noch seltener kommt es vor, dass er Fremdmaterialien mit verarbeitet. «Das Thema Holz allein ist gross genug für ein ganzes Künstlerleben», sagt er an dieser Stelle.

Seine Kreativität lässt eine blühende Fantasie und viel Humor vermuten. Vor allem bei seinen überdimensionierten Zündhölzli liegt das nahe, wo der Bezug zu seinem Namen offensichtlich ist. Doch beim Begriff «Humor» stutzt Züsli. Ob damit nicht der Gedankenprozess, die Tiefe und Ernsthaftigkeit relativiert werden? Treffender scheint ihm da der Moment des Augenzwinkerns, wenn er seinen Blick auf die Welt und den Alltag richtet.

Denn vor allem Züslis jüngere Schöpfungen sind vor bestimmten Hintergründen entstanden, erzählen eine Geschichte, sind meist künstlerische Reaktionen auf Beobachtungen und Begebenheiten im täglichen Leben. Die Robidog-Säcke etwa: Man sieht sie paradoxerweise überall in der Natur liegen – unentsorgt. «Die Holzbildhauerei sucht heute intensiver als früher nach Bezügen zur Realität, zu gesellschaftlichen Fragen», findet Züsli. Das lässt sich gut ablesen an seinen ausgestellten Objekten im Mandelhof, indem man die Gelegenheit zum Vergleich seiner neueren mit den älteren Kunstwerken erhält.

In seinem jüngeren Schaffen taucht beispielsweise das menschliche Gesicht nicht mehr so prominent auf wie einst. Die Quetschköpfe etwa sind vor allem unmittelbar nach seiner Wanderschaft entstanden, von der er vor bald zehn Jahren zurückgekehrt ist, um in Cham sein Atelier einzurichten. Hier fliegen die Späne wortwörtlich, wenn Züsli sein Holz bearbeitet – das Grobe mit der Kettensäge, die Feinheiten meist mit dem Schnitzmesser.

Er verarbeitet schon mal tonnenschwere Baumstämme, bevorzugt dabei Arve, Pappel oder Linde. «Mein grösstes Werk bisher ist die Rudererskulptur beim Rudersteg an der Lorze, aus einem einzigen Stamm gehauen, der 13 Tonnen gewogen hatte.» Ein Glücksfall für den Chamer war auch der Auftrag zu den vier grossen skulpturalen Holzbrunnen für die Arena des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes 2019 in Zug.

Die «Sinnfrage»

Auch wenn Daniel Züsli Auftragsarbeiten ausführt, bezeichnet er sich als freischaffenden Künstler. «Der absolute Idealfall für mich ist immer der, wenn eine Eigenkreation angenommen wird, genau so wie sie ist.» Da kann er schon mal «sinnlos drauflosschnitzen», sagt er, «und oft kommt dabei etwas überraschend Sinnvolles heraus». Doch angesichts dessen, dass für Züsli bereits das Bildhauen, das Schnitzen selbst eine Handlung ist, die in sich selbst Sinn macht, erübrigt sich die Frage nach Sinn und Unsinn bei seiner Arbeit.

«Aufs Holz gekommen» ist der 1986 in Zug geborene und in Cham aufgewachsene Künstler schon im Kindesalter: auf dem damaligen Robinsonspielplatz im Röhrliberg, wo die Kinder ihre eigenen Holzhütten bauen konnten. Nach einer Schreinerlehre liess er sich zum Holzbildhauer ausbilden und war von 2011 bis 2015 auf Wanderschaft. Seit 2015 arbeitet er selbstständig, 2022 machte er den Bachelor of Arts in Luzern. Daniel Züsli ist mit diversen Förderpreisen ausgezeichnet worden.

Daniel Züslis Ausstellung im Gemeindehaus Mandelhof Cham läuft bis Mitte August. Sie ist während den Büroöffnungszeiten frei zugänglich. (Text von Andreas Faessler)